Dezemberbowle 2024 – Ankommen und Glitzern

Der Dezember lässt sich meist in verschiedene „Zeitzonen“ bzw. zeitliche Abschnitte gliedern – die Adventszeit mit Vorfreude, Geschäftigkeit und letztlich – wie es bereits im Wort Advent steckt – einem Ankommen… Ankommen an den Weihnachtstagen und im Idealfall auch einem Ankommen bei sich. Nach dem Glitzern der Weihnachtstage und den Feierlichkeiten wird es zwischen den Jahren ruhiger und es bleibt etwas Zeit zum Nachdenken und Innehalten sowie Muße für umfangreichere Lektüren.

Wenig weihnachtlich, aber nicht weniger berührend und aufwühlend war der Theaterbesuch von „Mutter Courage und ihre Kinder“ im Landestheater Niederbayern. Eine sehr gelungene Inszenierung mit einer großartigen Antonia Reidel in der Hauptrolle… wer noch die Gelegenheit hat: große Empfehlung! Unbedingt anschauen!

Ein Advent ohne Musik ist für mich kein Advent, daher freue ich mich nicht nur jedes Jahr auf das Adventskonzert aus der Dresdner Frauenkirche (übrigens noch bis zum 01.12.2025 in der ZDF Mediathek verfügbar) und dieses Jahr auch über den Youtube-Adventskalender der Dresdner Frauenkirche, der mich täglich mit adventlicher, festlicher Musik auf die Weihnachtstage eingestimmt hat. Besonders schön zum Beispiel das „Christmas Lullaby“ von John Rutter hinter dem dreizehnten Türchen.

Weniger festlich und weihnachtlich, dafür aber sehr spannend, ging es in der vierten Staffel von „Vienna Blood“ zu, die auf den Liebermann-Krimis von Frank Tallis basiert und bezüglich Machart und Musik stark an „Sherlock“ erinnert – allerdings mit dem Freud’schen Wien Anfang des 20. Jahrhunderts an einen anderen Ort entführt.

Und dank Weihnachtsurlaub und der ruhigeren Zeit zwischen den Jahren war der Lesedezember wiederum sehr ergiebig und bot sich auch wieder dafür an, ein paar dickere Werke in Angriff zu nehmen.
Ich mag es, mich von einem Buch durch den Advent begleiten zu lassen. Dieses Mal fiel meine Wahl – für mich äußerst ungewöhnlich – auf Comics, denn im Reclam Verlag gab es ein kleines, gelbes Bändchen von Charles M. Schulz „Advent mit den Peanuts“, so dass mich Snoopy, Marcie, Lucy, Linus, Charlie Brown und Co Tag für Tag mit kurzen Geschichten in Vorweihnachtsstimmung brachten.

Der Lesekreis bescherte mir meine erste Lektüre eines Romans der preisgekrönten amerikanischen Autorin Elizabeth Strout mit ihrem neuesten Werk „Am Meer“, in welchem sie die Corona-Zeit literarisch umsetzt.

Es ist schon zu einer kleinen Tradition geworden, dass ich mir im Dezember eine der schönen Insel-Bücherei-Weihnachtsausgaben zulege und genieße: Dieses Jahr war dies Anthony Trollopes „Weihnachten in Kirby Cottage. Im Roman aus dem Jahr 1870 widerspricht die Pfarrerstochter der so dahingesagten Aussage „Eigentlich ist Weihnachten langweilig“ aufs Vehementeste. Vergnüglich – auch noch nach 150 Jahren.

Absolut begeistert und sehr berührend – ein Buch, das perfekt in die Weihnachtszeit passt – war Claire Keegans „Small Things like these“ (deutsch: Kleine Dinge wie diese). In Bloggerkreisen schon lange kein Geheimtipp mehr, aber ich kann mich den zahlreichen Lobeshymnen, die ich über diesen schmalen, aber doch so großartigen Roman bereits gelesen haben, nur aus vollster Überzeugung anschließen. Sicher nicht das letzte Werk der irischen Autorin, das ich gelesen habe.

