Was fällt einem ein, wenn man Leipzig hört? Einem buchaffinen Menschen vermutlich sofort die Buchmesse, Geschichtsinteressierten die Nikolaikirche, die Montagsdemonstrationen und die friedliche Revolution, Musikliebhabern das Gewandhausorchester, die Thomaner und Johann Sebastian Bach, Sportbegeisterten vielleicht auch der Fußballclub…
All das spielt in Monique Scharmachers Leipzig-Krimi „Tödliches Allerlei“ keine Rolle und doch stecken andere Schauplätze und Aspekte der sächsischen Stadt, die laut Wikipedia bezüglich der Einwohnerzahl den achten Rang der deutschen Großstädte belegt, im Roman.
Bereits die Zusammenfassung auf der Rückseite des Buches verrät bzw. spoilert so Manches: „Leipzig – drei Tage, drei Sehenswürdigkeiten, drei Opfer“ und wie man dem stimmungsvollen Umschlagsbild entnehmen kann, ist eine davon das berühmte Völkerschlachtdenkmal, das 1913 eingeweiht wurde und an die große, entscheidende Schlacht im Oktober 1813 erinnert. Ein guter Grund, die Lektüre als willkommenen Anlass zu nehmen, auch das Geschichtswissen diesbezüglich mittels Internetrecherche wieder ein wenig aufzufrischen.
„Am Rande des Beckens hielt Susanne für einen kurzen Augenblick inne. Das raue Wetter an diesem Morgen machte Reflexionen unmöglich, aber von vergangenen Besuchen wusste sie, dass sich das Denkmal ansonsten als Spiegelbild auf der ruhigen Oberfläche des Wassers wiederfand. Der massive Bau ragte auf der anderen Seite empor. Tagsüber war dies ein Touristenmagnet, viele Besucher erklommen verbissen die 364 Steinstufen bis zur obersten Plattform.“
(S.13/14)
Und keine Angst, um die Spannung zu wahren, werde ich hier selbstverständlich keine weiteren Tatorte oder Details zu den noch folgenden Verbrechen mehr verraten.
Susanne Mayer, die Hauptermittlerin ist vor kurzem in ihre Heimatstadt Leipzig zurückgekehrt und muss sich ihre Position im Team wieder neu erkämpfen. Auch bei der Aufklärung des Falls rund um die Leiche, die in der Krypta des Völkerschlachtdenkmals gefunden wurde und bei welcher aufgrund eines aufdringlichen Bittermandelgeruchs sofort der Verdacht auf eine Cyanidvergiftung aufkommt, geht es im Team der Leipziger Kriminalpolizei nicht sonderlich harmonisch zu. Immer wieder gibt es Reibereien, Eifersüchteleien und Kompetenzgerangel.
Und was hatte es mit der merkwürdigen Verkleidung des Toten auf sich, der die historische Uniform eines französischen Soldaten trägt und in einem Verein aktiv war, der sich mit der Geschichte Leipzigs beschäftigt? Denn Kostüme und Verkleidungen werden im Laufe der Ermittlungen eine nicht unerhebliche Rolle spielen…
Auch wenn es herbstelt und der Fall in der dunklen, feuchten Jahreszeit spielt, hat Scharmacher mit ihrem Krimi-Debüt keinen blutrünstigen, schwermütigen, düsteren Band verfasst, sondern nimmt ihre Figuren auch mal auf die Schippe und nicht allzu ernst, wenn zum Beispiel im Historienverein Konflikte mittels Wettessen bzw. „Käsekuchen-Gerangel“ (S.45) ausgetragen werden oder sich die Teammitglieder der Ermittlergruppe in ständigen Nicklichkeiten in den Haaren liegen. Da hat die 1985 in Leipzig geborene Autorin auch so manche humoristische Zutat in ihren Regiokrimitopf gerührt.
