Weihnachten mit British Touch

Dieses Jahr hat sich – ohne, dass ich das bewusst beabsichtigt oder geplant hatte – ein roter Faden durch meine Advents- und Weihnachtszeit gezogen. Sie hatte einen gewissen britischen Touch – gleichsam einen Hauch von der Insel, der mich durch die „stade Zeit“ getragen und begleitet hat.

Und weil sich da Vieles so wunderbar fügte und ergänzte, dachte ich, dass es schön wäre, dies hier in einem weiteren weihnachtlichen Beitrag zusammenzutragen und so mit meinen LeserInnen zu teilen und auch – ich gestehe eine gewisse Eigennützigkeit – für mich selbst festzuhalten.

Am Anfang war die Eintrittskarte für die szenische Lesung „Fröhliche Weihnachten, Mr. Scrooge“, die für mich die Weihnachtszeit auch kulturell einläuten sollte. Zur Vorbereitung und Einstimmung habe ich – denn das letzte Mal als ich mich eingehender mit DEM Weihnachtsklassiker beschäftigt habe, lag schon eine ganze Weile zurück – Charles Dickens „Der Weihnachtsabend“ (Originaltitel: A Christmas Carol in Prose. Being a Ghost Story of Christmas“) gelesen und zwar in einer schönen, illustrierten Ausgabe der Insel-Bücherei, die dem unsterblichen Werk aus dem Jahr 1843 auf zeitgemäße Weise auch optisch gerecht wird.

„Du wirst“, sprach das Gespenst, „von drei Geistern aufgesucht werden.“

(aus Charles Dickens „Der Weihnachtsabend“, S.37)

Die szenische Lesung in der Bühne am Schardthof in Essenbach war zauberhaft gemacht, von Thomas Ecker als Regisseur wahrlich wunderbar „in Szene gesetzt“ und mit der festlichen musikalischen Umrahmung von Stefan Stoiber am E-Piano ein gelungenes Gesamtkunstwerk.

Erneut wurde hier von Mitgliedern aus diversen Landshuter Laientheatergruppen (Nikola, Konrad, Hofberg sowie MuT Musik und Tun e.V.) mit vereinten Kräften und leidenschaftlichem Engagement eine großartige Gemeinschaftsproduktion auf die Beine gestellt.

„Während der ganzen Zeit hatte Scrooge sich wie von Sinnen aufgeführt. Er war mit Herz und Seele beim Geschehen und auch bei seinem früheren Ich. Er bestätigte alles, erinnerte sich an alles, genoss alles und durchlebte die sonderbarste Erregung. Erst als die strahlenden Gesichter seines früheren Ichs und Dick sich von ihnen abwandten, entsann er sich des Gespenstes und ward sich bewusst, dass es ihn direkt ansah, wobei das Licht auf seinem Kopf sehr hell brannte.“

(aus Charles Dickens „Der Weihnachtsabend“, S.61)

Reinhart Hoffmann durfte in der Hauptrolle als griesgrämiger Geizhals Ebenezer Scrooge granteln und glänzen, Heinrich Wannisch nicht nur das Gespenst Marley, sondern auch den gütigen Lehrmeister Mr. Fezziwig sprechen und mimen, Korbinian Greindl den geplagten und vom Schicksal gezeichneten Angestellten Bob Cratchit verkörpern. Florian Leitl, Magda Maierhofer und Leon Kaunzinger schlüpften in die Rollen der Geister (der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht), um stellvertretend nur einige wenige Mitglieder des perfekt harmonierenden Ensembles zu nennen.

Und auch Kinder und Jugendliche (Sarah Donius, Maya Finger, Kira Zeidler, Aaron Mumm und Vincent Kaiser) aus dem Oliver Twist-Ensemble des letzten Jahres, über das ich ebenfalls begeistert hier auf dem Blog berichtet habe, hatten ihren Auftritt und ließen den weihnachtlichen Funken aufs begeisterte Publikum überspringen.