Bei meinen „24 für 2024“ waren zu Beginn des Dezembers noch 3 Punkte offen, die ich immerhin alle noch lesen konnte, wenn ich es auch nicht mehr geschafft habe, ausführliche Rezensionen zu schreiben:
Als historischen Roman hatte ich mir „Die Villa der Architektin“ von Melania Mazzucco ausgesucht und bin ins Rom des 17. Jahrhunderts abgetaucht. Das Buch besticht durch gründliche Recherche und erzählt die Geschichte der Plautilla Bricci, die als Malerin und erste römische Architektin Pionierarbeit für Frauen in diesem Metier leistete.

Für meine Hundertjährigenbowle, d.h. Bücher zu lesen, die genau vor 100 Jahren erschienen sind, habe ich mir nicht Thomas Manns „Zauberberg“, sondern lieber den Künstlerroman „Verdi. Roman der Oper“ von Franz Werfel ausgesucht. Wie der alternde Verdi sich im melancholischen Venedig noch einmal zum Komponieren aufraffen möchte und doch ständig mit dem Konkurrenten Wagner hadert, war – auch 100 Jahre nach Erscheinen – gut und flüssig zu lesen.

Und zu guter Letzt war auch noch der Punkt offen, ein Buch zu lesen, das seit mehr als 2 Jahren in meinem Regal steht. Und Jess Kidds ungewöhnlicher Kriminalroman „Die Ewigkeit in einem Glas“ wartete dort schon seit Dezember 2020 auf die Lektüre. Relativ zu Beginn meiner Bloggerzeit wurde ich auf den Roman durch Rezensionen aufmerksam und jetzt habe ich es endlich geschafft, ihn selbst zu lesen. Mit der Privatdetektivin Bridie Devine steht eine unkonventionelle Ermittlerin mit Sinn fürs Übersinnliche im London des 19. Jahrhunderts ihre Frau und wird nicht nur mit dem düsteren Nebel über der Themse, sondern auch mit Geistern fertig.

Kommen wir jetzt aber zur Abteilung Hochkarätiges bzw. dickere, seitenstarke Kaliber zwischen den Jahren. Denn endlich war auch Zeit für Werke, die ich möglichst „unzerrupft“ bzw. jeweils länger am Stück lesen wollte:
Ein echtes Lesehighlight war auf jeden Fall Robert Harris’ neuer Roman „Abgrund“, denn wieder einmal ist es dem britischen Autor gelungen – basierend auf wahren historischen Begebenheiten – eine unerhört spannende Geschichte zu erzählen. Was für ein Plot! Ein über 60-jähriger Premierminister, der einer 27-jährigen jungen Londonerin aus besten Kreisen unzählige Liebesbriefe schreibt und ihr während die Welt im Jahr 1914 auf einen Krieg zusteuert hochgeheime und sensible Daten verrät. Spionage, Liebe, Politik, … – alles was es für eine packende spannende Geschichte braucht und eine fesselnde Geschichtsstunde zwischen zwei Buchdeckeln, die man nicht mehr aus der Hand legen kann. Wirklich brillant!

Das dickste Buch, das ich dieses Jahr gelesen habe war dann auch mit nicht ganz 1300 Seiten der letzte Band der Cormoran Strike-Reihe, d.h. Robert Galbraiths „Das strömende Grab“. Robin ermittelt dieses Mal undercover in einer gefährlichen Sekte und gerät dabei einmal mehr in große Gefahr. Im Vergleich zum Vorgängerband „Das tiefschwarze Herz“, hat mich dieser Fall erzählerisch wieder mehr überzeugt – allerdings braucht man bei diesem Wälzer nicht nur eine Lesetechnik für das Handling dieses wirklich auch physisch schweren Bandes, sondern eben auch die nötige Zeit.

