Julibowle 2024 – Wolkenbruch und Wetterleuchten

Im Juli gab es ergiebige Regengüsse, stürmische Gewitterschauer, Blitz und Donner und gegen Ende auch etliche sehr heiße Tage. Die Hitze kann anstrengend sein, träge machen und ihren Tribut fordern und doch hat sich jetzt im Juli auch verstärkt ein gewisses Sommergefühl eingestellt. Die Theatersaison ging zu Ende und die Festspielzeit hat begonnen.

In Landshut war uns der Wettergott des Freilichttheaters für Richard Wagners „Tannhäuser“ bei den Burgenfestspielen im Prantlgarten noch einmal wohlgesinnt und ich konnte eine sehr ansprechende Inszenierung im Freien genießen.

Vor ausverkauftem Haus gab es zudem den ZEIT-Alpenpodcast „Servus. Grüezi. Hallo.“ im Münchner Volkstheater – die sowohl unterhaltsame, wie informative Folge lässt sich jederzeit auch hier kostenlos nachhören – und es war wirklich etwas Besonderes, die drei Akteure live auf der Bühne zu erleben.

Begeistert war ich aber auch von der TV-Ausstrahlung der aktuellen Salzburger „Jedermann“-Inszenierung auf ORF2. Ein großartiger Philipp Hochmair in der Titelrolle und eine frische, durchdachte und sehr ausdrucksstarke Inszenierung mit einem tollen Ensemble, die großartige und eindrucksvolle Bilder auf dem Domplatz entstehen lässt, die sich einbrennen und mir unvergesslich bleiben werden.

Gelohnt hat sich für mich auch die norwegische Kurzserie „Atlantic Crossing“, die in der NDR Mediathek zu sehen war und welche die Geschichte der Kronprinzessin Märtha während der Zeit des zweiten Weltkriegs erzählt, als sie mit ihren Kindern in die USA fliehen musste und zeitweise Präsident Roosevelts Gast im Weißen Haus war. „Frei erzählt nach wahren Begebenheiten“ (wie es so ähnlich auch im Vorspann heißt), aufwändig gemacht, stimmungsvoll und sehr gut anzusehen.

Und auch ein wunderbarer, sommerlicher Agatha Christie-Klassiker mit Sir Peter Ustinov als Hercule Poirot lief mir noch über den Weg bzw. über meinen Bildschirm: „Das Böse unter der Sonne“ (eine Verfilmung mit Starbesetzung aus dem Jahr 1982, u.a. mit einer jungen Maggie Smith).

Und auch zum Lesen war noch genug Zeit und es ist wieder einiges zusammengekommen, so dass ich mich wieder mal kurz fasse, damit der Beitrag nicht allzu sehr ausufert:

Die Zeitreise in die Achtziger, Neunziger und Nuller Jahre mit Julia Karnicks Roman Man sieht sich hatte ich ja schon ausführlich vorgestellt: eine Liebesgeschichte mit Hindernissen – lebensecht, authentisch und stimmig bezüglich der zeitgeschichtlichen Details und Atmosphäre.

Für Wien-Fans und alle, die Freude an fein erzählten, wohltuenden und menschenfreundlichen Geschichten haben ist Eva Ibbotsons Roman Der Modesalon des Glücks in der Neuauflage sicherlich ein guter Tipp! Schön, dass es die Literatur dieser Autorin jetzt wieder zu entdecken gibt und diese hoffentlich die verdiente Aufmerksamkeit erhält.

Für den Lesekreis habe ich mich diesen Monat mit Daniel Kehlmanns „Lichtspiel“ beschäftigt. Auch wenn ich es persönlich nicht für sein stärkstes Werk halte, war vor allem die Diskussion und der Austausch darüber wie immer sehr bereichernd.

Ohne Krimi geht es selten und wenn es dann auch noch einen (im weitesten Sinne) Theater-Krimi von Josephine Tey mit „Warten auf den Tod“ zu entdecken gibt, dann führt da bei mir kein Weg dran vorbei. Vor einem Londoner Westendtheater wird in der Warteschlange ein Mann erstochen – übrigens der erste und natürlich absolut lesenswerte Fall mit Inspector Alan Grant von Scotland Yard (der 1929 im englischen Original mit dem Titel „The Man in the Queue“ erschienen ist).

