Oktoberbowle 2023 – Blättertanz und Kastanienregen

Das Wetter bescherte uns in der ersten Monatshälfte noch wirklich goldene Tage, die sogar dazu einluden, nochmal die eine oder andere Mahlzeit im Freien einzunehmen, aber trotz allem war dieser Oktober kein einfacher, kein unbeschwerter Monat. Etwas Trost und Ablenkung bot der zauberhafte Blättertanz in bunten, leuchtenden Farben und der Kastanienregen in der Natur ebenso wie das Abtauchen in gute Bücher.

Und zudem begann für mich endlich die neue Theaterspielzeit des Landestheaters Niederbayern, und zwar gleich mit zwei Komödien: „Und ewig rauschen die Gelder“ – einer Boulevardkomödie von Michael Cooney auf der großen Bühne – mit Türenschlagen und all den Irrungen und Wirrungen, die das Genre auszeichnen.

Und als Studioproduktion im Landshuter Salzstadel eine wirklich sehr gelungene und mitreißende Inszenierung von „Der Messias“ des britischen Autors Patrick Barlow, die mich einen Abend lang wirklich herzhaft lachen ließ. Wie Jochen Decker und Joachim Vollrath unterstützt von Paula-Maria Kirschner als Frau Timm die Weihnachtsgeschichte gleichsam als „Two Men-Show“ mit minimalen Requisiten und ganz viel Spielfreude auf die Bühne bringen, ist einfach grandios!

Denn was kümmern mich Bilanzen, lass uns tanzen“

(aus dem Lied „Ein Tag wie Gold“ von Max Raabe)

Nicht nur der Soundtrack von Max Raabe ist großartig, sondern auch die vierte Staffel von „Babylon Berlin“, die in der ARD ausgestrahlt wurde und noch bis zum 14.02.24 in der Mediathek verfügbar ist, ist definitiv sehenswert.

Und tatsächlich habe ich – völlig ungewöhnlich – noch eine weitere Serie gesehen im Oktober, und zwar die BBC-Serie „Mord auf Seite eins“ (Originaltitel: State of Play) aus dem Jahr 2003, die aktuell (und noch bis zum 16.02.2024) in der ARTE Mediathek abrufbar ist. Wer London schätzt und Journalismus-Krimis (à la „Die Unbestechlichen“ mit Redford/Hoffmann) mag, wird an diesen sechs Folgen (mit je 52 bzw. 53 Minuten) sicher Gefallen finden – spannend!

Und auch zwei deutsche Krimis seien noch erwähnt, die lobenswerterweise aus dem üblichen Rahmen fallen und ebenfalls noch in der ARD Mediathek (bis zum 10.10.24) zu sehen sind: „Sörensen hat Angst“ und „Sörensen fängt Feuer“ mit einem starken Bjarne Mädel als Hauptdarsteller und Regisseur. Nach den Hörspielen konnten mich jetzt auch die Verfilmungen von Sven Strickers (Hör)büchern überzeugen. Wer mehr über die Bücher wissen möchte, dem sei Annas Beitrag auf buchpost ans Herz gelegt.

Angesichts der doch wieder beachtlichen Menge an Lektüren, die im Oktober zusammengekommen sind, versuche ich mal wieder, mich etwas kürzer zu fassen.

Literaturgeschichtlich interessant und sehr gut zu lesen, ist Lea Singers Roman Die Heilige des Trinkers, in dem sie Andrea Manga Bell – die langjährige Partnerin von Joseph Roth – in den Mittelpunkt stellt und so aus dem Schatten des Schriftstellers holt.

Den 3. Oktober nehme ich meist gerne zum Anlass, mich literarisch mit der deutsch-deutschen Geschichte zu beschäftigen: Dieses Jahr fiel meine Wahl auf Brigitte Reimanns Roman „Die Geschwister“, der mich sehr beeindruckt hat.

