Piratenalarm

Bei manchen Blogbeiträgen muss man das Eisen schmieden so lange es heiß ist bzw. die Begeisterung rauslassen, so lange sie noch ganz frisch sprudelt und nicht zu bremsen ist. Und was war das für ein fulminanter Theaterabend im Münchner Gärtnerplatztheater! Ein unvergessliches Erlebnis, nach welchem man aus dem Theater geht und sich zum einen absolut sicher ist, dass man diesen Abend nicht vergessen wird und zum anderen auch wieder einmal mehr spürt bzw. weiß, warum man das Theater und insbesondere auch das Musiktheater so sehr liebt. Was ich da gesehen habe, das mich so schwelgen und schwärmen lässt? „Die Piraten von Penzance“ von Gilbert & Sullivan in einer Inszenierung von Adam Cooper – es war richtig große Klasse und wie man auf bayerisch so schön sagt auch eine Riesengaudi (und das ist wirklich als großes Kompliment gemeint, denn wenn es in der aktuellen Zeit Theatermachern gelingt, das Publikum mal für zwei Stunden in eine andere Welt zu entführen und zum Lachen zu bringen, dann ist das wirklich eine Leistung, die man nicht hoch genug schätzen kann)!

Seit ich im letzten Jahr in Landshut das Gilbert & Sullivan-Stück „Der Mikado“ gesehen habe (ich hatte hier auf dem Blog berichtet), halte ich die Augen offen, ob es aktuell noch irgendwo weitere Stücke des britischen Erfolgsduos zu sehen gibt. Somit war ich schon voller Vorfreude, als ich „Die Piraten von Penzance“ auf dem Spielplan des Gärtnerplatztheaters entdeckt habe und jetzt nach der Vorstellung bin ich erneut restlos begeistert. Was für ein Spaß!

Um was es geht?
Ich versuche mich an der Herausforderung einer sehr kurzen Kurzfassung (schon als ich im Vorfeld die Wikipedia-Zusammenfassung gelesen habe, musste ich grinsen):
Da seine Nanny Ruth sich verhört hat, musste Frederic seine Lehre bei den Piraten absolvieren. Als sein Lehrvertrag jetzt mit seinem 21. Geburtstag beendet ist, kann er endlich aus der Truppe ausscheiden und ein redliches Leben führen. Soweit der Plan. Doch als er nach Verlassen des Schiffes am südenglischen Strand einer Gruppe junger, verführerischer Mädchen begegnet und sein Herz an die schöne Mabel verliert, muss er nicht nur sie und ihre Freundinnen, sondern auch ihren Vormund – einen echten Generalmajor – davor bewahren, dass die Piratenbande die Schönheiten vom Fleck weg heiratet.
Allerdings hat der Piratenkönig noch ein Ass im Ärmel, denn Frederic ist tatsächlich am Schalttag, dem 29. Februar, geboren und hat somit seinen Lehrvertrag (nach gerade mal 5 und ein paar zerquetschten Geburtstagen) ja noch längst nicht erfüllt. Und da Pflichterfüllung oberstes Gebot ist (die Operette trägt im Original schließlich den Untertitel „The Slave of Duty“), hilft nur noch Piraten-Insiderwissen und glückliche Fügung…

Aber generell gilt sowieso einmal mehr die alte Operettenregel: sich über den Inhalt keine großen Gedanken machen, keinen Sinn im Stück suchen, den es nicht gibt, und einfach die Musik und das Geschehen auf der Bühne genießen. Verstand ausschalten, Herz einschalten und einfach Spaß haben!

Das Stück bietet tolle Partien, die zum Glänzen einladen und das Gärtnerplatztheater hat hierfür wirklich großartiges Personal:
Eine Traum- bzw. Idealbesetzung ist Daniel Gutmann als Piratenkönig. Was der Bariton gesanglich und akrobatisch auf die Bühne zaubert, ist unfassbar – da brennt die Luft, er turnt und schwingt sich mit großer Energie, starker Bühnenpräsenz und enormen Charisma über die Bühne – eindrucksvoll!

