Die Ruhe auf dem Salzburger Sebastiansfriedhof wird empfindlich gestört, als dort die Leiche eines jungen Franziskanernovizen aufgefunden wird. Denn er liegt in keinem Grab und ist offensichtlich auch keines natürlichen Todes gestorben. „Salzburgwut“ – der mittlerweile zwölfte Fall der Krimireihe von Manfred Baumann – führt Kommissar Merana nicht nur in Kloster- und Kirchenkreise, sondern auch ins politische Milieu bzw. die lokale Führungsebene einer rechtspopulistischen Partei.
„Was für ein schöner Platz, kam es Merana in den Sinn. Welch beeindruckenden Anblick bot der Sebastiansfriedhof, eingebettet in prachtvolle gewölbte Pfeilerarkaden. Ein außergewöhnliches Schmuckstück. Und in diesem glanzvollen Ambiente mit barocken Wurzeln hatten sie heute einen Toten gefunden, auf brutale Weise mitten aus dem Leben gerissen.“
(S.56)
Der Sebastiansfriedhof in der Linzer Gasse zählt nicht umsonst zu einer der beliebten Sehenswürdigkeiten in Salzburg, die sich einen gewissen Geheimtippcharakter bewahrt haben. Normalerweise herrscht dort Ruhe, ab und an suchen Touristen das Familiengrab der Mozarts, in dem allerdings nicht der Meister selbst, sondern unter anderem nur seine Witwe Constanze von Nissen sowie ihre Mutter beerdigt wurden. Das Grab des berühmten Arztes und Naturphilosophs Paracelsus kennen und finden hingegen nur wenige.
Und doch hatte genau jener Paracelsus den jungen Novizen Elias vor kurzem erst ins Salzburger Kloster seines Ordens geführt, da er Forschungen über diesen Gelehrten anstellen wollte. Doch jetzt liegt der junge Mönch selbst erschlagen zwischen den Gräbern. War er zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde Opfer eines Kirchenräubers? Oder war er im Rahmen seiner Forschungen auf etwas gestoßen, das zu seiner Ermordung führte?
Kommissar Martin Meranas Ermittlungen gestalten sich nicht einfach, trifft er hinter Klostermauern nicht nur auf Beichtgeheimnis und Schweigegelübde, sondern stößt bald auch zu einer mysteriösen Verbindung des angehenden Mönchs zur Führungsebene der rechtspopulistischen Partei HPÖ, die in Salzburg immer mehr an Einfluss gewinnt.
Zwischen Friedhof, Kloster, Kirche und Parteizentrale entspinnt sich ein undurchsichtiges Beziehungsgeflecht, das weit zurück in die Vergangenheit und die Kindheit des Opfers zu reichen scheint, und das den Kommissar und seine Kollegen nicht nur an ermittlungstechnische, sondern auch an menschliche Grenzen bringt.
Baumann versteht es hervorragend, auch Salzburger Geschichte in seine Krimis einzuflechten und so für die Leserschaft ein Licht auf besondere, historische Momente und Hintergründe zu werfen. Dieses Mal zum Beispiel auf ein dunkles Kapitel des Franziskanerklosters:
„1938 beim Einmarsch der Nazis wurden wir Franziskaner in Salzburg vertrieben“, setzte Pater Leonhard fort. „Man nahm uns das Kloster weg. die Gestapo quartierte sich hier ein. Der Raum, in dem wir uns befinden, war ein besonderer. Hier wurde nicht nur verhört, es wurden auch Urteile ausgesprochen. Es waren, wie wir wissen, in erster Linie Todesurteile. Von hier aus wurden die Menschen in den Tod geschickt. In eines der Todesgefängnisse oder ins KZ.“
(S.121)
„Salzburgwut“ ist – wie es der Titel schon vorwegnimmt – ein für die Reihe ungewöhnlich politisch gefärbtes und wütendes Buch. Baumann bezieht Stellung und greift aktuelle gesellschaftliche und politische Strömungen in seinem Heimatland auf, die ihm offensichtlich Sorge bereiten. So legt er einem erfahrenen Polizisten zum Beispiel folgende Worte in den Mund:
„Ich bin im Dienst weit herumgekommen. Ich habe viel gesehen. Mir ist wenig fremd. Aber so viel Wut, wie man derzeit überall spürt, ist mir früher nie untergekommen. Es gibt so viel blanken Hass, dass einem das Fürchten kommt.“
(S.78)
Der Autor hat mit diesem neuesten Fall sein etabliertes Krimiformat für ein nachdenkliches – im idealsten Fall aufrüttelndes – Buch genutzt, das ernste und wichtige Töne anstimmt.