Ebenso war optisch viel geboten – eine englische Teestube auf der Bühne und stimmig ausgewählte Requisiten, welche die Handlung verständlicher und die wechselnden Akteure in ihren Rollen leichter erkennbar machten.
Zudem lächelten da aus Bilderrahmen im liebevoll gestalteten Bühnenbild neben King Charles und Queen Victoria auch andere britische Berühmtheiten wie Mr. Bean oder Sir Alec Guiness und „Der kleine Lord“ wohlwollend ins Publikum.

Dazu passte die perfekte Musikauswahl von Edward Elgars „Land of Hope and Glory“ bzw. „Pomp and Circumstance“ sowie „Nimrod“ über Hubert Parrys „Jerusalem“ (die legendäre „Last night of the Proms“ ließ grüßen) bis hin zu traditionellen Weihnachtsliedern.
Schöner kann man die Advents- und Weihnachtszeit kaum beginnen. Für mich war es auf jeden Fall ein wahrlich magischer und zauberhafter Abend und in diesem Jahr der erste Moment, der auch in mir den Weihnachtsgeist wieder hat lebendig werden lassen.

Während für viele „Der kleine Lord“ wohl ohnehin alljährlich zu Weihnachten gehört, wie Christbaumkugeln oder Weihnachtsplätzchen, war es für mich – das Bühnenbild der Dickens-Lesung ließ gedanklich noch grüßen – dieses Jahr tatsächlich eine Premiere. Der Film von 1980 mit Sir Alec Guinness als zunächst ebenso griesgrämigem und sich läuterndem Großvater und mit Ricky Schroder als herzallerliebstem Enkel „Ceddie“ basiert auf dem Roman von Frances Hodgson Burnett „Little Lord Fauntleroy“ aus dem Jahr 1886 und garantiert der ARD seit Jahren eine stabile Einschaltquote.

Da sich der Schnee ja schon Anfang Dezember eingestellt hatte, um dann schnell wieder zu verschwinden und an Weihnachten leider zu wünschen übrig ließ, habe ich mir mit dem „cozy“ Weihnachtskrimi von Nicola Upson „Mit dem Schnee kommt der Tod“ noch einmal Schnee-Atmosphäre auf die Lese-Couch geholt.

„Josephine drehte sich um und sah den Schnee. Nicht die verirrten Flocken, die sie bei ihrer Ankunft begrüßt hatten, sondern ein stiller, weißer Sturm, stetig und unaufhaltsam, der die Glasscheibe sprenkelte und den indigoblauen Himmel mit seiner schwermütigen, strahlenden Schönheit füllte.“

(aus Nicola Upson „Mit dem Schnee kommt der Tod“, S. 131)

Als Schauplatz hat sich Upson für den neunten Band ihrer Krimi-Reihe (der aber auch sehr gut als Einzelband gelesen werden kann) mit Detective Chief Inspector Archie Penrose und der Krimiautorin Josephine Tey als Ermittlerfiguren, einen ganz besonderen Ort im idyllischen Cornwall ausgesucht: die pittoreske Insel St. Michael’s Mount.

„Glück ist wie Schuld, hat er gesagt. Es existiert nur, wenn es jemand bezeugen kann.“

(aus Nicola Upson „Mit dem Schnee kommt der Tod“, S.221)

Dort sollen zahlende Gäste und ein weltberühmter – zunächst streng geheim gehaltener – Stargast im Jahr 1938 gemeinsam ein außergewöhnliches Weihnachtsfest verbringen. Doch aus dem Charity Event für einen guten Zweck wird bald eine spannende Jagd nach einem oder gar mehreren Mördern?

„Du kannst noch was von Charles Dickens lernen, Archie. Die Vergangenheit kannst du nicht ändern, aber die Zukunft muss nicht voller Geister sein.“

(aus Nicola Upson „Mit dem Schnee kommt der Tod“, S.331)

Ein echter Kuscheldecken-Krimi, den ich sehr gerne gelesen habe, der perfekt in die Winter- und Weihnachtszeit passt, von Dickens’ Weihnachtsgeist durchweht wird und in bester britischer Tradition zu Agatha Christie oder Josephine Tey steht.

