Dezemberbowle 2021 – Sterne und Weihnachtsruhe

Abgesehen von ein paar kurzen Schneeintermezzi präsentierten sich der Dezember und auch die Weihnachtstage eher grau und verregnet. So konnte man guten Gewissens viel Zeit zu Hause verbringen und lesend auf der Couch genießen. So geht ein ruhiger Dezember zu Ende, der sich für mich literarisch sehr vielseitig gestaltet hat:

Eine faszinierende, ungewöhnliche Perspektive auf die wunderschöne Stadt Potsdam bot mir Ludwig Sternaux’s „Potsdam – Ein Buch der Erinnerung“ aus dem Jahr 1924. Melancholisch blickt der Autor zurück auf die Glanzzeiten der preußischen Monarchie und der Stadt, die so reich ist an Geschichte, Baukunst, Parks und Gärten. Reiseliteratur der anderen Art – fast hundert Jahre alt – und doch öffnet sie einem auch heute noch die Augen für interessante und schöne Aspekte Potsdams.

Ein Sonnenschein von einem Buch über eine tolle Persönlichkeit: Susanne Wiedmann’s Biografie „Cranko, Haydée – und ich, George Bailey“ bescherte mir schwungvolle, interessante und doch auch nachdenkliche Lesestunden. Die Biografie über den langjährigen Korrepetitor des Stuttgarter Balletts ist für Ballettfreunde, Musikliebhaber und Fans von spannenden Lebensgeschichten eine absolut lohnenswerte Lektüre. So kam im grauen Dezember für mich zumindest literarisch die Sonne durch.

Der zweite Teil der nobelpreisgekrönten Trilogie von Sigrid Undset „Kristin Lavranstochter – Die Frau“ versetzte mich erneut zurück ins mittelalterliche Norwegen. Kristin reift zur Frau, wird mehrfache Mutter und hat an der Seite ihres Mannes Erlend so manche Krise durchzustehen. Ein opulenter Roman vor grandioser Naturkulisse über den Kreislauf des Lebens, Werden und Vergehen und große Gefühle.

Seit „Acht Berge“ bin ich ein Fan von Paolo Cognetti, so war ich natürlich sehr neugierig auf den neuen Roman „Das Glück des Wolfes“, der den Leser wieder in die italienische Bergwelt entführt. Ein wohltuendes, stilles und meditatives Buch, welches das Herz am rechten Fleck hat und eine wunderbare Winterlektüre sein kann. Mehr dazu gibt es in Bälde.

Kurz vor dem Tod des Verlegers am 17.12.2021 habe ich noch einen Band aus der SALTO-Reihe gelesen: „Italienische Weihnachten“, das 2019 von Klaus Wagenbach herausgegeben wurde. Die italienische Literatur lag ihm stets ganz besonders am Herzen. Und auch wenn diese Geschichten italienischer Autorinnen und Autoren in diesem Band mich nicht so richtig in Weihnachtsstimmung versetzen wollten, zeigen sie doch die Vielfalt unterschiedlicher Facetten und Perspektiven auf das Land Italien – durch Erzählungen aus der Feder von Natalia Ginzburg, Italo Calvino, Andrea Camilleri, Leonardo Sciascia und viele andere mehr.

Von einer neuen Seite präsentiert sich der bisher vor allem durch historische Romane (z.B. „Die Fälscherin von Venedig“) bekannt gewordene Autor Christian Schnalke in seinem neuen Roman „Louma“ – eine wunderbar warmherzige Geschichte über eine ungewöhnliche Patchworkfamilie: Nach dem Tod der Mutter müssen vier Kinder und ihre zwei Väter sich zusammenraufen und gemeinsam das weitere Leben meistern. Ein ernstes Thema, das Schnalke auf unwiderstehliche Weise stets respekt- aber vor allem auch humorvoll erzählt. Eine ausführliche Rezension folgt im neuen Jahr.

An diesem Roman komme auch ich in diesem Jahr nicht vorbei: Eva Menasse’s „Dunkelblum“ ist ein düsteres Meisterwerk der Zwischentöne und große Literatur. Jetzt über die Weihnachtstage hatte ich endlich die Muße und Konzentration, das vielbesprochene und zu Recht gelobte Werk in Ruhe zu lesen und zu genießen.