Ich mag Baumanns Konzept, jeweils spezifische Salzburger Orte in den Mittelpunkt seiner Krimis zu stellen, sei es Schloss Leopoldskron (in „Mörderwalzer“), den Mirabellgarten (in „Todesfontäne“) oder eben jetzt den Sebastiansfriedhof und das Franziskanerkloster in „Salzburgwut“, um nur einige Beispiele zu nennen.
Grundsätzlich eignen sich Baumanns Merana-Krimis hervorragend für alle, welche die schöne Stadt Salzburg bereits kennen- und lieben gelernt haben und mit ihm gedanklich an bekannte und unbekanntere Schauplätze flanieren wollen, aber auch für jeden Regiokrimi-Fan, der einen Besuch der Stadt an der Salzach plant und vielleicht noch vor sich hat, um schon einmal vorweg ein bisschen Atmosphäre und Lokalkolorit zu schnuppern.
Ich bedanke mich sehr herzlich beim Gmeiner Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.
Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.

Buchinformation:
Manfred Baumann, Salzburgwut
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-0902-8
***
Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Manfred Baumanns „Salzburgwut“:
Für den Gaumen:
Wer Kommissar Merana schon länger kennt, weiß, dass er kein Kostverächter ist und sehr gerne vor allem auch der gehobenen, italienischen Küche zuspricht. Dieses Mal bleibt aufgrund der Ermittlungen zwar wenig Zeit für ausgedehnte Restaurantbesuche, aber er verzichtet dennoch nicht auf eine gewisse Qualität:
„Auf der Heimfahrt hielt er an einem kleinen Lokal an. Er ließ sich etwas Salami, Käse, Oliven und Brot einpacken. Zu Hause genehmigte er sich dazu ein nur zur Hälfte gefülltes Glas Rotwein.“ (S. 71)
Zum Weiterhören:
Merana ist ein passionierter Musikhörer und Liebhaber klassischer Musik. Dieses Mal ist ihm stimmungsmäßig eines Abends nach einer Sinfonie von Gustav Mahler:
„Zuweilen wurde die gesamte sechste Sinfonie von Gustav Mahler unter dem Beinamen ‚Die Tragische‘ geführt.“ (S.71)
Für einen Ausflug oder zum Weiterklicken:
In Salzburg lohnt sich ein Besuch auf dem Sebastiansfriedhof, der eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlt. Auch wenn das Mausoleum des Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau für Besucher leider geschlossen ist, ist zumindest der Friedhof, in welchem auch das Grab von Paracelsus und das Familiengrab der Mozarts (jedoch natürlich nicht das von Mozart selbst!) liegt, tagsüber für die Öffentlichkeit zugänglich.




Zum Weiterlesen oder vorher lesen:
Die Reihe begleitet mich schon eine ganze Weile und die Bände 9, 10 und 11 hatte ich bereits auf dem Blog vorgestellt – für alle Interessierten geht es hier zu meinen Beiträgen zu „Salzburgsünde“, „Salzburgrache“ und „Mörderwalzer“.
Manfred Baumann, Salzburgsünde
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-0075-9
Manfred Baumann, Salzburgrache
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-0298-2
Manfred Baumann, Mörderwalzer
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-0494-8
Salzburg, schön! Im August war ich auf dem Kapuzinerberg. Den Sebastiansfriedhof merke ich mir vor. Dankeschön, Barbara und einen schönen Sonntag in den Süden Deutschlands, Bettina
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Dankeschön, Bettina! Ja, der Ausblick vom Kapuzinerberg ist toll. Und in Salzburg gibt es ja zum Glück immer wieder etwas Neues zu entdecken, wenn man mit offenen Augen und wachem Blick durch die Stadt flaniert.
Ich mag die Stadt sehr. Herzliche Sonntagsgrüße aus dem sonnigen und heute noch sommerlichen Niederbayern! Barbara
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Danke ☀️
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Auf dem Sebastiansfriedhof war ich erst bei meinem letzten Salzburgbesuch im Mai wieder. Das ist so ein schöner, ruhiger Ort. Einige Grabstätten sind aber auch recht gruselig.
Hab einen erholsamen Sonntag!
Liebe Grüße Christoph
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Dankeschön, Christoph!
Ich schaue dort eigentlich auch bei jedem Salzburgbesuch vorbei.
Irgendwie strahlt der Ort für mich etwas Friedvolles aus. Einen Schritt raus aus der Fußgängerzone und schon wird es ruhig.
Dir auch einen schönen (vermutlich letzten) Sommersonntag. Bei uns ist das Thermometer heute nochmal ordentlich in die Höhe geklettert, bevor dann morgen auch wettertechnisch der Herbst einziehen soll. Herzliche Grüße! Barbara
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