Wunderbar in den Leseherbst passten für mich die nordischen Romane von zwei geschätzten Autorinnen: Jarka Kubsovas „Marschlande über die historische Figur der Hamburgerin Abelke Bleken, die aufgrund des Vorwurfs der Hexerei 1583 verbrannt wurde und Dörte Hansens Roman Zur See, der mich auf eine Nordseeinsel entführte.

Von der Lesekreislektüre hatte ich mir persönlich im Vorfeld etwas mehr erwartet: Alex Capus „Susanna“ ist für meinen Geschmack nicht das stärkste Buch des Autors. „Léon und Louise“ oder „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ habe ich in deutlich besserer Erinnerung und konnten mich mehr überzeugen.

Für kurzweilige und amüsante Krimiunterhaltung mit viel Wiener Schmäh sorgte Constanze Scheibs dritter Fall der gnä’ FrauMord im Dreivierteltakt. Humorvoll, witzig und mit dem „Siebziger-in-Wien“-Flair für mich wieder ganz großes Kino!

Außerdem habe ich mich diesen Monat literarisch etliche Male nach Venedig begeben und mit Willem Bruls „Venedig und die Oper“ und Donna Leons „Über Venedig, Musik, Menschen und Bücher“ viel über die Stadt und auch die musikalischen Aspekte erfahren.

Tiziano Scarpas preisgekrönter Roman „Stabat mater“ beschäftigt sich explizit mit Antonio Vivaldi und der Geschichte eines Waisenmädchens, das im Ospedale della Pietà Musikunterricht beim „prete rosso“ erhält.

Auch einer meiner Lieblingsautoren ist großer Venedig-Liebhaber: In „Venedig – Eine Verführung“ nimmt Hanns-Josef Ortheil die LeserInnen mit auf einen Tag in der Lagunenstadt voller kulinarischer und kultureller Höhepunkte und in seinem Roman „Der von den Löwen träumte“ erzählt er über Ernest Hemingways Zeit dort und die Entstehung dessen Romans „Über den Fluss und in die Wälder“ (den ich jedoch nicht gelesen habe).

Ins venezianische Ghetto und auf Shakespeares Spuren wandelte ich mit Mirjam Presslers JugendbuchShylocks Tochter, das mir wieder mal vor Augen führte, welch großartiges Werk die Autorin hinterlassen hat, die ihre letzten Lebensjahre in meiner Heimatstadt Landshut verbracht hat.

Über das Verhältnis zu seiner Mutter, die den Holocaust überlebt hat, erzählt Michel Bergmann in Mamelebenund einen eindringlichen, schmerzhaften, aber so wichtigen Zeitzeugenbericht aus erster Hand hat Cordelia Edvardson (1929 – 2012) mit Gebranntes Kind sucht das Feuer verfasst, in dem sie über ihre persönliche Geschichte und auch die Zeit in Theresienstadt und Auschwitz berichtet.

Mit Nicole Upsons Krimi „Experte in Sachen Mord“ habe ich eine neue Krimiautorin für mich entdeckt, die spannenderweise eine Krimiautorin zur Hauptfigur ihrer Romane macht und zwar lässt sie Josephine Tey – von der ich ebenso schon Bücher – zum ersten, zum zweiten, zum dritten – hier auf der Bowle vorgestellt habe – im ersten Band ihrer Krimireihe in der Theaterszene des Londoner Westends ermitteln. Genau mein Fall und sicherlich nicht der letzte Band, den ich von Upson gelesen habe.

Und ja, ich habe tatsächlich ein zweites Pandemie-Buch gelesen: Ben Aitkens „The Marmalade Diaries hat mich wirklich berührt, mich trotz alledem zum Lachen gebracht und ich habe es sehr, sehr gerne gelesen. Ein Buch über das ich – hoffentlich bald – definitiv noch ausführlicher berichten möchte und vermutlich mein Geheimtipp des Monats.

Was bringt der November?

