Der Dezember war bei mir dieses Jahr besonders geprägt von dem Wunsch nach einer Pausentaste fürs Leben (zum vorübergehenden Abschalten von schlechten Nachrichten oder potenziellen Stressfaktoren) bzw. einer lange herbeigesehnten Verschnauf- und Erholungspause. Oder frei nach Karl Valentin, der es so treffend formuliert hat: „Und wenn die stade Zeit vorüber ist, dann wird’s auch wieder ruhiger“.
Und auch die Natur bzw. das Wetter hat sich dann mit etwas Schneeflockenzauber zwischen den Jahren als Antwort auf das monatliche Dauergrau dann auch wirklich noch Mühe gegeben.
Zudem habe ich diesen Monat ein großartiges, neues Wort aus der Musikpsychologie kennengelernt: Offenohrigkeit, die vor allem bei Kindern noch sehr ausgeprägt ist und dann jedoch bei den meisten Menschen nach und nach verloren geht. Aber etwas Offenohrigkeit bzw. Neugier auf musikalische Entdeckungen tut sicher gut und kann nicht schaden.
„Offenohrigkeit heißt ja nicht viel mehr, als hinzuhören und sich umzuhören in der Welt, die nach allen Himmelsrichtungen voller Sensationen steckt.“
(aus Ullrich Fichtner „Die Macht der Musik“, S.153)
Ein offenes Ohr hatte ich auf jeden Fall für den gut gelaunten Operndoppelabend „Trial by Jury / Gianni Schicchi“ (von Gilbert&Sullivan und Giacomo Puccini) im Landshuter Theaterzelt. Schwungvoll und kurzweilig!
Und herzhaft lachen konnte ich tatsächlich auch bei der neuen Komödie „Der Brandner Kaspar und der Boandlkramerkongress“ aus der Feder von Wolfgang Maria Bauer. Dank der grandiosen Antonia Reidel als „Boandl“ und einem Ensemble in bester Spiellaune war das tatsächlich eine witzige und wohltuende Auszeit. Ja, auch ein gelungener Theaterabend kann ganz wunderbar als Pausentaste fungieren!
Sehr berührende und nachdenkliche Töne brachte Peter Turrinis Weihnachtsstück „Josef und Maria“ mit in die Adventszeit. Thomas Ecker brachte das Stück genau an den Ort, an dem es tatsächlich spielt: in ein geschlossenes Kauf- bzw. Modehaus zur Weihnachtszeit. Toll inszeniert und großartig gespielt von Gaby Butz und Reinhart Hoffmann – ein unvergessliches Theatererlebnis, das lange nachhallt und im Gedächtnis bleiben wird.
Der Lesemonat war nach der Sachbuch-Lektüre von Christopher Clarks „Skandal in Königsberg“ (der Historiker befasst sich mit einem Eklat um zwei Prediger im preußischen Königsberg des 19. Jahrhunderts), die ein ordentliches Stück Konzentration erforderte, dann überwiegend weihnachtlich-winterlich geprägt.
Und damit niemand zu spät zum Silvesterschmaus kommt, heute mal ein bisschen im Schnelldurchlauf:
Titus Müller entführte mich mit seiner Erzählung „Tanz mit mir, Aurelia“ ins London des Jahres 1647 – eine Zeit, in welcher der strenge Puritaner Oliver Cromwell verboten hatte, das Weihnachtsfest zu feiern.
Mittels Anthony Trollopes „Weihnachten auf Thompson Hall“ aus dem Jahr 1876 durfte ich an einem klassischen britischen Weihnachtsfest im Upper Class Herrenhaus teilnehmen – Mincepies und Truthahn inklusive.
Stimmungsvolle, vielseitige Weihnachtsgeschichten aus unterschiedlichsten Federn und Kulturkreisen gab es in der Erzählsammlung „Die Wunder zu Weihnachten“ (Insel Taschenbuch), den ich mir vorrangig wegen Marie Luise Kaschnitzs Geschichte „Was war das für ein Fest?“ zugelegt hatte.
Meine sehr großen Erwartungen konnte Celia Fremlins „Der lange Schatten“ nicht ganz erfüllen, aber vielleicht hatte ich auch in dem Moment nicht die nötige Muße bzw. das Ganze ein wenig „zerrupft“ gelesen. Da würde es gegebenenfalls auf einen zweiten Versuch ankommen.
Deutlich leichter machte es mir da der kurze Weihnachtskrimi von Richard Coles „Murder under the Mistletoe“, den ich schon in meiner Weihnachtsbowle vorgestellt habe.
Und ganz nach meinem Geschmack waren auch die beiden Bände der österreichischen Autorin und Buchhändlerin Petra Hartlieb „Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung“ und „Meine wundervolle Buchhandlung“, die ich geradezu inhaliert habe. Für jede und jeden, der gerne eine richtig gute Buchhandlung besucht, eine echte Herzenslektüre!
Die österreichische Autorin Friedl Benedikt (1916 – 1953) führte literarische Tagebücher, die sich im Nachlass ihres Lehrers, Mentors und Geliebten Elias Canetti erhalten haben und die nun im Band „Warte im Schnee vor deiner Tür“ im Zsolnay Verlag erschienen sind. Texte, die von ihrer feinen Beobachtungsgabe und stimmigen Formulierungen getragen sind und unter anderem vom Londoner Exil während des Zweiten Weltkriegs erzählen.
