Seelenbalsam vom Feinsten

Der erste Blogbeitrag des Jahres – nach meiner traditionellen Neujahrsbowle – soll etwas Besonderes sein. Und Gabriele von Arnims „Der Trost der Schönheit“ war und ist für mich etwas Besonderes – eines meiner Jahresglanzlichter des Jahres 2023. Ein Buch für die Seele, das Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht ausstrahlt ohne die schwierigen Seiten des Lebens auszublenden, zu banalisieren oder herunterzuspielen. Die Autorin nimmt Sorgen und Nöte ernst, jedoch ohne sich lähmen oder von ihnen gar vollständig auffressen zu lassen.

„Schönheit kommt in vielen Hüllen und Facetten daher. In der Seele, in Gemälden, Geigenklängen und Amselgesängen, in Architektur und Körpern, in Skulpturen, in der Liebe und in Freundschaften, in kunstvoll gedrehten Schneckengehäusen, in Worten und Sätzen, in Empfindungen, Gedanken und Gedichten, in der Zucchiniblüte, im Wohnen, in Wildblumenwiesen oder im kupferfarbenen Abendglühen.“

(S.56)

„Der Trost der Schönheit“ ist ein wunderbares, wohltuendes Buch, das Mut macht und aufzeigt, wie sehr wir die schönen Seiten des Lebens brauchen und auch in schweren Zeiten finden können. Oft auch und vor allem in kleinen Dingen – manchmal braucht es nicht viel, um wieder Licht im Dunkel zu sehen.

„Immer macht es mich froh, dass ein Buch auf dem Sofa auf mich wartet. Es sind die kleinen Dinge, die kleine Wonnegefühle aufflattern lassen.“

(S.53)

Von Arnim ist selbst eine Suchende – so dass der Untertitel „Eine Suche“ auch im Text spürbar wird und doch hat sie auch die Gabe, bei dieser Suche nach Trost und Schönheit, fündig zu werden. Sie besitzt die offenen Augen und das offene Herz, die hierzu benötigt werden.

Und sie besitzt die Gabe, mit feinen, klugen und bewegenden Worten darüber zu schreiben und so ihre Leserschaft daran teilhaben zu lassen. Von Arnim versteht es, mit Worten zu zaubern, sie ist eine Sprachkünstlerin.
Oft scheint sie mir direkt aus der Seele zu sprechen bzw. zu schreiben.

„Es gibt so viel zu sehen, zu hören, zu lernen, zu wissen, zu genießen, zu kochen, zu reden, zu singen, zu mögen, so viel zu fragen, zu wagen und zu vergessen – so viele Widersprüche zu bedenken, Elend auszuhalten, Schönheit zu suchen, Zärtlichkeit zu geben, so viele Menschen zu treffen, ihre Geschichten zu hören, ihre Gerichte zu essen. Es gibt so viel Meer, auf das man schauen kann, so viele Regentropfen, die an so vielen Fenstern herabrinnen und kleine Wassergemälde malen, so viele Schattenspiele der Sonnenstrahlen, so viele Vogelstimmen im Wald, so viel Musik in Konzertsälen oder Digital, so viele Vorträge, auch auf YouTube, so viele Bilder in so vielen Museen – und, ach ja, so viele Bücher. Und so wenig Zeit.“

(S.29/30)

Ich bin gar nicht mehr nachgekommen, mir Textstellen zu notieren und anzumerken und auch die Auswahl der Zitate für diesen Beitrag war gar nicht so einfach. Denn auch so viel sprachliche Schönheit und kluge Gedanken wollen und sollten geteilt werden. Und keinesfalls sollte man angesichts des Elends um uns herum ein schlechtes Gewissen haben, Schönes zu sehen und zu erleben – auch das macht von Arnim unmissverständlich klar.

„Aber auch in bedrängten Zeiten durchzieht uns angesichts von Schönheit und Schönem eine kleine Freude, als wehe ein Wind den Kummervorhang beiseite und lasse uns für einen Moment Schönheit sehen hinter dem Schmerz.“

(S.71/72)

Mich hat es zudem sehr berührt, wie sie die emotionale Enge ihres Elternhauses beschreibt, das wenig Raum zur persönlichen Entfaltung bot und wie sie sich doch Stück für Stück und Schritt für Schritt ihren eigenen Weg hinaus in die Weite gesucht, den Horizont erweitert hat.

