Maibowle 2024 – Meermomente und Mauerblümchen

Der Mai war für mich persönlich dieses Jahr ein echter Wonnemonat – viel frischer Wind, jede Menge neue Inspirationen, wunderbare Eindrücke, Momente am Meer, gute Gespräche und kulturelle Genüsse. Dieser Monat war ein Fest für alle Sinne!

Anlass zum Schwärmen – was ich hier auf dem Blog auch schon ausgiebig getan habe – gab das Landestheater Niederbayern mit der OperetteDer Mikado von Gilbert und Sullivan. Für mich ein echtes Theaterglanzlicht in dieser Spielzeit 23/24, die sich ja schön langsam dem Ende zuneigt.

Um einiges düsterer und dramatischer ging es bei der aufwändigen Inszenierung von „Die Wanderhure“ des Theater Nikola im Bernlocher Saal zu – ein Bühnenbild des Landshuter Künstlers Bernhard Kühlewein – dem aktuell (vom 18. Mai bis zum 8. September 2024) auch gerade die Ausstellung „Kühlewein – IM GROSSFORMAT“ in der Landshuter Heiliggeistkirche gewidmet ist – viele Mitwirkende und mittelalterliche Kostüme ließen die dunkle Seite des Mittelalters zu Zeiten des Konzils in Konstanz lebendig werden.

Literarisch gibt es in der Bretagne kaum ein Vorbeikommen an den Dupin-Krimis. Jean-Luc Bannalec (alias Jörg Bong, der für seine Verdienste um die Bretagne bereits mit dem Titel „Mécène de Bretagne“ ausgezeichnet wurde) hat den sechsten Fall „Bretonisches Leuchten“ an der Rosa Granitküste angesiedelt, wo Dupin den sommerlichen Urlaub statt am Strand schnell mit Ermittlungen verbringt.

In Mo Malos Cosy-Krimi „Tod in Saint-Malo“ ermitteln hingegen drei Frauen – Großmutter, Mutter und Tochter – die gemeinsam eine Pension in der malerischen Korsarenstadt Saint-Malo betreiben. Für bretonisches Flair und Lokalkolorit ist gesorgt, wenn die Damen Intra-Muros auf eigene Faust nach dem Mörder eines preisgekrönten Dudelsackspielers suchen.

Und weil man im Leben ja auch nie aufhören sollte, Neues auszuprobieren und Dinge das erste Mal zu tun, habe ich tatsächlich meinen ersten Asterix-Comic (René Goscinny und Albert Uderzo „Asterix bei den Briten“) gelesen – bislang kannte ich nur die Filme.

Von Asterix zu den Römern ist es ja bekanntlich meist nicht weit und weil Rom schon seit langem zu meinen Sehnsuchtsorten gehört, ging es zumindest literarisch diesen Monat auf ganz unterschiedliche Weise auch noch zweimal in die ewige Stadt:
Der Leiter der Bibliotheca Hertziana in Rom Golo Maurer hat in seinem neuen Buch „Rom – Stadt fürs Leben“ eine ungeheuer kurzweilige, sehr persönliche Sicht auf die Stadt festgehalten. Kein Reiseführer zu touristischen Höhepunkten, sondern vielmehr ein Blick auf den Alltag und das Leben in der Stadt, den ich sehr, sehr gerne gelesen habe.

Und – obwohl ich sehr selten Geschichten lese – hat mich auch Jhumpa Lahiris Erzählband „Das Wiedersehen – Römische Geschichten“ sehr berührt. Sprachlich zauberhaft zu lesen sind diese erzählerischen, römischen Mosaiksteinchen, die Menschen, Gefühle und Lebenssituationen in den Mittelpunkt stellen und auch immer wieder anklingen lassen, was es bedeutet, fremd zu sein. Ein leises, feines und sehr eindrucksvolles Buch der in London geborenen Pulitzerpreisträgerin, die selbst lange mit ihrer Familie in Rom gelebt und das Werk in ihrer Wahlsprache Italienisch verfasst hat.

Eine Wucht von einem Buch, die mich regelrecht umgehauen hat, war der Debütroman von Beatrice Salvioni „Malnata“. Wie sich zwei Freundinnen in der Lombardei der Dreißiger gemeinsam durch die Widrigkeiten des Lebens kämpfen, ist bewegend und großartig zu lesen – ein starkes Buch und eine tolle neue Stimme aus Italien, die aufhorchen lässt!

Ein Mai wäre kein Mai ohne Neues aus dem Périgord von Bruno und Balzac! Frisch als Taschenbuch erschienen ist Martin Walkers „Troubadour“, der musikalisch und natürlich wie immer kulinarisch überzeugt, aber dieses Mal mit einem Kriminalfall aus dem Umfeld der katalanischen Separatistenbewegung auch für politischen Sprengstoff im beschaulichen Saint-Denis sorgt.

