Manchmal braucht man Ruhe. Ein wunderbares Buch, um den Zauber der Stille zu erkunden und zu sich selbst zu kommen, ist Patrick Leigh Fermor’s Reise- und Erfahrungsbericht „Eine Zeit der Stille – Zu Gast in Klöstern“ aus dem Jahr 1957, das jetzt in einer sehr schönen, warmroten Leinenbindung im Dörlemann Verlag wieder neu aufgelegt wurde. Die Lektüre ist geradezu magisch und meditativ und schenkte mir eine wunderschöne Lesezeit mit Muße und guten Gedanken.
In den Fünfziger Jahren besuchte Patrick Leigh Fermor (1915 – 2011) verschiedene Klöster in Frankreich und Kappadokien und verbrachte dort jeweils längere, teils mehrwöchige Aufenthalte. Er tauchte ein in den Klosteralltag und das Leben der Mönche.
„Denn in der Abgeschiedenheit der Zelle – die Stille dieses Lebens wird nur unterbrochen durch die schweigend eingenommenen Mahlzeiten, feierliche Gottesdienste und lange, einsame Spaziergänge durch den Wald – wird der reißende Strom der Gedanken ruhig und klar, und vieles, was man versteckt hat, und alles, was das Wasser trübt, steigt an die Oberfläche und kann abgeschöpft werden; nach einer Weile erreicht man einen in der Welt dort draußen unvorstellbaren Zustand inneren Friedens.“
(S.11)
So beschreibt er seine Aufenthalte im Kloster St. Wandrille de Fontanelle in der Nähe von Rouen, in Solesmes und im strengen Trappistenkloster „La Grande Trappe“ in Frankreich, um schließlich mit einem kurzen Abstecher zu den Felsenklöstern in Kappadokien zu enden.
In einer Zeit, in der noch niemand wusste, was ein Wellnessurlaub ist, nutzte Fermor die Ruhe, die Abgeschiedenheit und die Gastfreundschaft in den Klöstern, um ungestört an seinen Büchern zu arbeiten und verfiel – obwohl selbst nicht tiefgläubig – der Faszination des regelmäßigen, fest vorgegebenem Tages- und Lebensrhythmus im Kloster.
Er beschreibt die Wirkung, welche die dramatische Änderung des Tagesablaufs auf ihn hat: der veränderte Schlafrhythmus, der Verzicht auf Alkohol, das Schweigen, die Teilnahme an der Liturgie und den Gebeten, die gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten.
Er fächert die oft wechselvolle Geschichte der jeweiligen Klöster auf, beschreibt Umgebung, Natur und Gebäude, seine Eindrücke von großartigen Bibliotheken, Refektorien und Kirchenschiffen.
Und vor allem erzählt er auch von den Äbten und Mönchen, die ihm begegnen: von den Menschen, die sich für diese so besondere Art zu leben entschieden haben, über ihre Motivation und Beweggründe. Fermor beobachtete exakt, war ein genauer und guter Zuhörer und beschreibt mit einer Präzision und Intensität, die ihresgleichen sucht.
Der Autor, der vor allem für seine Reiseliteratur bekannt wurde, gilt als begnadeter Stilist, was ich nach diesem Leseerlebnis aus tiefster Überzeugung unterschreiben würde. Auch mich hat die Sprache – in einer hervorragenden deutschen Übersetzung von Dirk van Gunsteren – und seine lebendige Art zu Beschreiben zutiefst fasziniert. Es ist ein Genuss, diese Prosa zu lesen und man sieht sowohl die Landschaft, die Gebäude, aber auch die Mönche geradezu lebensecht vor sich.
Es ist faszinierend, den Autor beim Eingewöhnen in das Klosterleben und dem anschließenden Entwöhnen zu begleiten. Er hat ein zeitloses Werk geschaffen, das gerade in der heutigen Zeit, in welcher Menschen sich für Minimalismus interessieren und Entschleunigung suchen, kaum aktueller sein könnte.
„Ich glaube, es dauerte etwa vier Tage, bis sich diese Veränderung bemerkbar machte. Ich empfand jene Verlorenheit, jene Einsamkeit und Leere, die den Wechsel von exzessivem städtischen Leben zu ländlicher Abgeschiedenheit stets begleitet.“
(S.39)
Für mich war die Lesezeit von „Eine Zeit der Stille“ ein kostbarer Moment, in dem die Zeit stehengeblieben ist, eine Auszeit von Alltag, Hektik und schlechten Nachrichten: ein durch und durch friedlicher, ruhiger und beruhigender Augenblick.
