Theater für die Ohren

Leider scheint auch dieser zweite Pandemiewinter für die Kulturschaffenden und Kulturbegeisterten wieder ein schwieriger zu werden. Auch für Theaterbegeisterte und leidenschaftliche Theatergruppen und -vereine wie das Theater Nikola Landshut sind dies herausfordernde Zeiten. War und ist es doch schwierig, in den vergangenen Monaten und aktuell einen Probenbetrieb und die Aufführungen vor Publikum zu organisieren und aufrecht zu erhalten. Und doch trotzen sie mit neuen Konzepten und Ideen sowie der ungebrochenen Passion fürs Theater, die ich in den letzten Jahrzehnten schon oft in grandiosen Live-Aufführungen erleben durfte, diesen Schwierigkeiten. Mit der brandneuen Hörspielproduktion von Edgar Wallace’s „Der Hexer“ hat das Ensemble jetzt wieder einen neuen, kreativen Weg beschritten und am 15. November 2021 eine Hörspiel-CD veröffentlicht: quasi Theater für die Ohren und ein spannendes Stück für den Kultur- und Krimigenuss zu Hause.

Bei Edgar Wallace „Der Hexer“ startet bei den meisten wohl sofort das Kopfkino und die Schwarz-Weiß-Filmklassiker aus den Sechzigern flimmern vor dem geistigen, inneren Auge vorbei. Seine Werke wurden in Deutschland vor allem durch diese legendären Filmproduktionen bekannt. Dass Edgar Wallace (1875 – 1932) nicht nur Schriftsteller und „Erfinder des modernen Thriller“ (Zitat: Wikipedia), sondern auch Journalist, Drehbuchautor und Dramatiker war und neben 175 Büchern auch 15 Theaterstücke verfasste, ist schon nicht mehr so bekannt.

Über den Inhalt des „Hexers“ möchte ich eigentlich nichts verraten. In aller Kürze: eine spannende Kriminalhandlung, ein raffinierter Verbrecher, der vermeintlich totgeglaubt in England sein Unwesen treibt und Scotland Yard an der Nase herumführt.

Das Stück bietet zahlreiche Rollen, die durch die Vereinsmitglieder grandios und ausdrucksstark eingesprochen wurden – in Kombination mit kurzen Musikeinspielungen zwischen den Kapiteln und Soundeffekten, für welche Florian Rödl verantwortlich zeichnet, macht dieses Hörspiel in einer neuen Fassung von Thomas Ecker, der auch Regie führte, großes Vergnügen und sorgt für einen Abend voller Gänsehautmomente auf der heimischen Couch.

Reinhart Hoffmann führt als abgeklärter Erzähler durch die Handlung, Rudolf Karl gibt einen herrlich poltrigen und düsteren Maurice Messer, Thomas Ecker einen mysteriösen Dr. Lomond, Aaron Jungblut-Klemm überzeugt als jugendlicher Liebhaber und Ermittler Inspector Wembury, der sich – unterstützt von zahlreichen weiteren Kollegen, die ebenfalls bis in die kleineren Rollen ausnahmslos großartig besetzt sind – auf die Suche nach dem Hexer macht. Sein Herz hat er an die zarte, mädchenhafte Mary Lenley – alias Sabine Hoffmann – verloren. Ina Lehmann spricht als Cora Ann Milton – die herrlich schnippisch-verruchte Witwe des Hexers – die zweite Frauenrolle im Stück. Mathias Paintner gibt einen wütend-ungeduldigen Inspector Bliss und Bernd Stindt den souverän-erfahrenen Oberst Wolford.

Die Freude, welche die Mitwirkenden an dieser Produktion hatten, hört man in jeder Minute ebenso wie die Lust an Spiel, Sprache und Intonation, die individuelle Note, welche jedem der Charaktere eine besondere Klangfarbe und einen unverwechselbaren Ausdruck gibt.

Für jemand – wie in meinem Fall – der die Projekte der Theatergruppe schon lange verfolgt und bereits zahlreiche Vorstellungen besucht hat, ist es interessant zu erleben, wie sofort beim Erklingen der Stimmen auch die Gesichter der jeweiligen Schauspieler vor dem inneren Auge auftauchen. Doch das Hörspiel steht für sich, ist hochprofessionell produziert und macht sicherlich auch Hörspielfans Freude, welche das Ensemble bisher nicht kennen.

Mir bescherte diese Aufnahme einen stimmungsvollen, gemütlichen, ein wenig nostalgischen und spannenden Abend zu Hause und ich fühlte mich blendend unterhalten. Ein herrliches, kurzweiliges Krimivergnügen und so kann ich mich dem Werbespruch, welchen der Verlag für die Edgar Wallace-Krimis verwendete, nur anschließen:

„Es ist unmöglich, von Edgar Wallace nicht gefesselt zu sein!“

Vor allem dann nicht, wenn er mit so viel Herzblut und Leidenschaft erfrischend neu interpretiert wird, wie es bei dieser Neueinspielung der Fall ist.
Im aufwendig und ansprechend gestalteten Booklet, das der CD beiliegt, erfährt man einiges zum Autor Edgar Wallace, dem Stück selbst bzw. der Geschichte des „Hexers“ und zum Theater Nikola Landshut.