Sehr unterhaltsam, spritzig und zugleich interessant zu lesen war Jonathan Coes Roman „Mr. Wilder & ich“: für die Dreharbeiten zu einem seiner späten Filme „Fedora“ engagiert Billy Wilder in den Siebziger Jahren eine junge Frau als Übersetzerin und Mädchen für alles während der Dreharbeiten auf einer griechischen Insel. Ein amüsanter Blick hinter die Filmkulissen, der zugleich Einblicke in Billy Wilders Leben und Werk gibt. Empfehlenswert – nicht nur für Filmfans – hoffentlich schaffe ich es noch, einen ausführlicheren Beitrag dazu zu schreiben – das Buch hätte es verdient.

Und auch im Bereich „Literatur, um in Urlaubsstimmung zu kommen“ gibt es diesen Monat einiges zu erwähnen:
So reiste ich mit Jörg-Dieter Kogels „Im Land der Träume – Mit Sigmund Freud in Italien“ in wahrlich prominenter Gesellschaft nach Bella Italia.
Mit Sybille Bedford ging es „Am liebsten nach Süden“, d.h. zu verschiedenen Zielen mit viel kulinarischem Input und sommerlichem Urlaubsflair.
Und Alex Capus erzählte mir in „Das kleine Haus am Sonnenhang“ von seinem urigen, einfachen Ferienhäuschen im Piemont, das er gerade in seinen Anfangszeiten als Schriftsteller bevorzugt auch zum Schreiben nutzte.

Thematisch in Italien – jedoch in jeweils anderem zeitlichen Kontext – blieb ich mit Joseph O’Connors hochinteressantem Roman „In meines Vaters Haus“, der basierend auf wahren Begebenheiten die Geschichte des irischen Priesters Hugh O’Flaherty erzählt, der aus dem Vatikan heraus in Rom Menschen zur Flucht vor den nationalsozialistischen Besatzern verhalf.

Und auch Sabine Grubers Roman „Stillbach oder Die Sehnsucht“, der in Südtirol und Rom spielt, befasst sich auf kluge und sehr gut lesbare Weise unter anderem mit der Zeit des Nationalsozialismus, aber auch mit den Geschehnissen Ende der Siebziger Jahre (Stichwort: Moro-Entführung) in Italien.

Doch auch skandinavische Stimmen sollten diesen Monat noch in meiner Lektüreliste auftauchen in Form von Tove Janssons „Reisen mit leichtem Gepäck“ – einer Sammlung von Geschichten bzw. Erzählungen, die sich im weitesten Sinne mit dem Reisen und Unterwegssein beschäftigen, sowie der nachdenkliche Essay „Store Kongensgade 23“ des dänischen Autors Søren Ulrik Thomsen, der sich unter anderem mit weniger „leichten“ Themen wie dem Altern, der Vergänglichkeit und Krankheit befasst.

Und auch den feinsinnigen Schmöker von Clare Chambers „Scheue Wesen, der im London der 60er Jahre spielt und sich einfühlsam mit so großen Themen wie Kunst, Liebe aber auch Einsamkeit befasst, werde ich sehr bald noch ausführlicher hier auf dem Blog vorstellen.

Was bringt der August?

Ich freue mich auf Sommermuße, auf Zeit, um sich den Kopf freiblasen und durchlüften zu lassen, auf Meerblicke und genussvolle Momente mit Kultur, Natur und guten Büchern… und natürlich auf sommerliche Ferienstimmung und geistigen Freiraum, um neue Energie und Inspiration zu tanken.

Und auch im Fernsehen gibt es noch einiges an Festspielsommer für Opernliebhaber zu erleben – man könnte sagen Oper satt:
Auf 3sat gibt es am 10. August um 20.15 Uhr Puccinis „La Bohème“ aus der Arena die Verona, am Sonntag, 18. August um 20.15 Uhr Verdis „Aida“ aus dem Steinbruch St. Margarethen und am Samstag, 24. August um 20.15 Uhr Prokofjews Oper „Der Spieler“ mit der großartigen Asmik Grigorian von den Salzburger Festspielen.
Für den 31. August um 20.15 Uhr habe ich mir auch mal die Ausstrahlung der Neuinszenierung der Bregenzer Festspiele von „Der Freischütz“ auf 3sat notiert. Seebühnenproduktionen versprechen ja immer großes Spektakel.

Und auch die neue „Tristan und Isolde“-Inszenierung (mit Camilla Nylund und Andreas Schager in den Titelrollen) aus Bayreuth gibt es noch bis zum 27.08.24 in der 3sat Mediathek kostenlos abzurufen.

