Tödliches Trastevere

Rom ist eine Stadt, von der ich – gerade auch, was das Lesen angeht, nie genug bekomme. Und wenn mir dann im Sommer von einem fröhlichen Umschlagbild eine römische Szene in Orange und Türkis geradezu entgegen leuchtet und der Auftakt einer neuen Krimireihe mit dem Titel „Der Tote am Tiber“ angekündigt wird, dann ist es natürlich um mich geschehen. Mehr Schlüsselreize braucht es da bei mir nicht.

Über den Autor Enzo Maldini (Jahrgang 1977) mit römischem Vater und Stuttgarter Mutter weiß ich nicht mehr als mir der Klappentext verrät, aber Espresso, Sonne, Krimi, Rom und eine quirlige Barbesitzerin, die plötzlich selbst zu ermitteln beginnt, als einer ihrer Pensionsgäste tot aufgefunden wird, da bekomme ich doch sofort Lust auf einen italienischen Krimi mit einer gehörigen Portion Urlaubsflair.

„Ihr Vater hatte die Bar aufgebaut, er würde vielleicht sogar behaupten, er habe sie groß gemacht. Er hatte die goldenen Zeiten miterlebt, die Sechzigerjahre, als Elsa Morante und Alberto Moravia Stars waren und Federico Fellini, Marcello Mastroianni und Pier Paolo Pasolini zum Feiern vorbeikamen.“

(S.7)

Giulia Malfanti – alleinerziehende Mutter einer mittlerweile flügge gewordenen Tochter – hat von ihrem Vater eine traditionsreiche Bar im geschichtsträchtigen Viertel Trastevere übernommen. Wenn sie nicht gerade ihre Gäste mit Espressi und Cornetti versorgt und sich den neuesten Tratsch aus der Nachbarschaft anhört, dann düst sie gerne mit ihrer Vespa durch die ewige Stadt.

„Sie hupte gern – falls das überhaupt Erwähnung finden musste. Sie hupte, wenn es ihr zu langsam ging und manchmal auch einfach nur, wenn sie sich freute. Zuweilen, wenn sie sich freinahm, was allerdings zu selten vorkam, fuhr sie einfach so durch die weniger pittoresken Randbezirke der Stadt, und in solchen Momenten musste sie doch an einen bestimmten Film von Nanni Moretti denken. Dann sang sie irgendeine Melodie vor sich hin und fuhr Schlangenlinien, bis sie ein anderer Verkehrsteilnehmer zur Vernunft rief oder besser: zur Vernunft hupte; (…)“

(S.37)

Und als dann der Neffe ihres plötzlich verstorbenen Gastes in der Bar auftaucht und einen Brief des Onkels vorlegt, spricht vieles dafür, dass dieser keines natürlichen Todes gestorben ist. Ihre Neugier ist geweckt und so stürzt sie sich an der Seite des jungen Mannes in eigene Nachforschungen und gerät in so manche brenzlige Situation. Eine wilde Jagd durch die verwinkelten Gassen Roms und eine dunkle Familiengeschichte voller Geheimnisse beginnt.

Unterstützung bekommen sie von zwei liebenswert schrulligen Freunden, die ein uriges und wohl sortiertes Antiquariat führen und mit Belesenheit und enzyklopädischem Wissen gute Tipps geben können. Gerade diese sympathisch-schrägen Figuren und das italienische Lebensgefühl machen diesen Krimi aus. Da gibt es Dolce Vita und Lokalkolorit satt.

„Giulia durchquerte heiter das nächtliche Rom. Die Musik dröhnte noch in ihrem Kopf, vermischt mit den Geräuschen der Stadt, die ihr sanft und vertraut vorkamen. Sie fuhr vorbei an Paaren und ausgelassenen Touristen, an Obdachlosen und einer Gruppe junger Priester, die ganz beseelt schienen von der heiligen Stadt, in die sie ihr Glaube verschlagen hatte. Sie winkte ihnen zu, und sie winkten überschwänglich zurück. Trastevere empfing sie wie eine Heldin, die von einer siegreichen Schlacht heimkehrt.“

(S.54/55)

Natürlich bedient Enzo Maldini so manches römische und italienische Klischee, aber das verzeihe ich ihm gerne, weil das bei einem solchen Regio-Urlaubskrimi aus meiner Sicht auch einfach mal blumig und überzeichnet sein darf. Wo Rom draufsteht, darf und soll ja dann auch bitte gerne Rom drin sein.
Mit Vespa, Campo dei Fiori, Pasta, Saltimbocca und ein paar interessanten geschichtlichen und touristischen Anekdoten sowie Lieblingsplätzen ist da für alles gesorgt, was das Fernweh und die Italiensehnsucht weckt.
„Der Tote am Tiber“ ist ein gelungener Serienauftakt und man kann sich gut vorstellen, dass Giulia hinter ihrem Tresen oder auf ihrer Vespa noch so manchen weiteren Fall lösen wird.

