Lügen, Lachen – Gute-Laune-Theater

Gerade im Moment können wir alle dringend eine Portion gute Laune gebrauchen und was gibt es Schöneres als bei einem Theaterbesuch einmal für zwei Stunden alle Alltagssorgen zu vergessen und einfach mal wieder herzhaft lachen zu können. Im Landestheater Niederbayern hat man hier aktuell mit der temporeichen Boulevardkomödie „Das (perfekte) Desaster Dinner“ von Marc Camoletti in der Bearbeitung von Michael Niavarani gerade eine wunderbare Gelegenheit dazu.

Laut Wikipedia wird unter einem Boulevardstück „heute zumeist eine Art Schwank verstanden, in dem die Mechanik der Dramaturgie mit steten Überraschungen und Verwechslungen wichtiger ist, als eine genaue Zeichnung der Figuren oder ein „literarischer Gehalt“. Bevorzugtes Thema ist der Gegensatz von standesgemäßem Äußeren und unstandesgemäßen (Liebes-)Affären. (…) Das Boulevardstück verspottet Unzulänglichkeiten aus dem täglichen Leben (…) und ist geprägt von Wortwitz und Situationskomik.“

Und genau diese Elemente bekommt man auch in diesem Stück auf erstklassige Weise geboten.

Die Wiege der Bezeichnung „Boulevardstück“ liegt in Frankreich – im Pariser Theaterviertel Boulevard de Temple – und auch der ursprüngliche Autor des Stücks Marc Camoletti (in der Schweiz geboren) ist ein französischer Bühnenautor und in Paris aufgewachsen. Bekannt wurde er vor allem durch sein berühmtestes Stück „Boeing-Boeing“. Der österreichische Kabarettist Michael Niavarani hat Camoletti’s Stück „Madame, es ist angerichtet“ bearbeitet und zu der Fassung „Das (perfekte) Desaster Dinner“ weiterentwickelt, die jetzt auch im Landestheater Niederbayern zu sehen ist.

Worum geht’s?
Die Ehefrau möchte ihre Mutter besuchen, d.h. ist somit aus dem Weg und das winterlich verschneite Wochenend-Chalet bietet das ideale romantische Liebesnest für ein heimliches Rendezvous mit der jungen Geliebten, die auch noch Geburtstag hat. Der beste Freund wird als Alibi eingeladen und auch das professionelle Catering ist bestellt. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.

Denn nicht nur der Ehemann hat seine kleinen amourösen Geheimnisse und schon bald entspinnt sich ein komplexes Lügengeflecht, welches die geistige Flexibilität und das schauspielerische Talent aller Beteiligten zunehmend fordert.
Spritzig, perlend und pointiert – da geht es Schlag auf Schlag, eine Lüge jagt die nächste und wie es sich für eine gute Boulevardkomödie gehört, wird die Lage immer verworrener und turbulenter.

Den Midlife-Crisis geplagten, fremdgehenden Ehemann spielt Julian Niedermeier mit der erforderlichen Portion Selbstironie und genau dem hektischen Aktionismus, den die Rolle erfordert. Denn schließlich hat er jede Menge zu verbergen und nachdem das Lügenkonstrukt sich immer mehr verselbstständigt, hat er schon ordentlich zu wirbeln, um das immer löchriger werdende Lügengeflecht stets neu zu flicken.

Ella Schulz gibt eine herrlich scharfzüngige und schnippische Ehefrau, die mit großen Emotionen und einem ebenso ausgeprägten Hang zur Hinterlist selbst ihren gehörigen Beitrag zum immer bunter werdenden Bühnenschlamassel leistet.

Julian Ricker spielt den gutmütigen, auf charmante Weise unbeholfenen Freund des Gastgebers, dem das Lügen sichtlich schwer fällt und doch hat auch er so manches Geheimnis zu verschleiern.

Mit bunter Dreadlocks-Perücke, schrägem Outfit und einem phänomenalen Geschäftssinn ausgestattet schlägt die komödiantische Stunde für Friederike Baldin als Köchin, Model, Schauspielerin, Geliebte und … und … und … – es ist eine Freude, ihr als Susi zuzusehen. Denn es ist witzig, wenn die hemdsärmlige, zupackende Köchin ihre ganze Wandlungsfähigkeit und Flexibilität unter Beweis stellen muss.

Die luxusverwöhnte Model-Geliebte, welche sich ihren Geburtstag ganz anders vorgestellt hatte, wird verkörpert durch Larissa Sophia Farr, die überzeugend das Klischee der leicht arrogant-hochnäsigen, überspannten Zicke verkörpert.

Den kürzesten Auftritt hat Lukas Franke als eifersüchtiger, tapsiger und etwas einfältiger Susi-Ehemann Schorschi, bei dem schnell mal der berüchtigte „Watschenbaum“ umzufallen droht.

Das Bühnenbild und die Kostüme von Dorothee Schumacher und Lutz Kemper machen Spaß und unterstreichen farblich und mit liebevollen, kleinen Special Effects den lustigen Charakter des Stücks ohne jedoch den eigentlichen Stars des Abends – den Schauspielern auf der Bühne – die Schau zu stehlen.
Denn schauspielerisch ist da höchste Konzentration gefordert, aber die sechs Akteure auf der Bühne strahlen eine solche Leichtigkeit und Spielfreude aus, dass sich die gute Stimmung sofort aufs Publikum überträgt.

Es ist schwer, leichte Komödien zu spielen, aber in der temporeichen, frischen Inszenierung von Veronika Wolff gelingt das dem Landshuter Schauspielensemble ganz wunderbar. Das Tempo stimmt, die Pointen sitzen und das Premierenpublikum geht mit, lacht von Herzen und belohnt den fröhlichen, amüsanten Theaterabend mit lange anhaltendem Applaus.