Es ist kein Buch, dass man an einem trubeligen, lauten und überfüllten Strand lesen sollte, sondern an einem stillen Lieblingsort, der es zulässt, die Lektüre wirklich ungestört und in Ruhe zu genießen. Und der die Möglichkeit bietet, sich die feine Sprache und zeitlose Stilistik auf der Zunge zergehen zu lassen.
„Jenes erste Mysterium jedoch, das der Fremde empfindet, der sich für einige Zeit in einem Kloster aufhält – die langsame, sich steigernde Wirkung heilender Stille -, hat nichts von seinem Zauber verloren.“
(S.130)
Ein Buch über die „Faszination Kloster“ und das hohe Gut der Stille, die doch häufig so schwer zu finden ist. Eine besinnliche, wohltuende und in jeder Hinsicht zauberhafte Lektüre – ein Buch wie ein Geschenk zur richtigen Zeit.
Buchinformation:
Patrick Leigh Fermor, Eine Zeit der Stille – Zu Gast in Klöstern
Aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren
Dörlemann
ISBN: 978-3-03820-103-8
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Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Patrick Leigh Fermor’s „Eine Zeit der Stille“:
Für den Gaumen:
Die erste Mahlzeit, die Patrick Leigh Fermor beschreibt, lässt wenig zu wünschen übrig – nur der von ihm erwartete bzw. erhoffte Rotwein bleibt aus:
„Inzwischen trugen der Gastpater und eine Schar beschürzter Mönche das Essen auf: Gemüsesuppe und zwei hart gekochte Eier pro Person, gefolgt von Linsen mit Kartoffeln, Endiviensalat und Camembert, zu dem wir vorzügliches Brot aus der Klosterbäckerei aßen. (…) doch die Metallkannen auf unseren Tischen enthielten leider nur Wasser.“
(S.24)
Zum Weiterhören:
Der Autor beschreibt auch die Wirkung und die Faszination, welche die gregorianischen Choräle auf ihn ausgeübt haben.
„Angeführt von einem Chor von Mönchen, die im Mittelgang standen, wurde der Gesang immer komplexer. Ihre Stimmen intonierten das Muster, das die schwarzen gregorianischen Quadratnoten mit ihren kometenhaften Schweifen und maurisch wirkenden Arabesken in der alten, vierzeiligen Notation auf den Seiten ihrer Graduale woben.“
(S.54)
Zum Weiterschauen und Weiterlesen:
Landshut war und ist eine Stadt der Klöster – auch wenn mittlerweile einige Klöster aufgegeben wurden, prägen die Geschichte und die Klostergebäude das Stadtbild und auch die Schullandschaft bis heute. 2018 wurden die Räumlichkeiten des Landshuter Ursulinenklosters – dessen letzte 14 Ordensschwestern ihr Kloster 2016 verlassen hatten und gemeinsam in ein Münchner Altersheim umgezogen waren – im Rahmen einer hochinteressanten Ausstellung des Diözesanmuseums Freising der Öffentlichkeit zugänglich gemacht: „Zugeneigt – Leben, Lernen, Glauben im Ursulinenkloster Landshut“.
Die Besucher konnten einen Eindruck in die klösterliche Lebenswelt, das Gebäude, den Klostergarten und auch in die Kunstschätze und die schulischen Aktivitäten der Schwestern erhalten. Sogar die Räume der einstigen Klausur, d.h. dem Bereich, der früher ausschließlich den Ordensfrauen vorbehalten war, wurden für die Ausstellungsbesucher geöffnet. Ein interessanter Blick hinter die Klostermauern mitten im Herzen der Stadt.
Zugeneigt – Leben, Lernen, Glauben im Ursulinenkloster Landshut
Katalog zur Ausstellung des Diözesanmuseums Freising
Im Kloster der Ursulinen in Landshut (12. Mai bis 11. November 2018)
Herausgegeben von Christoph Kürzerer
Diözesanmuseum Freising
ISBN: 978-3-930618-07-1


Danke Barbara,
für die Buchvorstellung und auch die Bezüge zur Klosterkultur in Deiner Stadt.
Schöne Grüße Bernd
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Bitteschön, Bernd. Ich wünsche Dir heute einen schönen Sonntag und sende herzliche Grüße nach Nürnberg! Barbara
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Und genau derer Momente kann man im Augenblick gar nicht genug haben. Danke für den Tipp!
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Ja, ich glaube diese Bedürfnis nach etwas Stille und Ruhe haben momentan viele. Gern geschehen!
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