Das Liebespaar des Abends harmoniert stimmlich und schauspielerisch ganz wunderbar mit der charmanten Julia Sturzlbaum als Mabel und Matteo Ivan Rašić als jung-dynamischem Frederic.

„Ah, must I leave thee here
In endless night to dream,
Where joy is dark and drear,
And sorrow all supreme –
Where nature, day by day,
Will sing, in altered tone,
This weary roundelay,
„He loves thee – he is gone.
Fa la la la,
Fa la la la.
He loves thee – he is gone.
Fa la la la fa la.“

(aus dem Libretto von William Schwenck Gilbert „The pirates of Penzance“ – Song: „Ah, leave me not to pine, alone and desolate“)

Alexander Franzen brilliert mit hoher Textverständlichkeit bei höchstem Tempo als Generalmajor und Katja Ladentin darf als 55-jähriges Piraten“mädchen“ Ruth ihre komödiantische Seite zeigen.

Ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen – die Ensembleleistung von SolistInnen, Tänzern und Chormitgliedern bis hin zu den kleinen Nebenrollen war großartig.
Ein Abend voller britischem Humor, mit zündenden Gags, einer gehörigen Brise Monty Python und tollem Wortwitz – so dass hier explizit auch die hervorragende, zeitgemäße und moderne Übersetzung ins Deutsche von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting lobend erwähnt sei – der die Lachmuskeln gehörig in Bewegung bringt.

Auch musikalisch findet man Parodien und Anklänge an berühmte Werke anderer Komponisten, wenn man die Ohren offen hält kann man unter anderem etwas Mozart oder aber auch großes italienisches Opernpathos erahnen – typisch für die Stücke von Arthur Sullivan.

Was die Kostüme und das Bühnenbild anbelangt hat das Gärtnerplatz wirklich aus dem Vollen geschöpft. Das ist bunt, stimmig und liebevoll bis ins kleinste Detail. Bei diesem Stück darf dick aufgetragen werden und das wird es auch.
Insgesamt vergeht die Vorstellung wie im Flug, denn Adam Cooper hat mit hohem Tempo und viel Verve inszeniert. Die ungeheure Energie des Ensembles überträgt sich aufs Publikum, die Luft vibriert – das hat Schwung und Pfeffer!

Kein Wunder dass das Publikum diese fulminante Leistung mit tosendem Applaus belohnt. Für alle, die mal wieder von Herzen lachen wollen – schließlich befreit das ungemein und ist gesund – diese Münchner Piraten sind wirklich ein Riesenspaß für die ganze Familie und eine Empfehlung, die von Herzen kommt.

Gilbert & Sullivan stehen viel zu selten auf deutschsprachigen Spielplänen, aber wenn sie so gut gemacht sind und solche Laune machen – bitte gerne mehr davon! Ich halte auf jeden Fall weiter die Augen nach Gilbert & Sullivan-Inszenierungen offen und verabschiede mich für heute mit dem im Gärtnerplatz neu erlernten Piratengruß: Arrrrrrr!

Gesehen am 19. Januar 2025 im Gärtnerplatztheater München

Die Piraten von Penzance“ ist in dieser Spielzeit noch an wenigen Terminen im Münchner Gärtnerplatztheater zu sehen – doch es gibt nur noch wenige Restkarten. Falls das Stück in der nächsten Spielzeit wieder aufgenommen wird (was angesichts des großen Erfolgs ja eine gewisse Wahrscheinlichkeit besitzt), solltet Ihr unbedingt versuchen, Euch rechtzeitig Tickets zu „kapern“ – es lohnt sich!

Genaue Daten und weitere Details findet man auf der Homepage des Gärtnerplatztheaters. Zudem findet ihr dort auch schöne Fotos und einen Videotrailer zur Aufführung, wenn Ihr Euch ein Bild machen wollt.

