Rabenschwarzes Salzburg

Es ist schon fast zu einer schönen Tradition geworden, dass ich im Sommer – während der Festspielzeit in Salzburg – zu einem Salzburgkrimi von Manfred Baumann greife – und mich zumindest vom Lesesessel aus für eine Weile in die schöne Stadt an der Salzach begebe. Denn seit einiger Zeit erscheinen die neuen Fälle stets pünktlich im Sommer: Mit „Salzburgrache“ ist jetzt ein Jubiläumsband erschienen, denn Kommissar Merana löst mittlerweile bereits seinen zehnten Fall.

Baumann wählt sich meist einen besonderen Ort oder eine besondere Sehenswürdigkeit als Mittelpunkt für seine Krimis – der heimliche Star seiner Bücher ist im Grunde immer Salzburg und Umgebung. Dieses Mal steht vor allem die Festung Hohensalzburg im Fokus und wird zum Tatort. So erfährt man nebenbei allerlei Interessantes über das Wahrzeichen, das über der Stadt thront und einen grandiosen Ausblick auf die Umgebung bietet.

Denn am Fuße der Festung wird eine Leiche gefunden. Ein Mitarbeiter einer Werbeagentur, die gerade an einem Vermarktungskonzept für die Salzburger Burgen arbeitet, scheint aus großer Höhe abgestürzt oder gestoßen worden zu sein.

Merana beginnt zu ermitteln, obwohl er eigentlich dringend seine geliebte Großmutter besuchen müsste, die Geburtstag feiert, und der Fall scheint zunächst leider alles andere als übersichtlich zu sein. Denn schon bald kommt es zu einem weiteren Todesfall und wieder ist eine Burg im Spiel.

Doch er schafft es – auch dank seiner verständnisvollen und tatkräftigen Polizeikollegen – wenigstens doch kurz auf einen Besuch zur Großmutter, die auch dieses Mal wieder ihre besondere Gabe – denn sie ist eine „Gspürige“ wie es im Salzburger Dialekt heißt – unter Beweis stellt. Wer vielleicht schon den einen oder anderen Fall kennt, weiß, dass Merana’s Beziehung zu seiner Großmutter besonders eng ist, da sie ihn aufgezogen hat.

„Viele Leute schätzten seine Großmutter sehr. Das hatte er schon als Kind mitbekommen. Sie hatte es immer verstanden, anderen zu helfen. Manchmal auch dadurch, weil sie Dinge wahrnahm, die anderen verborgen blieben. „Die Kristina, die is a Gspürige“, hatte er einmal jemand sagen hören (…)“

(S.109)

Auch dieses Mal ist sie der weibliche Fixpunkt in Merana’s Leben, wohingegen sich die Lage an der Beziehungsfront weiterhin unübersichtlich gestaltet. Denn auch während der Ermittlungen kreuzen so manche Frauen seinen Weg…

In Summe ist dieser Band etwas düsterer angehaucht als die meisten der Vorgänger – stehen doch nicht die glanzvollen Festspiele oder Opernaufführungen im Mittelpunkt – sondern vielmehr ermittelt Merana auf zugigen Burgtürmen, in Folterkammern und hinter dicken Mauern.

Und sogar tierisch geht es dies Mal zu – wie schon am Cover zu erkennen, spielen Raben eine besondere Rolle. So bekommt der Burgrabe Konrad im Roman sogar eine eigene Stimme und darf seine Sicht der Geschehnisse erzählen…

Persönlich sagen mir die Fälle der Reihe, die im Kultur- oder Künstlermilieu spielen, wie z.B. „Jedermanntod“ oder „Zauberflötenrache“ aufgrund des Lokalkolorits und des Blicks hinter die Salzburger Kulissen etwas mehr zu, als der neue Fall, der eher in der Geschäftswelt, hinter den Hochglanzfassaden einer Werbeagentur aber auch auf Demonstrationen und im Querdenkermilieu angesiedelt ist.

Der Autor überzeichnet das Business-Geschwätz der Berater geschickt und gespickt mit englischen Plattitüden und Allgemeinplätzen satirisch und setzt sich auch kritisch mit Verschwörungstheorien und eskalierenden Protesten auseinander. Baumann hat also bereits hochaktuelle Themen und die neuesten Entwicklungen während der Pandemie in diesem Kriminalroman einfließen lassen.

Manche Dialoge hätten für meinen Geschmack gerne etwas natürlicher ausfallen dürfen, worüber ich aber gerne hinwegsehe, denn ich mag Merana als Ermittlerfigur, Genussmensch, Italienfan und Kulturinteressierten. Das lese ich einfach gerne und wenn es Querbezüge zur Oper gibt – wie dieses Mal zu „Don Giovanni“ – oder ich mehr über die Stadt, die Geschichte und die Bauwerke sowie die SalzburgerInnen erfahre, dann sind das für mich die großen Stärken dieser Krimis: der Lokalkolorit, eine sympathische Hauptfigur und die Bezüge zu Salzburgs lebendiger Kulturszene.