Das berühmte Leipziger Allerlei ist eine bunte Gemüsemischung unter anderem aus Erbsen, Karotten, Spargelköpfen, Sellerie, Bohnen oder aber auch Morcheln, Blumenkohl usw. Und auch Scharmachers Krimi ist ähnlich bunt zusammengewürfelt und verbindet eine Prise Leipziger Lokalkolorit (die für meinen Geschmack gerne auch noch ausgeprägter hätte sein dürfen), einen Hauch Stadtgeschichte mit einem Spritzer Dialekt und einer ordentlichen Handvoll konfliktgeladener Teamdynamik in der Ermittlergruppe.
Zwischendurch darf auch mal etwas „gesächselt“ werden, so dass ein Neuzugang aus Bielefeld im Polizeiteam durchaus auch mal Verständnisschwierigkeiten haben kann.
„Na isch würde ma saachen, der is mucksmäuschendot.“
(S.64)
„Tödliches Allerlei“ ist so – mit gerade einmal 171 Seiten – ein leichtes Krimi-Häppchen für Zwischendurch, das nicht schwer im Magen liegt und das stellenweise sogar bezüglich der regionalen Anspielungen gerne noch etwas mehr Würze vertragen hätte, das sich jedoch zum Beispiel hervorragend und entspannt auf einer Zugfahrt in die schöne Stadt Leipzig lesen lässt.
Leipzig hat im wahrsten Sinne des Wortes „allerlei“ zu bieten und vielleicht fällt so mancher Leserin oder manchem Leser nach der Lektüre dieses Krimis dann sogar noch das eine oder andere mehr ein, wenn er Leipzig hört.
Ich bedanke mich sehr herzlich bei der Autorin und beim Gmeiner Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.
Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.

Buchinformation:
Monique Scharmacher, Tödliches Allerlei
Gmeiner Verlag
ISBN: 978-3-8392-0309-5
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Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Monique Scharmachers „Tödliches Allerlei“:
Für den Gaumen:
Auch wenn ihr der Appetit so manches Mal vergehen mag, die „Streuselschnecken“ (S.90) einer Leipziger Bäckerei sind Susanne Mayers favorisiertes Gebäck.
„Ob es an einer extra Portion Butter oder einem großzügigen Schwung Zucker lag, konnte sie nicht sagen, aber die Teilchen schmolzen in ihrem Mund.“
(S.90)
Zum Weiterlesen (I):
Nachdem ich dieses Jahr auch auf meiner „23 für 2023“-Liste einen Leipzig-Roman stehen hatte, habe ich bereits früh im Jahr Bettina Wilperts „Herumtreiberinnen“ hier auf der Kulturbowle vorgestellt, der sich auf eine vollkommen andere Art und Weise der Stadt nähert.
Bettina Wilpert, Herumtreiberinnen
Büchergilde Gutenberg
ISBN: 978-3-7632-7381-2
oder:
Bettina Wilpert, Herumtreiberinnen
Verbrecher Verlag
ISBN: 9783957325136
Zum Weiterlesen (II):
Und auch auf meine Besprechung zu Angela Steideles besonderem, historischen Roman „Aufklärung. Ein Roman“, der aus Sicht der ältesten Tochter Bachs Catharina Dorothea Bach erzählt wird, möchte ich an dieser Stelle gerne noch einmal hinweisen. Ein Ausflug nach Leipzig im Hause Bach während des 18. Jahrhunderts, der wirklich amüsant und kurzweilig zu lesen ist.
Angela Steidele, Aufklärung. Ein Roman
Insel
ISBN: 978-3-458-64340-1
Liebe Barbara,
danke für die literarischen Einblicke nach Leipzig.
Eine eindrucksvolle Stadt.
Herzlich Bernd
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Sehr gerne, Bernd. Leipzig ist wirklich sehr sehenswert und es gibt so viel zu entdecken. Mein letzter Besuch liegt schon eine ganze Weile zurück, aber ich möchte sehr gerne wieder einmal dorthin zurückkehren und noch mehr von der Stadt und ihrer Geschichte erkunden. Herzliche Grüße und eine gute Zeit! Barbara
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