Herzbowle – Ferien auf Saltkrokan

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Und heute gibt es etwas Neues hier auf der Kulturbowle, eine neue Serie, die ich plane und in unregelmäßigen Abständen je nach Lust und Laune fortsetzen möchte: die Herzbowle. Und zwar soll es um die Herzensbücher meiner Lesebiografie gehen: Bücher, die mich geprägt, besonders bewegt und berührt haben und mir besonders am Herzen liegen und mich meist schon länger begleiten. Es gibt wenige Bücher, die man mehrfach oder vielleicht sogar immer wieder im Leben liest und bei welchen auch jede Wiederholung erneut ein Genuss ist. Manche Bücher sind gar wie Medizin und helfen in schwierigen Situationen, wenn man Aufheiterung, Trost oder eine Seelenmassage benötigt.

Diese Reihe ist jetzt ein schöner Anlass, diese Lieblingsbücher wieder einmal zur Hand zu nehmen und erneut zu lesen.
Den würdigen Auftakt für meine Herzbowle soll jetzt – passend zum Mittsommerfest – Astrid Lindgren’s „Ferien auf Saltkrokan“ machen. Ein Kinderbuch, das für mich perfekt den Zauber des Sommers und das Feriengefühl der Kindheit eingefangen hat und das daher auf jeden Fall zu meinen liebsten Kinderbüchern zählt.

Ich bin ein Bullerbü-Mädchen und habe keine Vorstellung mehr, wie viele Male ich mir damals die Bullerbü-Bände aus der Stadtbücherei ausgeliehen hatte. Oft – sehr oft – und immer und immer wieder. Erst im Erwachsenenalter erfüllte ich mir dann den Wunsch, diese Bücher selbst im eigenen Buchregal stehen zu haben.
Gleiches gilt für „Ferien auf Saltkrokan“: Schweden, Schären, Sonne und glitzerndes Meer, ein ochsenblutrotes, kleines windschiefes Häuschen – das Schreinerhaus – und ein Familienvater mit vier Kindern – die älteste Malin ersetzt als 19-Jährige den drei jüngeren Brüdern, die bei der Geburt des Jüngsten verstorbene Mutter – der seiner Familie unbeschwerte Sommerferien in der schwedischen Schärenidylle nahe Stockholm schenken möchte.

Nesthäkchen Pelle ist sieben, seine beiden Brüder Johann und Niklas ein paar Jahre älter im besten Lausbubenalter.
Papa Melcher ist Autor und nicht unbedingt handwerklich begabt, aber die patente, zupackende Malin hat ihre Männer und den Haushalt im Griff. Und so verwandelt sich das etwas in die Jahre gekommene kleine Sommerhäuschen schnell zum heimeligen Ferienparadies.

Schon der Empfang am Fähranleger ist herzlich, denn die kleine Tjorven bildet mit ihrem Bernhardiner Bootsmann ein neugieriges Empfangskomitee.
Schnell freunden sich die Melcherson-Kinder mit den einheimischen Inselkindern Tjorven, Stina, Teddy und Freddy an und verleben unbeschwerte Ferientage in der Natur, auf dem Wasser und umgeben von zahlreichen Tieren.

„Nein, ich bin nicht eingebildet, ich freu mich nur, seht ihr, weil der Herrgott auf den Gedanken kam Saltkrokan so zu machen und nicht anders, und weil er dann auf die Idee kam es wie ein Juwel weit draußen am Rand des Meeres hinzulegen, wo es im Frieden gelassen wurde und ungefähr so bleiben durfte, wie er es sich gedacht hatte, und weil ich hierher kommen durfte.“

(S.15)

Da gibt es Hunde, Kaninchen, Robben, Wespen, Lämmchen, Füchse und Fische. Der kleine, tierliebe Pelle schwebt auf Wolke Sieben.
Und doch macht der Siebenjährige auch existenzielle Erfahrungen mit Leben und Tod – Freud und Leid liegt oft nahe zusammen. Nicht alles ist eitel Sonnenschein. Und auch seine Angst, die große Schwester an einen potenziellen zukünftigen Bräutigam zu verlieren, erhält immer wieder neue Nahrung. Denn so mancher Verehrer kommt zu Besuch…

„(…) nichts sollte sie daran hindern, gerade hier und gerade jetzt mit dem Glücklichsein anzufangen. Denn jetzt war Sommer. Es müsste immer Juni sein und Abend. Verträumt und still wie dieser. Und ohne einen Laut.“

(S.22/23)

Die Familie, die den Verlust der Mutter überwinden musste, hält zusammen wie Pech und Schwefel und ist geprägt von einem sehr liebevollen Umgang miteinander. Die Kinder genießen Freiheiten und lernen doch auch, dass Freiheit auch bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.
Doch auch wenn die perfekten Ferientage am liebsten niemals enden sollten, findet auch der längste Sommer irgendwann ein Ende – und was bleibt ist die Vorfreude auf die Rückkehr auf die Insel…

Achtsamkeit, Dankbarkeit für die kleinen Dinge und ein harmonisches Leben von Mensch und Tier im Einklang mit der Natur. All das hat Astrid Lindgren mit der Insel Saltkrokan und Familie Melcherson zwischen zwei Buchdeckel gepackt.
Ein zeitloses (Erscheinungsjahr war übrigens 1964) und zutiefst liebenswertes Buch, das nicht nur Kinderherzen höher schlagen lässt, sondern auch Erwachsene immer noch glücklich machen kann.