„Die Vor-Freude, viel zitiert und oft gelobt, ist uns vertraut. Die Nach-Freude stellen wir viel schneller als abgestaubte Figur in die Vitrine, statt sie berückt zu leben.“

(S.194)

Bei mir hält die „Nach-Freude“ über dieses Buch noch immer an, obwohl jetzt schon ein paar Wochen zwischen der Lektüre und dem Verfassen dieses Beitrags liegen, ist sie noch immer sehr präsent und überhaupt nicht verstaubt. In diesem Fall bin ich überzeugt, dass ich dieses Buch sicherlich noch öfter zur Hand nehmen und es wieder mit Gewinn und Genuss auch noch weitere Male lesen werde.

„Das Tempo der Lebenszeit kann man nicht messen, aber man kann es fühlen. Es rast. Ich habe das immer gewusst und erst spät begriffen. Habe unbedacht das Leben eingeatmet. Heute kann ich der vor mir fliehenden Zeit nicht immer gelassen zulächeln, sondern möchte sie lockend zurückrufen.“

(S.27)

Jeder und jedem, die und der nach etwas Trost suchen, in 2024 vielleicht nur ein Buch lesen wollen oder können und dieses Schmuckstück noch nicht kennen, würde ich es ohne zu zögern empfehlen. Weil es ehrlich sowie klug ist, Lebensweisheit und Wärme ausstrahlt – kurz gesagt: es tut einfach gut und kann, wenn man sich darauf einlässt, ein „lebenssattes Grinsen“ (S.21) schenken und allein für diese herrliche Formulierung hat sich die Lektüre in meinen Augen bereits gelohnt. Ein Buch wie eine Meditation – große Empfehlung!

Weitere Besprechungen sind unter anderem bei Buchpost und Denkzeiten zu finden.

Buchinformationen:
Gabriele von Arnim, Der Trost der Schönheit
Rowohlt
ISBN: 978-3-498-00351-7

***

Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Gabriele von Arnims „Der Trost der Schönheit“:

Für den Gaumen:
Gabriele von Arnim kocht gerne für Freunde und lässt sich aber auch gerne bekochen, denn gemeinsames Essen verbindet:

„Einmal saßen wir zu dritt um einen Esstisch und aßen Lachs in einer Currysauce mit Zitronengras, Limonenzesten, Limettenblättern, Orangenmarmelade, braunem Zucker und Limonensaft. Und wenn man behaglich sitzt und genüsslich speist und jeder beim anderen nachfragt, wer er wohl wirklich ist, kommt man ins Erzählen.“

(S.53)

Zum Weiterhören:
In meiner Monatsbowle hatte ich zwar schon einmal darauf hingewiesen, aber hier passt die Empfehlung auch noch einmal wunderbar dazu: Gabriele zu Arnim war vor einiger Zeit auch zu Gast im ZEIT-Podcast „Was machst du am Wochenende“ – sehr sympathisch, sehr hörenswert und eine schöne Ergänzung zu dieser Lektüre.

Zum Weiterhören (II):
Auch Musik gehört zu einem erfüllten Leben, kann Trost spenden und tief im Herzen berühren, z.B. die Musik von Georg Friedrich Händel:

„Ich verstehe nichts von Musik – aber die Arien in Händels Oper „Semele“ sind so schön, dass sie einen tief ins Glück und zugleich ins Unglück stürzen.“

(S.156)

Zum Weiterlesen:
Nachdem mich dieses Buch so tief berührt, sprachlich begeistert und vollkommen überzeugt hat, möchte ich nun unbedingt auch demnächst „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“ lesen. Und schon ist die Wunschliste wieder um eine Zeile länger geworden…

Gabriele von Arnim, Das Leben ist ein vorübergehender Zustand
Rowohlt Taschenbuch
ISBN: 978-3-499-00634-0

19 Kommentare zu „Seelenbalsam vom Feinsten

  1. Danke, Kulturbowle, für diese tolle Buchvorstellung und frohes Neues Jahr:)
    Ich teile Ihre Ansicht:
    Das Buch „Der Trost der Schönheit“ ist für mich zu einem wahren Leuchtturm in stürmischen Zeiten geworden. Die Worte sind wie Balsam für die Seele, die es verstehen, die Schönheit in den kleinen Dingen des Lebens zu finden und zu schätzen.
    Besonders beeindruckend finde ich, wie Gabriele von Arnim Schönheit in so vielfältiger Form erkennt und beschreibt: In der Natur, in der Kunst, in der Musik, in menschlichen Beziehungen und sogar in der Architektur. Ihre Betrachtungen sind tiefgehend und ermutigend, sie erinnern uns daran, dass trotz der Unwägbarkeiten des Lebens immer auch Schönheit und Hoffnung zu finden sind.