Schon das Cover mit den Regentropfen passte jetzt einfach perfekt in die Zeit und das Lesejahr mit einem Krimi ausklingen zu lassen, der dieses Jahr in Großbritannien auf den Bestsellerlisten ganz weit oben stand, entpuppte sich als gute Idee: Janice Hallett’s Debütroman „Mord zwischen den Zeilen“ ist ein richtiger „Pageturner“ im besten Sinne, denn einmal begonnen, kann man ihn wirklich kaum mehr aus der Hand legen. Keine Angst – ich werde bald ausführlicher berichten.

Und an der Filmfront?
Als sehr sehenswert habe ich das Dokudrama „Dürer“ auf ARTE (noch in der Mediathek verfügbar bis 03.03.2022) empfunden, da ich viel Neues – vor allem auch über die Rolle seiner Frau Agnes erfahren habe. Für Kunstinteressierte eine große Empfehlung!

Die besondere Beziehung zwischen Bertha von Suttner und Alfred Nobel steht im Mittelpunkt des Fernsehfilms aus dem Jahr 2014 „Eine Liebe für den Frieden“ (hochkarätig besetzt mit Birgit Minichmayr, Sebastian Koch und Philipp Hochmair), der noch bis zum 02.01.22 (20.15 Uhr) in der ARD Mediathek abrufbar ist. Intelligente Fernsehunterhaltung, die mir eine faszinierende Persönlichkeit bzw. die erste weibliche Nobelpreisträgerin etwas näher gebracht hat.

Dass Bloggen inspirierend ist und kreativ macht, konnte ich diesen Monat gleich zweimal unter Beweis stellen:
Bei Christiane’s wunderbarem Adventskalender auf ihrem Blog „Irgendwas ist immer“ durfte ich eine Adventüde, d.h. eine von mir verfasste Geschichte beisteuern. Wer sie noch gerne lesen möchte, findet sie hier.
Die Sterne auf dem Beitragsbild habe ich bei Nanni auf ihrem kreativen Blog „Helden der Vorzeit“ entdeckt und dann tatsächlich seit langem wieder einmal selbst zum Strickzeug gegriffen.

Im Januar 2022 möchte ich unbedingt auch wieder über Live-Theater berichten.
Im Dezember habe ich hingegen auf zwei andere Formate meines Heimattheaters zurückgegriffen:
In der Mediathek des Landestheater Niederbayern gibt es noch bis zum 09.01.2022 die Videoaufzeichnung des diesjährigen Kinderstücks von Otfried Preußler „Die kleine Hexe“ zu sehen. Wer Kind geblieben ist und die kleine Hexe und ihren Raben Abraxas auf den Weg zum Hexentanz auf dem Blocksberg begleiten möchte, ist herzlich eingeladen – mir hat das Stück viel Freude bereitet.

Für erwachsene Krimi- und Hörspielfreunde kann ich hingegen den dreiteiligen Krimipodcast „Flashback“ von Thomas Ecker sehr empfehlen: spannende Unterhaltung, welche vom Landshuter Schauspielensemble eingesprochen wurde und die ebenfalls in der Mediathek des Theaters zu finden ist.

Bleibt mir nur noch erneut auf ein besseres 2022 für alle Kulturliebhaber und Kulturschaffenden zu hoffen. Ich wünsche allen, die meine Kulturbowle lesen und verfolgen einen guten Rutsch, einen stimmungsvollen, besinnlichen Jahresausklang und ein gesundes, gutes und glückliches neues Jahr 2022!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Dezember:
Als Wintergemüse gehört für mich seit einigen Jahren der Grünkohl im Dezember auf den Speiseplan: ob im Zusammenspiel mit Kartoffeln oder zur Pasta, saisonal ist der Grünkohl jetzt eine gute Wahl.

Musikalisches im Dezember:
Begeistert haben mich diesen Monat die King’s Singers, die ich auf BR Klassik in einem Weihnachtsspecial von „Sweet Spot“ erleben durfte. Faszinierender A-cappella-Klang in der Besetzung mit zwei Counter-Tenören, einem Tenor, zwei Baritonstimmen und einem Bass. Aktuell (Stand: 29.12.21) findet man die Sendung noch auf der Homepage von BR Klassik.

Zwischen dem Alten,
Zwischen dem Neuen
Hier uns zu freuen,
Schenkt uns das Glück,
Und das Vergangne
Heißt mit Vertrauen
Vorwärts zu schauen,
Schauen zurück.

