Oktoberbowle 2025 – Chorklang und Herbsthauch

Wir haben schon ein ordentliches Stückchen November hinter uns, also ist es allerhöchste Zeit für meine Oktoberbowle. Zumal es das neblig-verregnete Herbstwetter heute auch leicht macht, sich fürs Schreiben zu entscheiden und sich die Zeit dafür zu nehmen. Im Oktober jedoch konnten wir an einigen Tagen den Herbst von seiner schönsten und goldenen Seite erleben, leuchtendes Herbstlaub und das Farbfeuerwerk der Natur, das diese Jahreszeit so liebenswert macht.

Auch meine Theatersaison ist endlich wieder gestartet und zwar mit einer verträumt-verspielten Woody Allen-Adaption von „The purple rose of Cairo“ im Landestheater Niederbayern. Eine Zeitreise nach New Jersey während der Weltwirtschaftskrise der Dreißiger Jahre mit liebevoller Ausstattung, schönen, romantischen Bildern und dem gewissen magischen Kniff – der bei Woody Allen ja gerne mal sein darf.

Schöne Bilder und Erinnerungen an die Liebermann-Villa am Wannsee (hier geht es zu einem meiner persönlichen Lieblings-Blogbeiträge) weckte dann auch die Folge des „Augen zu“-Kunstpodcasts der ZEIT mit Giovanni di Lorenzo und Florian Illies zu Max Liebermann. Für Kunstliebhaber und Liebermann-Fans sehr hörenswert.

Viel Neues und mir bisher Unbekanntes durfte ich in einer Folge des PodcastsWas bisher geschah“ von Nils Minkmar und Joachim Telgenbüscher erfahren, die sich geradezu euphorisch dem französischen Künstler Hergé und seiner Schöpfung Tim & Struppi gewidmet haben. Zwei Hefte der Reihe schlummern hier im Haushalt – vielleicht kann ich auch da demnächst eine Bildungslücke schließen.

Lektüretechnisch war der Oktober ein kleines bisschen ruhiger, aber dafür durchwegs sehr erfreulich:
Im Oktober hatte ich Lust auf Lyrik und habe mit Mascha Kaléko „Ich tat die Augen auf und sah das Helle“ und Marie Luise Kaschnitz „Gedichte“ zwei fein zusammengestellte Bände von zwei großartigen Poetinnen lesen und entdecken dürfen. Und wieder habe ich festgestellt, dass ich mir viel häufiger Zeit und Muße für Gedichte nehmen sollte und möchte.

Ein ganz wunderbares Buch für alle Chorsängerinnen und Chorsänger (oder solche die es immer schon werden wollten) ist Stefan Mosters „Vom Glück, im Chor zu singen“, das auf ganz liebevolle Weise versucht, die Faszination und die wohltuende Wirkung des Chorsingens in Worte zu fassen.

Das Singen hingegen lebt vom Atmen, also von dem, was wir für die entscheidende Lebensfunktion halten. Ohne Atem kein Leben. Ohne Atmen kein Singen. Singen ist das große Atmen, der Gesang im Chor die großartigste Atembekundung, die es gibt.“

(aus Stefan Moster „Vom Glück, im Chor zu singen“, S.24)

Vea Kaisers neuer Roman Fabula rasa rutschte allein schon wegen zwei Aspekten ganz oben auf meine Leseliste: er spielt in Wien und noch dazu in einem Grand Hotel. Wien und Hotel – und schon ist meine Neugier geweckt. Und es war eine wirklich rasante Lesereise durch diese mehr als 550 Seiten, über die ich hier auf dem Blog bald ausführlich berichten werde. Ein echter Schmöker!

Eigentlich vergeht bei mir ja kaum ein Lesemonat ohne Krimi und im Oktober war es wieder mal ein Krimi-Klassiker von Josephine Tey aus dem Jahr 1949: „Der falsche Erbe“ (Originaltitel: Brat Farrar). Dieses Mal ohne Alan Grant als Ermittler, aber dafür mit einem herrlichen Anwesen in Südengland, Erbschaftsstreitereien, dunklen Familiengeheimnissen und allem, was sonst zu einem „very british“ Retro-Krimi gehört.