Mit großer Spannung und Vorfreude erwartet habe ich auch das große Finale der Gereon Rath-Reihe mit Volker Kutschers „Rath“. Und was soll ich sagen? Erwartungen wieder erfüllt bzw. übertroffen, ein echter „Pageturner“ im besten Sinne, Spoilern möchte ich nicht (das soll am besten jeder selbst lesen). Aber so viel sei gesagt, je weiter man sich dem Ende nähert, um so mehr wünscht man sich, es möge doch noch irgendwie weitergehen… auch wenn die Reihe jetzt mit dem zehnten Band im Jahr 1938 wirklich in den dunkelsten Zeiten der Geschichte angelangt ist.

Und weil immer noch in Krimilaune, gab es darüber hinaus auch noch Kriminelles aus Großbritannien:
Einen weiteren Band von Nicola Upson mit der Schriftstellerin Josephine Tey als Hobbyermittlerin, die sich in „Die Schatten alter Sünden“ bei der Recherche für einen Roman im London der Dreißiger Jahre mit der Vergangenheit, Kindsmörderinnen und der Todesstrafe beschäftigt.

Bereits 1956 erschien der Krimi „Mord in der Charing Cross Road“ (englischer Originaltitel: „The Two Hundred Ghost“) von Henrietta Hamilton, dem Pseudonym der britischen Autorin Hester Denne Shepherd, der ein Pärchen namens Sally und Johnny einen Mordfall in einem Antiquariat aufklären lässt. Buchverrückte, denen die Charing Cross Road als DIE Straße der Buchhandlungen in London ein Begriff sein wird, werden vielleicht auch an diesem auf charmante Weise oldfashioned cosy Krimi im Buchmilieu ihre Freude haben.

Und sogar einen Silvester-Krimi habe ich dieses Jahr noch gelesen, und zwar im englischen Original: Tom Hindle „The Murder Game“ – bei einem Krimidinner in einem Hotel, das sich in einem abgelegenen und in die Jahre gekommenen Herrenhaus an der englischen Küste befindet, kommt tatsächlich ein Gast ums Leben. Und so verläuft der New Year’s Eve alles andere als harmonisch mit der Jagd nach einem echten Mörder – die deutsche Übersetzung soll im April 2025 bei Penguin erscheinen.

Was bringt der Januar?

Traditionell beginnt das neue Jahr für mich auch mit der ARTE-Übertragung des „Neujahrskonzerts aus dem Teatro La Fenice“ in Venedig um 18.15 Uhr am 1. Januar – 2025 mit Mariangela Sicilia und Francesco Demuro als Gesangsolisten unter der musikalischen Leitung von Daniel Harding.

In meinem Heimattheater startet das neue Jahr für mich mit dem Rodgers&Hammerstein-Musical „Sound of Music“, das alljährlich viele amerikanische Touristen nach Salzburg reisen lässt und bei uns dennoch immer noch relativ unbekannt ist.

Für den Blog wird es wie jedes Jahr wieder gleich zum Auftakt eine Neujahrsbowle mit Rück- und Ausblick sowie meinen 2024-Leseglanzlichtern geben.

Und natürlich ist es mir auch dieses Jahr ein Anliegen, allen Leserinnen und Lesern meiner Bowle einen schönen Silvester- bzw. Altjahresabend zu wünschen. Kommt munter, wohlbehalten und behütet in ein gesundes, gutes, glückliches und friedvolles neues Jahr 2025!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Dezember:
Zum Jahresabschluss gab es nochmal etwas Neues zu entdecken: Käsegebäck. Hat vielleicht auf den ersten Blick Ähnlichkeit mit Weihnachtsplätzchen, ist aber herzhaft und schmeckt sehr gut zu einem Gläschen Wein.

Musikalisches im Dezember:
Johann Sebastian Bachs „Magnificat“ hat mich – neben dem bereits vielfach hier erwähnten Weihnachtsoratorium – durch diesen Monat begleitet.