(Ausschnitt aus „Zum neuen Jahr“ von Johann Wolfgang von Goethe)

12 Kommentare zu „Dezemberbowle 2021 – Sterne und Weihnachtsruhe

  1. Danke für deine Verlinkung! Ich freue mich sehr, immer wieder bei dir zu lesen, und wünsche dir noch eine gute Zeit zwischen den Jahren, einen guten Rutsch und ein gutes neues Jahr! (Dreimal „gut“ – das muss doch helfen! 😉)
    Herzliche Abendgrüße 😁☁️🕯️🍷🍪👍

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    1. Dankeschön, liebe Christiane! Die Adventüden waren einfach ein Dezember-Highlight und gehören daher unbedingt in den Monatsrückblick. Und ja, bei dreimal gut sage ich nicht nein, da kann ja fast nichts mehr schiefgehen. 😉 Ich wünsche Dir auch noch geruhsame Tage, einen guten Rutsch und vor allem ein gesundes, glückliches und gutes Jahr 2022! Herzliche Abendgrüße nach Hamburg 🕯️🍷🍪, Barbara
      P.S.: Ich bin schon sehr gespannt auf die neue Wortspende am 2. Januar… auf dass auch das neue Jahr kreativ beginnt. 🙂

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    1. Vielen lieben Dank für das Kompliment, das mich sehr freut! Ja, Eva Menasse entführt ins Burgenland im Jahr 1989 und auch die Schatten des Nationalsozialismus überschatten „Dunkelblum“ immer noch. Im neuen Jahr wird es sicherlich noch eine ausführliche Besprechung zum Buch hier auf der Kulturbowle geben. Bis dahin eine gute Zeit und vor allem ein gesundes, glückliches und gutes neues Jahr 2022! Ich werde gerne versuchen, auch im nächsten Jahr weiterhin Lust auf Bücher zu machen. Herzliche Grüße!

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  2. Du strickst? Sehr hübsch, die Sterne. Ich habe auch vor ein paar Tagen nicht mehr widerstanden und nach einem Jahr Abstinenz die Nadeln wieder in die Hand genommen. Im Winter kann ich die Zeit vorm Fernseher nicht ohne Strickzeug verbringen. Schön wäre, wenn man gleichzeitig auch noch lesen könnte …😉
    Komm gut und gesund ins neue Jahr, liebe Barbara, und bleib bitte für uns am Ball, was Kulturempfehlungen angeht. Ich habe deinen Tipp „Der Palast“ auf der Liste, ganz mein Fernsehbeuteschema: Geschichte, Schauspieler, eigene Erinnerungen an den Friedrichstadtpalast und Showtanz/Ballett in der DDR.
    Saluti e Buon Anno! Anke

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    1. Liebe Anke! Ich stricke selten und phasenweise (dann wieder lange nicht), weil bei mir meistens das Lesen gewinnt 😉 und man ja leider – wie von Dir richtig angemerkt – nicht beides gleichzeitig tun kann. Fernsehen (wenn es nicht hochspannend ist bzw. Konzentration erfordert) oder Hörspiele nebenbei, das geht. Aber diese Sternchen haben mich jetzt in der Vorweihnachtszeit einfach gereizt (wenn man Socken stricken kann, schafft man die auch).
      Auf „Der Palast“ bin ich auch schon sehr gespannt. Die Vorschau, die ich gesehen habe, war vielversprechend und man sah den großen Aufwand, der für diese Produktion getrieben wurde. Glamour und Glanz, Tanz und Show, deutsch-deutsche Geschichte – und natürlich große Gefühle… ich bin sehr neugierig, wie es dann letztlich wirklich sein wird – die Grenzen zum Kitsch sind ja manchmal fließend. Ganz herzliche Grüße und Buon Anno anche a te! Barbara