„Ach Sternchen, wie ich hier etwas erreichen soll, sehe ich nicht, es müßte das Glück vom Himmel springen, um zu helfen.“
(aus Friedl Benedikt „Warte im Schnee vor deiner Tür“, S.11)
Erich Kästner darf für mich in keinem Lesejahr fehlen und so tauchte ich mal wieder ab in seine unsterblichen Gedichte und zwar in „Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke“.
Hanns-Josef Ortheil füllt mit seinen Werken bei mir ein ganzes Regalfach und doch liegt meine letzte Lektüre schon eine Weile zurück. In „Schwebebahnen“ kehrt er wieder einmal zurück zu seinen Lebensthemen: seiner Kindheit (dieses Mal die Zeit in Wuppertal), der Liebe zur Musik und zum Schreiben.
„Er schreibt gerne, fast so gerne wie er Klavier spielt. Beim Schreiben ordnen sich die Gedanken und machen im Kopf sogar etwas Musik. Sie erscheinen wie lebendige Wesen, die anklopfen, auftreten und freundlich wieder verschwinden.“
(aus Hanns-Josef Ortheil „Schwebebahnen“, S.12)
Wunderbar passt dazu auch die Sachbuch-Lektüre von Ullrich Fichtners „Die Macht der Musik“. Ein fachlich fundiertes Plädoyer dafür, der Musik in unserer Gesellschaft und vor allem auch in der schulischen Bildung einen höheren Stellenwert einzuräumen. Und eine Einladung bzw. leidenschaftliche Aufforderung, „offenohrig“ zu bleiben. Sehr lesenswert!
Und sogar das dickste Buch dieses Jahres mit mehr als 1240 Seiten habe ich noch in diesem Monat untergebracht – sowas funktioniert einfach „zwischen den Jahren“ am besten, wenn man auch mal länger dranbleiben kann: Robert Galbraith „Der Tote mit dem Silberzeichen“ – der achte Fall für Cormoran Strike und Robin Ellacott.
Was bringt der Januar?
Meinen Jahresrückblick – inklusive meiner 2025-Leseglanzlichter – und einen Ausblick aufs neue Jahr gibt es traditionellerweise in meiner Neujahrsbowle. Eine Tradition, die ich gerne fortführe und mit der ich mich in den nächsten Tagen hier wieder zu Wort melden werde.
In meinem Heimattheater ist für mich im Januar Zeit für Operette: Gegeben wird Johann Strauss’ „Eine Nacht in Venedig“… da komme ich doch gerne mit in die Gondel.
Für den Lesekreis wird es für mich eine Zweitlektüre von Stefanie Gerholds „Das Lächeln der Königin“ geben – das zu meinen 2024er Jahresglanzlichtern zählte.
Zudem hoffe ich zum Jahresbeginn darauf, noch ein wenig auf der Pausentaste bleiben zu dürfen und entspannt nach Herzenslust schmökernd ins neue Jahr zu starten.
Und selbstverständlich möchte ich es auch dieses Jahr nicht versäumen, allen Leserinnen und Lesern meiner Bowle einen wunderbaren und harmonischen Silvester- bzw. Altjahresabend zu wünschen. Passt auf Euch auf und kommt behütet, gelassen und wohlbehalten in ein gesundes, gutes, glückliches und hoffentlich friedvolles neues Jahr 2026!
Und etwas Ringelnatz zum Jahresende darf auch noch sein:
Der Glückwunsch
Ein Glückwunsch ging ins neue Jahr,
Ins Heute aus dem Gestern.
Man hörte ihn sylvestern.
Er war sich aber selbst nicht klar,
Wie eigentlich sein Hergang war
Und ob ihn die Vergangenheit
Bewegte oder neue Zeit.
Doch brachte er sich dar, und zwar
Undeutlich und verlegen.Weil man ihn nicht so ganz verstand,
So drückte man sich froh die Hand
Und nahm ihn gern entgegen.(Joachim Ringelnatz, 1883 – 1934)
Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.
Gaumen-Highlight Dezember:
Sehr gefreut habe ich mich über ein besonderes kulinarisches Geschenk: eine feine Engadiner Nusstorte, die ich tatsächlich zum ersten Mal verkosten durfte.
Musikalisches im Dezember:
Ein feiner und tröstlicher Ohrwurm war in diesem Advent „Abide with me“. Auf YouTube gibt es eine sehr schöne Version der King’s Singers, die übrigens wunderbar auch zum Mitsingen geeignet ist.












Stille und Frieden
Klingen und Wärme spüren
Inneres Glitzern
© Kulturbowle 2025
Heute in Ruhe
mit dem Gestern versöhnen
Morgen gestalten
© Kulturbowle 2025

Pausentasten! Das wäre wunderbar.
Ein schöner Dezember hattest Du trotz all der Hektik, die im Dezember nun mal da ist.
Alles Gute zum Jahreswechsel und liebe Grüße nochmals
Nina
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Vielen lieben Dank, Nina!
Einen ruhigen Silvesterabend und einen guten Start ins neue Jahr (mit Pausentaste! 🙂) wünscht von Herzen, Barbara
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