„Irgendwo tief in mir
Bin ich ein Kind geblieben
Erst dann wenn ich’s nicht mehr spüren kann
Weiß ich, es ist für mich zu spät …“

(aus Nessajas Song von Peter Maffay/Rolf Zuckowski)

Mich hat die erneute Lektüre auf jeden Fall in beste Urlaubs- und Sommerstimmung versetzt, nichts von ihrem Zauber verloren und in diesem Sinne wünsche ich allen ein schönes Mittsommerfest, das dieses Jahr am 25. Juni in Schweden gefeiert wird! Trevlig Midsommar!

„Nähme ich Flügel der Morgenröte, machte ich mir eine Wohnung zuäußerst im Meer…“

(S.272)

Buchinformation:
Astrid Lindgren, Ferien auf Saltkrokan
Aus dem Schwedischen von Thyra Dohrenburg
Oetinger
ISBN: 3-7891-4119-4

Herzbowle

***

Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Astrid Lindgren’s „Ferien auf Saltkrokan“:

Für den Gaumen:
Auf einer Schäreninsel gibt es natürlich Fisch – bevorzugt selbst gefangen und mit Liebe zubereitet – wie zum Beispiel Dorsch mit Senfsauce.
Und danach vielleicht Zimtwecken und ein Glas Brause?

Zum Weiterschauen:
Das Bild auf dem Titel meiner Ausgabe stammt aus der Verfilmung bzw. der Serie, die in den Sechziger Jahren entstanden ist und unter dem Titel „Ferien auf der Kräheninsel“ lief. Ich habe diese nie gesehen, da ich mir stets meine eigenen Bilder im Kopf und den Zauber des Buches bzw. des geschriebenen Worts bewahren wollte.

Zum Weiterlesen:
Sicherlich noch häufiger als „Ferien auf Saltkrokan“ habe ich die wunderbaren Geschichten aus Bullerbü gelesen. Sie hätten und haben sicherlich ebenso einen Platz in meiner Herzbowle bzw. im Kreise meiner Herzensbücher verdient:

Astrid Lindgren, Die Kinder aus Bullerbü
Aus dem Schwedischen von Else von Hollander-Lossow und Karl Kurt Peters
Oetinger
ISBN: 3-7891-2945-3

17 Kommentare zu „Herzbowle – Ferien auf Saltkrokan

  1. Eines meiner absoluten Schweden-Insel-Lieblingsbücher! Es fängt auf eine ganz einfühlsame und zarte Art und Weise die Essenz des schwedischen Sommers ein: Freiheit, Familie, Meer und Einfachheit. Der zitierte Psalm berührt auch immer wieder mein Herz – ich habe ihn zum ersten Mal im Buch entdeckt und danach hat er mich nicht mehr losgelassen. Zufälligerweise ist die Malin aus Saltkråkan auch meine Namenspatin – meine schwedische Mutter hat den Namen für mich in der Hoffnung gewählt, dass ich auch so eine liebe große Schwester werde. Ich freue mich auf jeden Fall auf mehr Herzensbücher! Glad midsommar allihopa 🇸🇪!

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    1. Oh, wie schön! Da freue ich mich sehr über die Mittsommergrüße aus Schweden! Und Malin ist wirklich die Heldin im Roman, die man gerne als Schwester hätte… da hat sich Deine Mutter eine gute Inspiration ausgesucht… Herzliche Grüße ins schöne Schweden und ein schönes Mittsommerfest!

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    1. Danke, Bettina. Die Filme oder die Serie habe ich bisher nicht gesehen, aber das Buch hat einen besonderen Zauber. Daher kann ich mir sehr gut vorstellen, dass dieser sich auch über die Verfilmung auf die ZuschauerInnen überträgt… Herzliche Mittsommergrüße!

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  2. „Ferien auf Saltkrokan“ gehört auch zu meinen Herzensbüchern, ich lese es in jedem Jahr, manchmal sogar zwei-dreimal. Das Buch hat dafür „gesorgt“, dass ich als Erwachsene Schwedisch gelernt habe. Und damit die Ausgabe aus meiner Kindheit nicht zerlesen wird, habe ich noch eine neuere vor ein paar Jahren gekauft. 🙂

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    1. Schön, dann gibt es etwas, das uns verbindet. Aber das mit dem Schwedisch lernen habe ich nicht geschafft. 🙂 Doch das Buch und auch die Stockholmer Schären sind wirklich zauberhaft. Auch ich habe mir die Ausgabe erst im Erwachsenenalter gekauft, denn in meiner Kindheit hatte ich mir das Buch aus der Stadtbücherei ausgeliehen. Herzliche Grüße und einen schönen Sonntag! Hejdå!

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