***

Wozu inspirierte mich bzw. woran erinnerte mich „Die Piraten von Penzance“:

Für den Gaumen:
Gleich zu Beginn des Stücks wird mit Sherry gefeiert:

„Pour, oh, pour the pirate sherry,
Fill, O fill the pirate glass!
And, to make us more than merry,
Let the pirate bumper pass!“

(aus dem Libretto von William Schwenck Gilbert „The pirates of Penzance“ – Song: „Pour, oh, pour the pirate sherry“)

Zum Weiterhören:
Die Musik ist wirklich durchgängig hörenswert, von der Arie des Piratenkönigs „Oh, Better Far to Live and Die“ angefangen, über die grandiose, wortgewaltige Show des Generalmajors „I Am the Very Model of a Modern Major-General“ bis hin zum zauberhaften Liebesduett zwischen Mabel und Frederic „Ah, leave me not to pine and desolate“.
Herrlich aber auch der fröhliche Gesang der Mädchen übers britische Wetter, der das Duett von Mabel und Frederic überlagert: „How Beautifully Blue the sky“. Oder sehr amüsant auch der Chor der Polizisten „When a Felon’s Not Engaged in His Employment“, der in der Münchner Inszenierung ein wenig an die Altneihauser Feierwehrkapell’n (aus dem Frankenfasching) erinnerte. Reinhören lohnt sich!

Zum Weiterschauen:
Es gibt wohl tatsächlich auch einen gleichnamigen Film aus dem Jahr 1983 mit namhafter Besetzung: Kevin Kline als Piratenkönig und Angela Lansbury als Ruth… Sollte mir dieser einmal irgendwo über den Weg laufen, werde ich sicherlich mal reinschauen.

Für weitere Theaterbesuche:
Schon Der Mikado, über welchen ich hier auf dem Blog berichtet habe, hat mich wirklich begeistert. Insgesamt gibt es 14 sogenannte Savoy Operas von Gilbert und Sullivan… mal schauen, wie viele ich noch zu sehen bekomme.

Zum Weiterlesen:
Nicola Upson lässt in ihrem Krimi „Wenn die Masken fallen“ die Krimiautorin Josephine Tey im Freilichttheater von Minack in Cornwall ermitteln. Ein Mordfall im Theatermilieu und das auch noch an der südenglischen Küste ganz in der Nähe von Penzance… passt – sehr gut sogar!

Nicola Upson, Wenn die Masken fallen
Aus dem Englischen von Verena Kilchling
Kein&Aber
ISBN: 978-3-0369-5026-6

3 Kommentare zu „Piratenalarm

  1. Musicals und Operetten sind so gar nicht meins, deshalb wird es wohl nix mit mir und den Piraten im Gärtnerplatztheater. Aber: wenn du das nächste Mal in München bist, könnte man sich ja vielleicht mal auf ne Tasse Bier oder so treffen? 🙂
    Ich war übrigens letztes Jahr in einer sehr hübschen Piratenkneipe in Penzance und den Krimi von Ms Upson mag ich auch lesen.
    Liebe Grüße, Sabine

    Gefällt 2 Personen

    1. Ich konnte es ja zumindest mal versuchen, Dir als Münchnerin Lust darauf zu machen. 🙂
      Aber jeder kennt seinen eigenen Geschmack am besten und weiß, was Sinn macht bzw. eine Chance hat und was nicht.
      Hm, aber die Piraten sind wirklich sehr, sehr gut gemacht, und witzig und gar nicht so lang…. 🙂
      Und ja, München ist von mir ja nicht so weit und ewig lockt das kulturelle Angebot… 🙂 – vielleicht klappt es ja wirklich mal mit einem Treffen (Gesprächsstoff gäbe es sicher genug). 🙂
      Würde mich freuen und ich sende herzliche Wochenendgrüße! Barbara

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