Ein locker-leichter Kriminalroman, der so erfrischend ist wie ein Glas Orangina an einem heißen Sommertag und italienische Lebensfreude pur ausstrahlt.
Somit sicherlich eine entspannte Urlaubslektüre, die gut ins Reisegepäck passt oder auch geeignet ist für alle jene, denen Rom im Sommer ohnehin zu heiß oder im heiligen Jahr zu überlaufen ist und die daher lieber vom Lesesessel aus dem Alltag entfliehen und einen literarischen Kurzurlaub in der italienischen Hauptstadt antreten wollen.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Oktopus (Kampa) Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.

Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.

Buchinformation:
Enzo Maldini, Der Tote am Tiber
Oktopus
ISBN: 978-3-311-30077-9

***

Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Enzo Maldinis „Der Tote am Tiber“:

Für den Gaumen (I):
Ich freue mich, wenn mir meine Lieblingsgerichte auch literarisch begegnen:

„Selbst bei einem so einfachen Gericht wie Cacio e Pepe muss man mit Liebe vorgehen, dachte sie. Tatsächlich lässt sich auch bei einer simplen Pasta vieles falsch machen. Das Wasser, mit dem der Käse gerührt wird, darf weder zu heiß noch zu kalt sein, sonst verklumpt er. Nello gab immer wieder noch ein bisschen Wasser hinzu, bis die Soße die richtige cremige Konsistenz hatte.“

(S.63)

Für den Gaumen (II):
Und auch die erste Wahl zur italienischen Frühstückszeit findet sich natürlich – schließlich ist Giulia ja Barbesitzerin:

„(…) Giulia, die gerade aus der Tür trat, ein Tablett mit drei Cappuccini und einem Cornetto balancierend (…)“

(S.227)

Zum Weiterhören:
Und große Gefühle gibt es auch noch, wenn der Koch von Giulia Lieblingsosteria Luigi Tencos „Mi sono innamorato di te“ singt – ein„herzerweichendes Chanson“ (S.114).

Zum Weiterlesen (I):
Rom fasziniert mich. Schon lange. Kein Wunder also, dass ich hier auf dem Blog schon häufiger Bücher aus und über die ewige Stadt vorgestellt habe – so zum Beispiel in meinem Beitrag „Römisches Duett“ zwei feine Werke von Gianfranco Calligarich und Sandor Lénárd.

Gianfranco Calligarich, Der letzte Sommer in der Stadt
Aus dem Italienischen von Karin Krieger
Zsolnay
ISBN: 978-3-552-07275-6

Sándor Lénárd, Am Ende der Via Condotti
Aus dem Ungarischen von Ernő Zeltner
dtv
ISBN: 978-3-423-28112-6

Zum Weiterlesen (II):
Und wenn der Tiber hier schon als Kulisse dient bzw. als Tatort herhalten muss, dann passt dazu wunderbar Birgit Schönaus äußerst lesenswertes Sachbuch Die Geheimnisse des Tibers – Rom und sein ewiger Fluss, das ich bereits hier auf dem Blog vorgestellt habe und das gekonnt und kunstvoll den Fluss in den Mittelpunkt von Geschichte und Geschichten stellt.

Birgit Schönau, Die Geheimnisse des Tibers –
Rom und sein ewiger Fluss
C.H.Beck
ISBN: 978-3-406-80837-1

8 Kommentare zu „Tödliches Trastevere

  1. Das Cover würde ich mir ja glatt als gerahmtes Bild ins Wohnzimmer hängen – und die Tassen passen perfekt dazu. Vielleicht kommen sie ja heute noch zum Einsatz. So oder so wünsche ich Dir einen angenehmen Restsonntag und einen guten Wochenbeginn!

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    1. Danke, Christoph!
      Ja, der Sonntagskaffee ist getrunken und auch das Wetter zeigt sich von der italienisch-sonnigen Seite heute. Das Wochenende neigt sich ja schon wieder langsam dem Ende zu, aber ich wünsche Dir auch noch einen feinen, gemütlichen Sommersonntagabend! Herzliche Grüße und eine gute Woche! Barbara

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    1. Liebe Eva! Dann bin ich ja gespannt, ob dieser leichtfüßige Krimi auch bei einer echten Rom-Expertin bestehen kann. Für mich war es einfach eine kurzweilige und unterhaltsame Sommerlektüre mit kurzem gedanklichen Ausflug nach Bella Roma! Herzliche Grüße und einen schönen Sommer! Barbara

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  2. Liebe Barbara,

    mit Rom geht es mir ganz ähnlich wie Dir! Da hat man mich recht schnell. Danke für die tolle Rezension. Das Buch ist sofort auf meine Wunschliste gewandert. Und Cacio e Pepe werde ich vermutlich die Woche mal dringend kochen müssen.

    Eine schöne Woche für Dich, mit spannender Lektüre!
    Barbara

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