Und weil wir ja gerade bei britischen Krimi-Klassikern waren: Angeregt durch den Podcast „Was bisher geschah“ (ich hatte letzten Monat von der Agatha Christie-Folge berichtet) habe ich jetzt tatsächlich (gemäß der Meinung der Podcaster) DEN Agatha Christie-Klassiker schlechthin gelesen: „Alibi“. Nächstes Jahr feiert das Werk seinen hundertsten Geburtstag und ja – da gebe ich Telgenbüscher und Minkmar recht – es ist ein Buch, das auch noch heute Lesefreude macht und das man als Krimifan gelesen haben sollte. Hercule Poirot in Hochform:

„Aber – genau so, Monsieur. Jeder von Ihnen hier in diesem Zimmer verbirgt etwas vor mir.“ – Als ein leises Murren vernehmbar wurde, hob er die Hand. „Jaja, ich weiß, was ich sage. Es kann etwas Unwichtiges sein, etwas Triviales, was für diesen Fall scheinbar ohne jede Bedeutung ist, aber es ist so: Jeder von Ihnen hat etwas zu verbergen. Kommen Sie, habe ich nicht recht?“

(aus Agatha Christie „Alibi“, S.151)

Sehr berührt und nachdenklich gestimmt hat mich Christoph Poschenrieders Roman „Fräulein Hedwig“, der die Lebens- und Leidensgeschichte einer streng gläubigen und unverheirateten Lehrerin Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts erzählt, die letztlich aufgrund ihrer psychischen Erkrankung den Nationalsozialisten zum Opfer fällt. Ein eindringlicher, trauriger und unter die Haut gehender Roman, der das Schicksal eines tragischen Frauenlebens erzählt und einem Opfer nachträglich Würde und eine Stimme gibt.

Und wenn sie dabei immer bescheiden bliebe und Stolz niemals auch nur erahnen ließe, dann gab es auch ein Durchkommen, ein geschmeidiges Dahingleiten auf der vorgesehenen Bahn. So stellte man sich die Jungfrau aus bürgerlichem Haushalt vor: niemals lauter als das Rascheln ihres Kleides und alle Enttäuschungen und ernüchternden Erlebnisse klaglos und mit unerschütterlicher Anmut parieren.“

(aus Christoph Poschenrieder „Fräulein Hedwig“, S.92)

Was bringt der November?

Im November freue ich mich musikalisch vor allem auf Giuseppe Verdis „Messa da Requiem“ bzw. ein Konzert in der Landshuter Christuskirche.

Zudem ist der Herbst auch eine gute Zeit, endlich mal wieder eine Ausstellung zu besuchen: zur Auswahl stünde da zum Beispiel die neue Pumuckl-Ausstellung im Landshuter Kasimirmuseum oder aber auch die sehr gelobte Ausstellung im Freisinger Diözesanmuseum „Göttlich! – Meisterwerke der italienischen Renaissance“.

Die langen Abende laden zum gemütlichen Lesen ein und ehe man sich versieht wird der vermeintlich dunkle und (tatsächlich) neblige Monat, der auch zum Gedenken und Innehalten einlädt, in die lichterglänzende Adventszeit münden.
Macht das Beste aus diesem November und geht in ein Chorkonzert, wenn sich die Chance bietet! Bleibt oder werdet gesund und bleibt offen für Neues!