Ich freue mich auf einen besonderen Monat mit Zeit für etwas frischen Wind, neue Impulse und Inspiration, so dass dem allgemein als grau und dunkel gefürchteten Monat hoffentlich etwas Farbe und Licht eingehaucht werden kann.

Und feine Musik darf natürlich auch nicht fehlen:
ARTE strahlt am 19. November um 17.25 Uhr das Antrittskonzert von Joana Mallwitz als Chefdirigentin des Berliner Konzerthauses aus: Gustav Mahlers Symphonie Nr.1.

Eine feine Tasse Tee, ein gutes Buch, ein schöner Theaterabend oder ein Herbstspaziergang – nehmt Euch Zeit für Euch selbst und tut Euch etwas Gutes! Ich wünsche allen einen gesunden, guten, friedlichen, besinnlichen und inspirierenden November!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Oktober:
Eine ordentliche Prise Mut erfordert die Zubereitung von einem – für meinen Geschmack – mörderisch guten Pasta-Gericht: Spaghetti all’assassina. Die Nudeln werden in der Pfanne geröstet, karamellisiert und dann durch schrittweises Zugeben von Tomatenbrühe (ähnlich wie bei Risotto) in der Pfanne gekocht. Wunderbar cremig.
Rezepte finden sich unter anderem bei tastybits oder authentisch-italienisch-kochen. Ich habe das Rezept von Elisabeth Raether aus dem ZEIT Magazin verwendet.

Musikalisches im Oktober:
Seit meinem Theaterbesuch der Landshuter Inszenierung von „Der Messias“ begleitet mich „The Book of love“ in der Cover-Version von Peter Gabriel als Oktober-Ohrwurm. Das Streicher-Intro, das Getragene, Romantische – wunderbare Musik!

Im Herbst

Der schöne Sommer ging von hinnen,
Der Herbst, der reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
So manches feine Festgewand.

Sie weben zu des Tages Feier
Mit kunstgeübtem Hinterbein
Ganz allerliebste Elfenschleier
Als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.

Ja, tausend Silberfäden geben
Dem Winde sie zum leichten Spiel,
Sie ziehen sanft dahin und schweben
Ans unbewußt bestimmte Ziel.

Sie ziehen in das Wunderländchen,
Wo Liebe scheu im Anbeginn,
Und leis verknüpft ein zartes Bändchen
Den Schäfer mit der Schäferin.

(Wilhelm Busch, 1832 – 1908)

11 Kommentare zu „Oktoberbowle 2023 – Blättertanz und Kastanienregen

  1. Liebe Barbara,
    dankeschön für Deinen bunten Oktober.
    Da schon wieder so viel neuer Krieg ist, ist mir nicht nach Krimis.
    Dieser Tage in der Staatsoper Nürnberg gesehen: „Mathis der Maler“.
    Doch auch ein Krimi von Paul Hindemith …
    Du hast wieder eine ganze Liste von Lektüre, einen schönen Bilderbogen und ein zusammengesponnenes Gedicht von Wilhelm Busch.
    Gute und friedliche Wünsche für den November
    herzlich Bernd

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    1. Lieber Bernd,
      dass einem aktuell nicht nach Krimis ist, kann ich sehr gut verstehen.
      Meine gelesenen Krimis im Oktober mit der gnä‘ Frau (von Constanze Scheib) und mit Josephine Tey (von Nicola Upson) habe ich ausgewählt, weil sie eher von der unblutigen, ruhigeren und unterhaltsam-humorvollen Sorte sind und beide im Theatermilieu spielen.
      Ich habe gerade voller Neugier die Kritik auf BR-Klassik zur Nürnberger Inszenierung von Hindemiths „Mathis der Maler“ gelesen – ein Werk, das ich persönlich nicht kenne – und das klingt auch nach einem packenden Abend… und ja, auch nach einem Krimi, an dem sich die Geister wohl scheiden können.
      Auch ich wünsche Dir von Herzen einen vor allem friedlichen und inspirierenden November!
      Herzliche Herbstgrüße nach Nürnberg! Barbara

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