    Ihre Gabe, Sorgen und Nöte ernst zu nehmen, ohne sich von ihnen überwältigen zu lassen, ist inspirierend.

    Danke, dass Sie Ihre Gedanken und Empfindungen so offen teilen und damit anderen ein Lichtblick sein können. Ihre Worte sind eine Erinnerung daran, dass es immer Gründe gibt, zuversichtlich zu bleiben und das Schöne im Leben zu suchen und zu schätzen.

    Herzlich grüßt
    SILVIA SPRINGORUM

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    1. Vielen herzlichen Dank für die schöne Bestätigung und die positive Rückmeldung, die mich sehr freut.
      Die besten Wünsche für den Jahresstart und ein gesundes, gutes und glückliches neues Jahr voller Zuversicht! Viele Grüße!

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  2. Hallo Barbara,
    deine Besprechung zeigt mir, dass ich das Buch gleich wieder lesen könnte. Ganz offensichtlich habe ich einige wichtige Stellen gar nicht notiert 😎
    Liebe Grüße und viele weitere solcher Funde in 2024
    Anna

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    1. Liebe Anna, ja das Buch ist wirklich voller wunderbarer Fundstücke…
      Als ich meinen Beitrag geschrieben hatte, habe ich vorsichtshalber vor der Veröffentlichung mal kurz bei Deiner Rezension nachgeschaut, ob ich jetzt alles doppelt zitiert habe (das wäre ja auch nicht Sinn der Übung gewesen) … und siehe da, nicht eine einzige Stelle doppelt… 🙂
      Was wirklich zeigt, wie viele feine lesens-, notierens- und (be)merkenswerte Stellen es in diesem zauberhaften Buch gibt. Definitiv ein Buch zum Wiederlesen.
      Dir auch viele gute Bücher und schöne Fundstücke für das Jahr 2024!
      (P.S.: Und das ist doch auch schon ein kleiner Trick, um Deinem Wunsch nachzukommen, die Wunschliste nicht zu verlängern, wenn ich über Bücher blogge, die Du schon gelesen und im Regal stehen hast 😉 )
      Herzliche Grüße! Barbara

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    1. Dankeschön! Ich wollte einfach positiv ins neue Jahr starten. 🙂
      Und somit sind jetzt auch die Besprechungen meiner Lese-Höhepunkte 2023 komplett (will ja alles seine Ordnung haben 😉 ).
      Herzliche Grüße!

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  3. Eine derart überzeugende Buchvorstellung mit so viel Herz, Barbara, dankeschön! Ich werde mir doppelt Freude bereiten, in dem ich es selbst lese und anschließend einem Freund schenke. Darauf freue ich mich schon!
    Frostige Grüße aus Ostbrandenburg und einen schönen Sonntag!
    Bettina

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    1. Vielen lieben Dank, Bettina! Das ist eine wunderschöne Idee, das Buch zu genießen und dann die Freude zu teilen, indem man es weitergibt, verleiht oder verschenkt. So kann es gleich mehrfach zum Nachdenken anregen und seinen Zauber entfalten. Herzliche Grüße aus dem niederbayerischen, nass-kalten Schneegestöber! Dir einen entspannten und schönen Sonntag! Barbara

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  4. Das Buch habe ich auch auf dem Radar und möchte es 2024 gerne lesen und jetzt wo ich höre, dass sie Herrn Händel empfiehlt gleich noch mal mehr 🙂 Liebe Grüße… Sabine

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    1. Schön, dass ich Dir noch zusätzlich Lust darauf machen konnte, Sabine.
      Ich habe es als sehr bereichernd, entschleunigend und dem Titel entsprechend tröstlich empfunden. Viel Freude bei der Lektüre und ganz herzliche Sonntagsgrüße! Barbara

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