Und daher grüße ich zum Abschluss dieses Mal mit wunderbaren Worten von Stefan Moster ganz besonders alle Chorsängerinnen und Chorsänger:

Proben können mühsam sein. Das Einstudieren eines Stücks ist Arbeit, aber man vergisst dabei, was außerhalb des Probenraums passiert. Man ist mit Körper und Sinn im Hier und Jetzt. Man ist daran beteiligt, etwas entstehen zu lassen, von dem man ahnt, dass es irgendwann gut klingen wird.
Und man lernt. Öffnet sich für etwas Neues. Manche Menschen machen diese Erfahrung im Erwachsenenleben kaum noch. Im Chor macht man sie ständig.“

(aus Stefan Moster „Vom Glück, im Chor zu singen“, S.177)

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Oktober:
Neu auf dem Speiseplan stand eine vegetarische Variante von Königsberger Klopsen (auf Kichererbsenbasis), die sehr gut gemundet haben.

Musikalisches im Oktober:
Es war schön, einen vollen Chorklang zu hören: Das „Alta trinità beata“ – ein italienischer Hymnus aus dem 13. Jahrhundert – dargeboten vom Chor der Reisigen (einer Gruppe der Landshuter Fürstenhochzeit) im Rahmen des Festgottesdienstes zum Reformationstag in der Landshuter Christuskirche.

Oktobermorgen
leuchten Blätter durch das Grau
bevor sie fallen

© Kulturbowle 2025

Farben berauschen
mit Wärme und entflammen
Herbstglücksgefühle

© Kulturbowle 2025

Fallende Blätter
schweben vom Herbsthauch berührt
leise zu Boden

© Kulturbowle 2025

11 Kommentare zu „Oktoberbowle 2025 – Chorklang und Herbsthauch

    1. Das freut mich, Bettina. Da hätte es noch so viele treffende Zitate gegeben… aber irgendeine Auswahl musste ich treffen.
      Ich wünsche Dir auch einen schönen Sonntagabend und vor allem auch weiterhin gute Besserung! Herzliche Grüße!

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    1. Sehr schön. Ja, der Ginkgo musste einfach sein. 🙂
      Und ja, ich bin selbst begeisterte Chorsängerin. 🎶
      Deshalb hat mich das Buch auch so angesprochen bzw. mir stellenweise wirklich aus der Seele gesprochen. Ebenso herzliche Grüße zurück aus dem niederbayerischen Nebel! Barbara

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      1. Ja, das habe ich (auf Deine Empfehlung hin) auch schon gelesen und es hat mir gut gefallen. 🎶📚
        Musik und Literatur oder Musik in der Literatur – für diese unwiderstehliche Kombi bin ich immer zu haben. 🙂
        Wobei bei Brownings Roman ja auch das Thema Tod und Bestattung einen erheblichen Raum einnimmt.
        Herzliche Feierabendgrüße! Barbara

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  1. Liebe Barbara, anregend schilderst, bebilderst Du den goldenen Oktober und mit eigenen Heikus. Die Gedichte von Mascha Kaléko sind ein Schatz, und ich mag deren Vertonungen von Dota. Gerne werde ich schauen nach Stefan Moster, „Vom Glück, im Chor zu singen“. Hm, die Herbstlieder: Zunächst sind schon bunt die Wälder, dann fällt das Laub von den Bäumen. Klingende Erinnerungen an „Alta trinita beata“. Mit einem Chorpaar erlebte ich die Reformationsfeier in Sankt Sebald. Ansprache von Christian Kopp. Kantorei: „Verleih uns Frieden gnädiglich“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Gesprächsrunde mit drei StadträtInnen: „Wir müssen reden“. Posaunenchor: „Möge die Straße uns zusammen führen“ von Frank Dörschel mit dem Kanon von Johann Pachelbel. Geselliges Treffen im Pfarrhof … Danke, gute Wünsche für den November und herzliche Grüße von Bernd

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    1. Vielen lieben Dank, Bernd. Das freut mich sehr, dass meine Monatsbowle auch bei Dir etwas zum Klingen gebracht hat. Und schön, dass Du auch Deine musikalischen und herbstlichen Impressionen hier teilst. Dankeschön! Morgenneblige Herbstgrüße aus Niederbayern nach Nürnberg und einen guten November! Barbara

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