Last but not least – hat in Landshut seit einiger Zeit dank des Generalmusikdirektors Basil H. E. Coleman auch die britische Christmas Pantomime im Landestheater Niederbayern Tradition und in diesem Jahr kam das Publikum in den Genuss von „Jack and the Beanstalk“ bzw. „Hans und die Bohnenranke“ von Swantje Schmidt-Bundschuh, die für Buch und Regie verantwortlich zeichnete.

Auf Wikipedia kann man mehr zu dieser besonderen Form des Theaters nachlesen, denn bei der Panto, die eine „Mischung aus Komödie, Märchen und Musical“ (Quelle: Wikipedia) darstellt, darf und soll im Publikum zu Beispiel aktiv mitgemacht werden: der Bösewicht wird ausgebuht, dem Helden wird mit einem langgezogenen „Ooooh!“ Mitleid gezollt.
Oft schlüpfen Männer in Frauenrollen und andersherum. Auch GMD Coleman lässt es sich nicht nehmen, dieses Jahr wieder höchstpersönlich die „Dame“ zu geben als „Dame Gertie Gardenshears“.

Mit schöner Musik, tollen Tanzeinlagen der Weihnachtselfen um Choreographin Sunny Prasch, zauberte das Musiktheater-Ensemble (u.a. Sabine Noack als Simon, Edward Leach als Jack, Sarah-Léna Winterberg als Jill/Bohne, Heeyun Choi als „Giant“ und Peter Tilch als „Gloomy Baron“) stimmungsvolle, amüsante und zauberhafte Weihnachtsunterhaltung für Groß und Klein auf die Bühne. Glückliches Kinderlachen, leuchtende Augen und fröhlich gestimmte Erwachsene am Abend vor Heiligabend im Landshuter Theaterzelt belohnten die kurzweilige und „magische“ (schließlich bekommt Jack ja nicht nur baked, sonder „magic beans“!) Vorstellung zu Recht mit lange anhaltendem Applaus.

Für alle, die sich die Zeit genommen haben, dies zu lesen und bis hier durchgehalten haben:
Ich hoffe, dieser Beitrag hat nicht nur mir, sondern auch Euch eine Freude gemacht und in diesem Sinne: „I wish you a merry christmas“ bzw. einen schönen „Boxing Day“, wie der zweite Weihnachtsfeiertag in Großbritannien genannt wird!

Ach ja, und wer immer noch nicht genug hat und vielleicht noch etwas Schwung und einen kurzen Kick gute Laune benötigt, der kann hier auf YouTube in eine, wenn nicht DIE beste Szene eines anderen britischen Weihnachtsklassikers reinschauen und den Prime Minister alias Hugh Grant in „Tatsächlich Liebe“ durch Downing Street Nr. 10 tanzen lassen.

Weihnachtslesung „Fröhliche Weihnachten, Mr. Scrooge“ gesehen am 9. Dezember 2023 in der Bühne am Schardthof (Essenbach)

Christmas Pantomime „Hans und die Bohnenranke“ gesehen am 23. Dezember 2023 im Landestheater Niederbayern (Theaterzelt)

Hans und die Bohnenranke“ ist in dieser Spielzeit noch an einigen wenigen Terminen in Passau und Straubing zu sehen. Genaue Daten und weitere Details findet man jederzeit auf der Homepage des Landestheater Niederbayern. Zudem findet ihr dort auch schöne Fotos der Aufführung, wenn Ihr Euch ein Bild machen wollt.

Buchinformationen:
Charles Dickens, Der Weihnachtsabend
Deutsch von Eike Schönfeld
Mit Illustrationen von Flix
Insel-Bücherei
ISBN: 978-3-458-17775-3

Nicola Upson, Mit dem Schnee kommt der Tod
Aus dem Englischen von Ann-Christin Kramer
Kein&Aber
ISBN: 978-3-0369-5011-2

Weitere Besprechungen zu „Mit dem Schnee kommt der Tod“ gibt es bei Herba und Buch-Haltung.