Und noch ein Tipp für kurzweilig-amüsante Sommerstimmung und wunderschöne ästhetische Bilder aus dem Süden:
Seitdem ich die ersten Folgen der Serie „Die Durrells auf Korfu“ gesehen habe, ist mir klar, dass ich diese herzerfrischende, humorvolle und atmosphärische Reihe über eine britische, finanzklamme Familie, die in den Dreißiger Jahren nach Korfu zieht, um dort ihr Glück zu suchen, ganz sehen möchte. Aktuell gibt es alle vier Staffeln mit 26 Folgen noch bis zum 30. September abrufbar in der ARTE Mediathek.

Ich wünsche allen einen feinen August mit allem, was in Euren Augen dazugehört. Genießt die schönen Seiten des Sommers und für alle, die noch Ferien und Urlaub vor sich haben: bleibt (oder werdet) gesund und habt eine wunderbare Zeit!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Juli:
Dieser Monat bescherte mir einige süße Momente in Form der mitgebrachten Mozartkugeln – schöne Erinnerungen aus und an die wunderbare Stadt Salzburg.

Musikalisches im Juli:
Gerade die Musik der bereits erwähnten Serie „Atlantic Crossing“ hatte es mir angetan: beschwingter Jazz und viel musikalische, gute Laune unter anderem mit dem Titel „I’m in a dancing mood“ von Tommy Dorsey oder der Wahlkampfsong von Franklin Delano Roosevelt „Happy Days Are Here Again“ – auch bekannt in der deutschsprachigen Version der Comedian Harmonists „Wochenend und Sonnenschein“.

Sommer

Am Abend schweigt die Klage
Des Kuckucks im Wald.
Tiefer neigt sich das Korn,
Der rote Mohn.

Schwarzes Gewitter droht
Über dem Hügel.
Das alte Lied der Grille
Erstirbt im Feld.

Nimmer regt sich das Laub
Der Kastanie.
Auf der Wendeltreppe
Rauscht dein Kleid.

Stille leuchtet die Kerze
Im dunklen Zimmer;
Eine silberne Hand
Löschte sie aus.

Windstille, sternlose Nacht.

(Georg Trakl, 1887 – 1914)

11 Kommentare zu „Julibowle 2024 – Wolkenbruch und Wetterleuchten

      1. Vielen lieben Dank! Ich freue mich auch immer, wenn ich für mich selbst am Monatsende nochmal alles Revue passieren lasse und dann eine schöne Mischung bzw. ein guter Bowle-Mix zusammengekommen ist. 🙂🍓🌻🍹

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  1. Danke, liebe Barbara, für Deine umfangreichen Lektüren, Anschauungen und Vorschauen, mit Foto-Album und Sommergedicht. Dass „Wochenend und Sonnenschein“ der Comedian Harmonists mit „Happy Days Are Here Again“ so eine Geschichte hat, ist mir völlig neu. Dies werde ich nachlesen und hören. Aus gegebenem Anlass des Wahlkampfes in den USA – und weil ich das Lied so gern habe. Herzliche Wünsche und Grüße für Deinen August sendet Bernd

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    1. Danke, lieber Bernd.
      Ja, ich kannte den („politischen“) Hintergrund von „Happy Days Are Here Again“ ehrlich gesagt vor der Serie auch nicht – ein bisschen etwas dazu ist auch auf Wikipedia zu finden.
      Herzliche Sommersonntagsgrüße und Dir einen guten und feinen August! Barbara

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  2. Ich gestehe, bei der Schwühle erst (zusammenhängend mit den Regengüssen) und jetzt dem warmen Wetter… Lese ich viel zu wenig. Du hast so viel Interessantes wieder vorgestellt. Die Wilder Geschichte würde mich sehr interessieren.
    Auf viele weitere neue und vor allem gute Bücher
    Liebe Grüße
    Nina

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    1. Dankeschön, liebe Nina. Es freut mich, wenn ein paar interessante Tipps für Dich dabei waren und ich hoffe sehr, dass das auch weiterhin so bleibt (ich werde mir Mühe geben 🙂)… und auch wenn mal weniger Zeit und Muße zum Lesen bleibt, kann man sich als lesebegeisterter Mensch ja sicher sein, dass die Lust und Neugier aufs nächste Buch einen schon bald wieder einholen. 😉 Und sonst gibt es ja auch noch andere Möglichkeiten, diese Sommertage zu genießen. Herzliche Grüße! Barbara

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