In der Neujahrsnacht

Die Kirchturmglocke
schlägt zwölfmal Bumm.
Das alte Jahr ist wieder mal um.
Die Menschen können sich in den Gassen
vor lauter Übermut gar nicht mehr fassen.
Sie singen und springen umher wie die Flöhe
und werfen die Mützen in die Höhe.
Der Schornsteinfegergeselle Schwerzlich
küsst Konditor Krause recht herzlich.
Der alte Gendarm brummt heute sogar
ein freundliches: Prosit zum neuen Jahr. 

(Joachim Ringelnatz)

10 Kommentare zu „Dezemberbowle 2024 – Ankommen und Glitzern

  1. Komm gut ins neue Jahr, liebe Barbara! Vielen Dank für deine immer interessanten literarischen und kulturellen Anregungen. Früher gab es bei meinen Eltern traditionell Bowle zu Silvester, aber auch mit einem Glas Spumante stoße ich gerne in Gedanken mit dir an. 🥂
    Alles Gute für dich und deine Lieben in 2025! AUGURI aus Italien von Anke

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    1. Vielen lieben Dank, Anke! Ja, Bowle wird es bei uns heute auch keine geben, aber ich wünsche Dir ebenfalls (mit virtuellem Sektglasklingen) einen guten Rutsch ins neue Jahr! Feiere schön und komm gut und wohlbehalten rüber in ein gesundes und glückliches neues Jahr! AUGURI aus dem nebligen Niederbayern! Barbara

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  2. Das Neujahrskonzerts aus dem Teatro La Fenice höre ich auch immer 🙂 Und Nicola Upsons Josephine Tey Krimis habe ich diesen Dezember auch für mich entdeckt – sooo schön!
    Wünsche Dir ein wundervolles 2025 – alles Liebe, Sabine

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    1. Dankeschön, liebe Sabine! Ich wünsche Dir ebenfalls ganz herzlich einen schönen und stimmungsvollen Jahreswechsel und vor allem einen guten Rutsch in ein gesundes, friedliches und glückliches neues Jahr 2025! Herzliche Grüße und auf ein Wiederlesen im neuen Jahr, Barbara

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  3. Liebe Barbara, ich sage es immer wieder, aber weil es so wahr ist. Dein Blog versprüht Fröhlichkeit und Lebensfreude. Dafür kann ich dir nicht genug danken! Guten Rutsch und ein frohes Neues, wünsche ich dir aus dem bereits sehr lauten Berlin!!

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    1. Lieber Alexander! Es freut mich, wenn Du das so empfindest. Ich denke, wir können alle etwas Zuversicht und Lebensfreude gebrauchen. Wenn es mir mit meinem Blog gelingt, etwas Fröhlichkeit in die Welt zu bringen, dann ist das wunderbar und mein Ziel schon erreicht. Herzliche Neujahrsgrüße und Prosit Neujahr aus dem winterlich-nebligen Landshut in die Hauptstadt! Barbara

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  4. Liebe Barbara, was für eine feine Bowle Du wieder zubereitest aus Lektüren aller Art, Theater und Musik, wunderbaren Fotoaufnahmen und dem Ringelnatz-Gedicht. Danke vielmals und ebenfalls viel Glück und alles Gute, Gesundheit und Wohlsein zum neuen Jahr 2025. Herzlich Bernd

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    1. Lieber Bernd! Vielen lieben Dank, dass Du mich mit meiner Bowle ins neue Jahr begleitet hast. Es freut mich, wenn die Dezemberbowle wieder gemundet und Geschmack gefunden hat und nehme das als Motivation und Ansporn mit ins neue Jahr! Ich wünsche Dir von Herzen ein gesundes, glückliches und friedliches neues Jahr 2025 mit Zuversicht und Gelassenheit, sowie weiterhin einem wachen, offenen Blick für die guten und schönen Seiten des Lebens!
      Prosit Neujahr und herzliche innerbayerische Neujahrsgrüße aus dem nebligen (Gott sei Dank jetzt wieder vom Wetter und nicht mehr von den Feuerwerkskörper verursacht) Landshut nach Nürnberg! Barbara

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