***

Wozu inspirierten bzw. woran erinnerten mich die britischen Weihnachtsanregungen:

Für den Gaumen:
Am Ende von „A Christmas Carol“ beauftragt Ebenezer Scrooge einen Jungen, ins nächste Geflügelgeschäft einkaufen zu gehen und einen „Preisputer“ (S.134) zu holen:

„Und es war aber auch ein Puter. Dieser Vogel, der hätte nie auf eigenen Beinen stehen können. Er hätte sie im Nu geknickt, wie Stifte Siegelwachs.“

(aus Charles Dickens „Der Weihnachtsabend“, S.135)

Zum Weiterhören:
Der geheime Stargast in Nicola Upsons Krimi, den ich nicht verraten möhte, darf auch ein traditionelles Weihnachtslied zum Besten geben:

„Josephine hatte die Musik schon vom Flur gehört, eine wunderschöne Interpretation von ‚It Came Upon the Midnight Clear‘, und war davon ausgegangen, es handle sich um eine Grammophonaufnahme, doch sobald der Gesang einsetze, erkannte sie ihren Irrtum.“

(aus Nicola Upson „Mit dem Schnee kommt der Tod“, S.142)

Zum Weiterklicken oder für einen Englandbesuch:
Hier geht es zur schön gestalteten und interessanten Website von St. Michael’s Mount. Ich wollte nach der Lektüre von Nicola Upsons Weihnachts-Krimi auf jeden Fall gleich mehr über diesen besonderen und malerischen Ort in Cornwall erfahren bzw. mir natürlich auch noch die passenden Bilder dazu ansehen.

Zum Nachlesen, Weiterklicken und Weiterlesen (I):
Letztes Jahr hatte mir die wunderbare Theateraufführung von „Oliver Twist“ auf der Landshuter Burg Trausnitz die Adventszeit versüßt und mich zu einem begeisterten Blogbeitrag inspiriert. Ebenfalls ein Klassiker von Charles Dickens, den ich gerne nochmal wieder gelesen hatte:

Charles Dickens, Oliver Twist
Deutsch von Gustav Meyrink
Diogenes
ISBN: 3-257-21035-3

Zum Weiterlesen (II):
Und auch vor kurzem bin ich Charles Dickens in einem neu erschienenen Buch von Zadie Smith begegnet. In ihrem grandiosen historischen Roman Betrug lässt sie – neben vielen anderen interessanten Aspekten – unter anderem die britische Literaturszene der damaligen Zeit auf großartige Weise wieder lebendig werden.

Zadie Smith, Betrug
Aus dem Englischen von Tanja Handels
Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-00544-8

Zum Weiterlesen (III):
Auch Nicola Upson versäumt es nicht, der „Queen of Crime“ Agatha Christie ihren Respekt zu zollen bzw. ihre Aufwartung zu machen:

„Seine Zimmerdurchsuchung ergab allerdings lediglich Hinweise auf einen ausgeprägten Ordnungssinn und eine Vorliebe für Agatha Christie. Ein ungelesenes Exemplar von ‚Hercule Poirots Weihnachten‘ lag auf seinem Kopfkissen (…)“

(aus Nicola Upson „Mit dem Schnee kommt der Tod“, S.242/243)

Fürs nächste Jahr steht dann endlich auch bei mir ein weiterer Weihnachtsklassiker auf der Wunschliste:

Agatha Christie, Hercule Poirots Weihnachten
Aus dem Englischen von Michael Mundhenk
Atlantik
ISBN: 978-3-455-17062-7

11 Kommentare zu „Weihnachten mit British Touch

    1. Danke, liebe Nina. Ja, der Faden hat sich mir zwar erst hinterher erschlossen, aber es hat wirklich schön gepasst. Dir ebenfalls noch eine ruhige Zeit zwischen den Jahren und komm gut, gesund und wohlbehalten ins neue Jahr! Herzliche Grüße! Barbara

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    1. Lieber Bernd,
      Das wünsche ich Dir auch, ich hoffe, Du kannst die etwas ruhigere Zeit zwischen den Jahren Richtung Jahreswechsel etwas genießen. Ich mag diese besinnliche, ruhige und erholsame Zeit des Übergangs. Herzliche Grüße aus Landshut nach Nürnberg! Barbara

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