An einen besonderen Ort entführte mich auch Nicola Upsons Krimi „Wenn die Masken fallen“ – denn im magischen Minack Theatre an der Felsenküste Cornwalls ermittelt Josephine Tey gemeinsam mit ihrem Freund und Scotland Yard Inspector Archie Penrose in dessen alter Heimat und im Umfeld einer Freilichttheateraufführung. Ein stimmungsvoller Theaterkrimi – natürlich genau meins!

Gerade frisch für den Bachmann-Wettbewerb bzw. die „48. Tage der deutschsprachigen Literatur“ in Klagenfurt nominiert, die vom 26. bis 30. Juni 2024 stattfinden werden, ist unter anderem Johanna Sebauer. Ein willkommener Anlass für mich, endlich ihren Debütroman Nincshofzu lesen, der schon seit letztem Jahr bei mir im Regal stand. Ein beschauliches Dörfchen im Burgenland nahe der ungarischen Grenze mit schrägen, liebenswerten Bewohnerinnen und Bewohnern, die ihren Ort am liebsten in Ruhe für sich und von der Welt vergessen wissen wollen. Ein frisches, unkonventionelles Sommerbuch!

Ihre österreichische Heimat hat auch die Altausseerin Barbara Frischmuth (Jahrgang 1941) in ihrem autofiktional geprägtem Roman „Verschüttete Milch“ geschildert. Sie beschreibt Kindheit, Jugend und Aufwachsen in einer Gastronomen- und Hoteliersfamilie nach dem Krieg in einem kleinen Ort, der geprägt war und ist von Sommerfrischlern und manchmal ohne diese genauso wenig leben konnte wie mit ihnen. Eine zeitgeschichtlich interessante und atmosphärische Familiengeschichte aus dem steirischen Salzkammergut.

Was bringt der Juni?

Für die Juni-Lesekreislektüre gibt es ein Wiedersehen bzw. ein Wiederlesen von Francesca Melandris Roman Über Meereshöhe, den ich bereits hier auf der Kulturbowle vorgestellt habe.

Ich freue mich, dass die Burgenfestspiele hier in meiner Heimatstadt mit Carlo Goldonis „Diener zweier HerrenbeginnenCommedia dell’arte in Niederbayern bei hoffentlich dann trockenem Sommerwetter im schönen Prantlgarten – Theaterherz, was willst Du mehr.

Und der Festspielsommer beginnt – auch im Fernsehen zum Beispiel mit dem traditionellen Sommernachtskonzert in Schönbrunn, das dieses Jahr am 8. Juni um 20.15 Uhr von 3sat übertragen – und unter der Leitung von Andris Nelsons und mit der norwegischen Sopranistin Lise Davidsen unter anderem Musik von Wagner, Smetana und Schostakowitsch auf die Freiluftbühne im Schlosspark bringen wird.

Und wie immer freue ich mich auf das alljährliche Waldbühnenkonzert der Berliner Philharmoniker, das am 22. Juni um 20.15 Uhr von RBB und 3sat übertragen wird – die musikalische Leitung liegt bei Kirill Petrenko, Solistin ist die Pianistin Yuja Wang.

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Mai:
Mein Getränk des Monats ist ein beliebter, bretonischer Aperitiv – der Kir Breton ist eine Mischung aus Crème de Cassis und Cidre und eignet sich wunderbar als fruchtiger Sommer-Apéro.

Musikalisches im Mai:
Und auch musikalisch bleibe ich in Frankreich und bewege mich von der Küste mit Charles Trenets ChansonLa Mer“ in Richtung Lothringen mit Patricia Kaas’ Lied Une fille de l’est.

Heimatlose

Ich bin fast
Gestorben vor Schreck:
In dem Haus, wo ich zu Gast
War, im Versteck,
Bewegte sich,
Regte sich
Plötzlich hinter einem Brett
In einem Kasten neben dem Klosett,
Ohne Beinchen,
Stumm, fremd und nett
Ein Meerschweinchen.
Sah mich bange an,
Sah mich lange an,
Sann wohl hin und sann her,
Wagte sich
Dann heran
Und fragte mich:
»Wo ist das Meer?«

(Joachim Ringelnatz)

7 Kommentare zu „Maibowle 2024 – Meermomente und Mauerblümchen

    1. 🙂 Das mit der Autokorrektur kenne ich nur zu gut. Aber die meisten haben sicherlich ohnehin drüber gelesen und sofort verstanden, was gemeint ist. 😉 Ganz herzliche Grüße und ein wunderbares Wochenende! Barbara

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