Eine gut gelaunte Alltagsflucht, die einen mit einem breiten Lächeln aus dem Theater gehen lässt und einfach nur gut tut. Denn Lachen ist bekanntlich gesund.

„Voltaire sagte, der Himmel habe uns zum Gegengewicht gegen die vielen Mühseligkeiten des Lebens zwei Dinge gegeben: die Hoffnung und den Schlaf. Er hätte noch das Lachen dazu rechnen können; wenn die Mittel es bei Vernünftigen zu erregen nur so leicht bei der Hand wären, und der Witz oder die Originalität der Laune, die dazu erforderlich sind, nicht ebenso selten wären (…)“

(Immanuel Kant aus „Kritik der Urteilskraft“)

In diesem Sinne schließe ich mich gerne Immanuel Kant an:
Bleibt hoffnungsfroh, schlaft gut und unterstützt die Kulturszene: sucht euch eine schöne Komödie, geht ins Theater und lacht wieder einmal von Herzen!

Gesehen am 18. Februar 2022 im Landestheater Niederbayern (Landshut – Theaterzelt)

Das (perfekte) Desaster Dinner“ ist in dieser Spielzeit noch an einigen Terminen in Landshut, Passau und Straubing zu sehen. Genaue Daten und weitere Details findet man jederzeit auf der Homepage des Landestheater Niederbayern. Zudem findet ihr dort auch schöne Fotos der Aufführung, wenn Ihr Euch ein Bild machen wollt.

***

Wozu inspirierte mich bzw. woran erinnerte mich „Das (perfekte) Desaster Dinner“:

Für den Gaumen:
Das (perfekte) Desaster Dinner soll eigentlich ein Menü aus thailändischen Gerichten sein – dafür wird sogar extra ein Cateringservice bestellt. Doch das Essen wird ganz schnell zur Nebensache, da helfen dann auch ein paar „Schnäpselein“ nicht mehr, um die kulinarischen und amourösen Turbulenzen hinunter zu spülen.

Zum Weiterhören:
Dem Stück habe ich zwei lang anhaltende Ohrwürmer zu verdanken: Die 80er Jahre Hits „Da, Da, Da“ von Trio (1981) und die Solo-Nummer des Trio Frontmann’s Stephan Remmler „Vogel der Nacht“ (1986) klingen bei mir auch noch lange im Kopf, nachdem ich das Theater verlassen habe.

Zum Weiterschauen oder für den nächsten Theaterbesuch:
Die Version mit Michael Niavarani in der Hauptrolle, die 2011 und 2012 bei den Festspielen Berndorf aufgeführt wurde, war schon im ORF zu sehen und ist auch als DVD erhältlich.
Allerdings geht nichts über das Live-Erlebnis im Theater.

Aktuell im Landestheater Niederbayern in Landshut, Passau und Straubing – aktuelle Termine findet man auf der Website des Landestheaters Niederbayern.

Zu sehen gibt es das Stück in anderen Inszenierungen jedoch auch vom 24. März 2022 – 14. Mai 2022 in der Komödie Düsseldorf (Steinstraße) oder in dieser Spielzeit auch im Oststadt Theater in Mannheim.

8 Kommentare zu „Lügen, Lachen – Gute-Laune-Theater

  1. Liebe Barbara, ich fühle mich von deinem aktuellen Bericht an ein lang zurückliegenden Theaterabend in Berlin erinnert. An der Volksbühne wurde „Der letzte der feurigen Liebhaber“ von Neil Simon gespielt. Ich war damals wenig enthusiastisch reingegangen, und dann absolut begeistert von der Inszenierung. Manchmal muss es einfach (gut gemachte) leichte Unterhaltung sein. (Obwohl ich persönlich, vor die Wahl gestellt, bei Büchern und Theater eher bei „schweren“ Themen zugreife.) Ich wünsche dir noch einen netten Abend mit viel Lachen auch ohne Lügen! LG Anke

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    1. Liebe Anke, ich finde die Mischung macht es. Manchmal darf es leichte Muse sein und doch sehe ich auch oft ernste Stücke. So habe ich zum Beispiel die Woche davor ein Fassbinder-Stück „In einem Jahr mit dreizehn Monden“ in Landshut gesehen – auch hervorragend gespielt und mit sehr ernster Thematik. Aber zu lachen gibt es im Moment leider ohnehin zu wenig und daher habe ich dieses Boulevardstück dieses Mal um so mehr genossen. Und ja, die Lügen können wir uns im richtigen Leben gerne sparen. 😉 Dir auch einen schönen, fröhlichen Abend! Herzliche Grüße, Barbara

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    1. Gern geschehen, Bernd. Für mich war dieser Theaterabend eine schöne Abwechslung und daher teile ich die Freude gerne, da geteilte Freude ja bekanntlich doppelte Freude ist. Und ja, das Zitat von Kant fand ich sehr treffend. Denn „Mühseligkeiten“ gibt es ja gerade so einige, über die man sich den Kopf zerbricht… Herzliche Grüße nach Nürnberg! Barbara

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    1. Liebe Nicole, Du glaubst gar nicht, was für eine Freude Du mir damit an diesem furchtbaren Tag gemacht hast. Schön, wenn ich Dich zu einem Theaterbesuch verführen konnte. Über die Düsseldorfer Inszenierung und das Ensemble dort kann ich natürlich nichts sagen, aber das Stück hat auf jeden Fall das Potenzial, wirklich gut zu unterhalten, wenn man sich einfach mal auf etwas Lustiges einlassen möchte. Ist ja noch ein bisschen hin, aber ich wünsche Dir jetzt schon mal viel Spaß und Freude! Herzliche Grüße, Barbara

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