Wer Salzburg liebt und von Zeit zu Zeit gerne mal einen Regionalkrimi liest, der ist daher bei Manfred Baumann’s Merana-Reihe gut aufgehoben.
So wie man Salzburger Nockerl einfach mal probiert haben muss – wenn man sie dann auch sicher nicht täglich verspeisen wird – so freue ich mich stets auf den nächsten Fall und tauche einmal im Jahr gerne lesend ab in die quirligen Gassen, das Kulturgeschehen und die ehrwürdigen Gemäuer Salzburgs.

Bei den Salzburger Festspielen, die noch bis zum 31. August 2022 laufen, steht neben dem Jedermann auf dem Domplatz auch immer große Oper auf dem Programm – daher noch ein Tipp:
Heute Abend (Samstag, 20. August 2022 um 20.15 Uhr) wird die Neuinszenierung der Janácek-Oper „Kát’a Kabanová“ unter der Regie von Barrie Kosky von den Salzburger Festspielen aus der Felsenreitschule auf 3Sat ausgestrahlt. Mit Corinne Winters und Evelyn Herlitzius in den Hauptrollen, bekam die Produktion bisher sehr gute Kritiken. Da ich die Oper bislang noch nicht kenne, werde ich eine Wissenslücke schließen und bin schon sehr gespannt.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Gmeiner Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.

Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.

Buchinformation:
Manfred Baumann, Salzburgrache
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-0298-2

***

Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Manfred Baumann’s „Salzburgrache“:

Für den Gaumen:
Kommissar Merana ist einem guten Tropfen niemals abgeneigt. Bei seiner Großmutter wird der Geburtstag mit einem Kriecherlbrand gebührend gefeiert. Beim Rotwein darf es gern ein Nero d’Avola sein.

Zum Weiterhören:
Durch den Roman bin ich auf die Lungauer Band „Querschläger“ aufmerksam geworden. Denn der Autor zitiert immer wieder eine Textzeile aus einem ihrer Songs – die ihn auch dazu inspirierte den Raben Konrad in die „Salzburgrache“ einzubauen.
So habe ich beim Stöbern im Repertoire der Band unter anderem eine wunderbare Ballade für mich entdeckt „alls in dir selba“ (wer möchte, kann hier reinhören).

Für einen Ausflug oder Museumsbesuch:
Baumann’s Krimis nehmen den Leser stets mit zu den Sehenswürdigkeiten in und um Salzburg: Dieses Mal stehen neben der Festung Hohensalzburg, der Burg Hohenwerfen unter anderem auch wieder die Wasserspiele in Schloss Hellbrunn im Zentrum des Geschehens. Diese liegen Merana besonders am Herzen:

„Ich mag Hellbrunn“, begann Merana schließlich. „Ich liebe die ganze Anlage. Manchmal laufe ich in aller Früh von meiner Wohnung in Aigen hierher, stelle mich in den Schlosshof, erwarte den Sonnenaufgang. Oder ich schlendere an den Weihern entlang, schaue zu, wie die bewundernswert majestätischen Störe durchs Wasser gleiten. Es beruhigt mich. (…) Diese Anlage strahlt Ruhe aus, Stärke, Schönheit, Harmonie. Wenn man es zulässt, überträgt sich diese Gelassenheit auf einen selbst. (…)“

(S.196)

Zum Weiterlesen (I):
Als Hauptschauplatz dienten die Hellbrunner „Wasserspiele“ bereits im zweiten Fall der Merana-Reihe von Manfred Baumann. Wer also noch ein wenig länger literarisch dort verweilen möchte, hat hier eine gute Gelegenheit:

Manfred Baumann, Wasserspiele
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-1200-4

Zum Weiterlesen (II):
Für alle die neu auf meine Kulturbowle gestoßen sind oder sich vielleicht nicht mehr erinnern: Letztes Jahr habe ich bereits den neunten Fall „Salzburgsünde“ hier auf dem Blog vorgestellt:

Manfred Baumann, Salzburgsünde
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-0075-9

5 Kommentare zu „Rabenschwarzes Salzburg

    1. Ja, Salzburg im Sommer, das ist etwas Schönes… auch wenn es bei mir dieses Mal nur literarisch geklappt hat.
      Aber auch mich zieht es in unregelmäßigen Abständen immer wieder in diese Stadt. Mal sehen, wann es wieder soweit sein wird… Sonnige Sommergrüße! Barbara

      Gefällt 1 Person

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