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  3. Liebe Barbara,
    Du hast und teilst selbst im dezemberlichen Weihnachtsrummel soviel Lesemuße. Respekt und Dank!
    Seit 30? Jahren gehört zu meinen Ritualen das Weihnachts-Rätsel der Nürnberger Nachrichten. Vor der Internet-Zeit schlichen die Suchenden um die Regale der Stadtbibliothek, um eine/n Auror/in, jenen Buchtitel oder ein Gedicht aufzuspüren. Zuhause stellte ich die Bücherregale auf den Kopf. Das Herumschmökern hier und da genieße ich.
    Diesmal ging es um Märchen, Sagen und Geschichten, So gilt es, die Grimmsche Märchen-Sammlung, den faustischen Blocksberg und das Internet durchzubrausen.
    Frage 2 von 24: „Er kann sprechen, trägt ein schwarzes Outfit und ist ein sehr kluger und sehr sympathischer Vertreter seiner Gattung aus der Welt der Magie. Diesen kleinen gefiederten Freund, der so heißt, kennt man aus Kindertagen.“
    Hm, ich kannte ihn nicht wirklich und fand doch den Abraxas aus Otfried Preußlers Kleiner Hexe.
    Dies animiert natürlich, die Landshuter Version anzuschauen; und auch die wunderbaren King’s Singers nachzuhören. Passender Abspann von Goethe.
    Herzlich Bernd

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    1. Lieber Bernd,
      schön, dass Dir der Abraxas sogar im Weihnachtsrätsel begegnet ist (eine schöne Idee übrigens, wenn es die Menschen zum schmökern und lesen bringt!). Mir war der kleine Rabe schon seit der Kindergartenzeit bekannt und ich fand die aktuelle Umsetzung des Landshuter Theaters wirklich sehr liebevoll und gelungen. Julian Ricker spielt einen lebendigen und liebenswürdigen Abraxas und die Kostümabteilung hat ein wunderbares Federkostüm gezaubert, wie ich finde. Dann wünsche ich Dir ganz viel Freude beim Anschauen (bis zum 09.01.22 hast Du noch die Möglichkeit, Abraxas und die kleine Hexe näher kennenzulernen) – mal wieder für etwas über eine Stunde die Welt mit Kinderaugen betrachten dürfen kann etwas sehr Schönes sein. Ich wünsche Dir einen guten Rutsch in ein gesundes, gutes und glückliches neues Jahr 2022! Viele Grüße, Barbara

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    1. Danke, Christoph. Die Ausstellung kommt auf meine Merkliste… hoffen wir, dass im kommenden Sommer Ausflüge, Museumsbesuche etc. wieder unbeschwerter möglich sein werden als im Moment. Dir auch einen guten Rutsch und ein schönes Lesejahr, aber vor allem ein gesundes, glückliches und gutes neues Jahr 2022! Herzliche Grüße, Barbara

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  4. Liebe Barbara,
    vielen Dank fürs Verlinken – schön, dass Du auch Sterne gestrickt hast!
    Danke auch für den Tipp mit der kleinen Hexe – das Stück werde ich mal mit den Kindern ansehen, denn ich bin auch schon seit dem Kindergarten ein großer Fan von Otfried Preußlers Werken und zum Glück sind die Kinder auch alle „Dauerleser“ geworden, die mit Zitaten um sich werfen und denen man gelegentlich die Bücher wegnehmen muss… um vernünftig mit ihnen reden zu können.
    Dir einen ruhigen Jahreswechsel und einen guten Start ins neue Jahr,
    liebe Grüße
    Nanni

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    1. Liebe Nanni! Sehr gerne, ich fand die Sterne klasse, als ich sie bei Dir entdeckt habe und musste das einfach ausprobieren. Ja, bei mir war Otfried Preußler mit seinem Räuber Hotzenplotz, der kleinen Hexe oder auch dem kleinen Gespenst neben Astrid Lindgren und Erich Kästner auch einer der ganz großen Autoren, die meine Kindheit geprägt haben. Ich finde es toll, dass Du es geschafft hast, Deine Kinder für das Lesen zu begeistern.
      Ich durfte als Kind „Räuber Hotzenplotz“ live im Landshuter Theater erleben – sicherlich mit ein Grundstein für meine große Begeisterung fürs Theater – und mit großen Kinderaugen bestaunen. Daher weckte jetzt diese Aufführung der kleinen Hexe viele schöne Kindheitserinnerungen – wenn auch nur digital. Aber das Schöne am Digitalen ist, dass man es auch ohne Probleme an weiter entfernten Orten sehen kann und Ihr somit auch in den Genuss kommen könnt. Viel Spaß beim Schauen! Einen guten Rutsch und ein gesundes, gutes und glückliches neues Jahr! Herzliche Grüße, Barbara

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