Das Theater Nikola wurde 1975 gegründet und hat seitdem in unzähligen Stücken das Landshuter Publikum begeistert. In der Regel gibt es jeweils eine Frühjahrs- und eine Herbstproduktion, die nahezu alle Schauspielgenres von großen Klassikern über Komödien, Gruselstücken bis hin zur Commedia dell’arte abdecken. Zudem wirken die Mitglieder des Vereins auch als Komödianten bei der Landshuter Fürstenhochzeit mit. Neben historischen Stadtführungen, die sich großer Beliebtheit erfreuen, nun also das erste Hörspiel „DER HEXER aus Good Old Lower Bavaria“, wie es der Homepage des Vereins zu entnehmen ist.

Vielleicht gibt es ja auch in Eurem Umfeld ähnliche Initiativen oder Vereine, die mit viel Herzblut und persönlichem Einsatz in ihrer Freizeit ähnliche Projekte auf die Beine stellen – ein Engagement, das man unbedingt unterstützen sollte. Schließlich wollen wir diese Vielfalt und kulturellen Erlebnisse auch noch und wieder genießen können, wenn es wieder möglich sein wird.

Daher möchte ich heute an dieser Stelle einmal mehr allen Theatervereinen, Musikgruppen, Orchestern, Chören und allen Kulturschaffenden und -begeisterten erneut das nötige Durchhaltevermögen sowie die notwendige Unterstützung wünschen und freue mich jetzt schon auf ein Wiedersehen in hoffentlich gut besuchten und unvergesslichen Live-Vorstellungen.

Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Hörspiel auf der Seite des Theater Nikola Landshut e.V..

Information:
Edgar Wallace, Der Hexer
Hörspielfassung und Regie: Thomas Ecker
Theater Nikola Landshut e.V. und Florian Rödl Multimedia
Laufzeit: 79 Minuten

***

Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Edgar Wallace’s „Der Hexer“:

Für den Gaumen:
Eine Tasse Tee oder ein Glas Wein und es sich einfach mal gemütlich machen – das Hörspiel wirklich als Theaterstück für die Ohren bewusst genießen und zelebrieren – eine schöne Alternative zum herkömmlichen Fernsehabend.

Zum Weiterhören (I):
Für alle, die es jetzt in der Weihnachtszeit doch etwas besinnlicher mögen, gibt es eine Weihnachtsgeschichte, welche das Theater Nikola Landshut letztes Jahr aufgenommen hat und die auf YouTube kostenlos für Jedermann zu hören ist: Das Geschenk der Weisen“ – eine Weihnachtsgeschichte von O.Henry, die einen Vorgeschmack geben kann, wie professionell und mit wie viel Herzblut das Ensemble sich jetzt auch dem Hörspielgenre gewidmet hat. 12 Minuten, in welchen man sich bei adventlicher Stimmung einfach mal eine Geschichte erzählen lassen und diese genießen kann – ein Geschenk.

Zum Weiterschauen:
Bekannt ist „Der Hexer“ – wie viele andere Edgar Wallace-Klassiker – natürlich vor allem durch die kultigen Schwarz-Weiß-Verfilmungen aus den Sechziger Jahren mit Joachim Fuchsberger, Heinz Drache, Eddi Arent, Siegfried Lowitz usw.
Laut der Homepage des ZDF wird am 02. Januar 2022 „Der Hexer“ um 02:25 Uhr auf ZDF Neo ausgestrahlt – das Video soll am 02. Januar 2022 ab 10:00 Uhr verfügbar sein – wie wär`s mit etwas Kultkino aus dem Jahr 1964 zu Hause zum Start ins neue Jahr?

Zum Weiterhören (II):
Wer auf den Geschmack von Hörspielen gekommen ist, findet beim Bayerischen Rundfunk (Bayern 2) einen großen Hörspielpool, der viele kostenlose Podcasts anbietet, so zum Beispiel derzeit auch sechs Krimi-Hörspiele mit Kommissar Maigret nach Georges Simenon, welche in den Sechziger Jahren mit großartigen Sprechern wie z.B. Rolf Boysen und Fritz Straßner aufgezeichnet wurden. Sie dauern jeweils ca. eine Stunde und sind auf nostalgische Weise wunderbar unterhaltsam.

3 Kommentare zu „Theater für die Ohren

    1. Sehr gerne. Nachdem die Kulturbowle jetzt pandemiebedingt wohl wieder verstärkt zur Bücherbowle wird, dachte ich mir, dass gerade so ein Hörspiel auch mal eine gelungene Abwechslung ist. Herzliche Grüße und morgen einen schönen ersten Adventssonntag!

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