Septemberbowle 2025 – Sommerwege und Horizonterweiterung

Im September gab es für mich viele neue Impulse und weite Horizonte zu entdecken, die mich bereichert und inspiriert vom Sommer hinüber in den Herbst haben gleiten lassen. Blicke aufs Meer und stille, beseelte Momente am Strand geben Kraft für das, was kommt und gehen über in die Freude über das herbstliche Farbfeuerwerk draußen in der Natur.

Erwähnens- und sehenswert war diesen Monat auf jeden Fall der Film „An einem Tag im September“ über die Entstehung der Freundschaft zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle und die deutsch-französischen Beziehungen, der noch bis zum 05.09.2026 in der ZDF Mediathek zu sehen ist. Auch die begleitende Dokumentation lohnt sich.

Immer wieder nachdenklich geworden, zustimmend genickt und herzlich gelacht habe ich beim Kabarettprogramm „Wunderpunkt“ von Bodo Wartke, das noch bis zum 26.09.2027 in der 3sat Mediathek abrufbar ist.

Zum ersten Mal habe ich mir auch eine Folge des Geschichtspodcasts „Was bisher geschah“ von Joachim Telgenbüscher und Nils Minkmar angehört und zwar – wie es sich für Literatur- und Krimifans gehört – eine Folge über Agatha Christie. War kurzweilig und unterhaltsam, auch wenn mir Vieles schon durch meine Lektüre von Barbara Sichtermanns „Agatha Christie – Eine Biografie“ bekannt war. Doch vor allem habe ich dabei riesige Lust bekommen, jetzt endlich auch mal den ultimativen Agatha Christie-Klassiker „Alibi“ zu lesen.

Bei den Lektüren diesen Monat sitze ich – während ich das schreibe – wieder neben einem Stapel, der sich sehen lassen kann und in dem wieder Mal viel Schönes dabei war:

Nach und nach habe ich mich durch Marie Luise Kaschnitz’ „Liebesgedichte“ gestöbert, die mich gerade auch seit der Lektüre von „Herzlandschaft. Marie Luise Kaschnitz und Italien“ besonders interessiert haben. Ein schöner Anlass, mir auch wieder mal Zeit und Muße für Lyrik zu nehmen.

Literarisch habe ich mich weiter mit Masuren beschäftigt und da darf natürlich auch Siegfried Lenz mit „So zärtlich war Suleyken“ nicht fehlen. Mit viel Augenzwinkern erzählt, habe ich beim Lesen meinen Wortschatz erweitert (kennt wer das Wort „verzeipeln“?) und fühlte mich stellenweise ein wenig an die Schildbürger erinnert – doch all das vor ländlicher Kulisse und idyllischster Natur.

Der Tag, wie gesagt, war schön. Allerhand bunte Käferchen torkelten durch das Gras, die Bachstelzen am Fluss rannten um die Wette, und die berühmten Suleyker Schafe verzeipelten vor lauter Übermut ihre Ketten.“

(aus Siegfried Lenz „So zärtlich war Suleyken“, S.68)

Bereits ausführlich hier auf dem Blog vorgestellt habe ich David Foenkinos Roman Das glückliche Leben, in welchem ich ein ungewöhnliches koreanisches Selbsthilfe-Ritual kennengelernt habe.

Den Sommer verlängert und mich zur Weinlese ins schöne Tessin entführt hat mich der neue Krimi von Mascha Vassena „Der Schädel von Sant’Abbondio. Ein stimmungsvolles und sehr süffig zu lesendes Regio-Krimivergnügen, über das ich bald noch näher berichten werde.

Brigitte Landes lässt in ihrem schönen Band der Insel-Bücherei „Im Romanischen Café“ diejenigen zu Wort kommen, die es wissen müssen: die ehemaligen Stammgäste des Berliner Kult-Cafés wie Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Mascha Kaléko, Else Lasker-Schüler, Gabriele Tergit und viele andere mehr… Entstanden ist so eine sehr feine Sammlung von Texten, die versuchen, den besonderen Zauber dieses Ortes für die Nachwelt festzuhalten.

Und auch in Christoph Heins Roman „Trutz“ spielt das Romanische Café eine Rolle. Ich habe während einer Zugfahrt begonnen zu lesen und war sofort gefangen und fasziniert vom erzählerischen Sog des Romans, der zwei Familiengeschichten – eine deutsche und eine russische – des letzten Jahrhunderts miteinander verflicht.

Zu Recht gelobt und letzten November auf der Sachbuchbestenliste stand Jens Biskys „Die Entscheidung – Deutschland 1929 bis 1934“. Wichtig, traurig und erschreckend zu lesen, aber da es bereits eine großartige Besprechung dieses Buches beim Kaffeehaussitzer gibt, überlasse ich ihm hier gerne das Wort.

Bald kommen Volkstrauertag, Totensonntag, Allerheiligen und Allerseelen… eine Zeit innezuhalten und zu gedenken. Manuela Fuelles leiser, tiefgründiger Roman Wir kommen nach beschäftigt sich mit einem Thema, das in der heutigen Gesellschaft oft verdrängt und aus der Wahrnehmung weggeschoben wird: dem Tod. Es geht um Trauer und den Umgang mit Krankheit, Verlust und was es bedeutet Nachkomme zu sein. Ein Buch, das auf jeden Fall eine ausführliche Besprechung verdient und bald bekommen wird.

Für meinen Lesekreis habe ich tatsächlich eine Taschenausgabe aus D-Mark-Zeiten aus meinem Regal gefischt und gelesen: Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“, um dann bei fortschreitender Lektüre festzustellen, dass ich das wohl damals auf Vorrat gekauft und bislang noch gar nie gelesen hatte. Interessant zu sehen, dass der Jugendwahn bereits 1890 Einzug in die Literatur gehalten hat und schon allein wegen des folgenden Zitats aus der Vorrede lesenswert:

Wer in schönen Dingen einen schönen Sinn entdeckt, hat Kultur. Aus ihm kann noch etwas werden.“

(aus Oscar Wilde „Das Bildnis des Dorian Gray“, S.5)

Bei einem bekennenden Fan von Axel Hacke stand sein neues Buch „Wie fühlst du dich? – Über unser Innenleben in Zeiten wie diesen“ natürlich gleich bei Erscheinen auf der Liste ganz oben. Und ich wurde nicht enttäuscht, denn ich habe es sehr gerne (und schnell) gelesen, bin mit Hacke im Kosmos der Gefühle abgetaucht und so mancher Anregung und manchem Denkanstoß gefolgt.

Ich freue mich darüber, dass ich staunen kann. Man kann das üben, kann seinen Blick lenken, sich öffnen für das Übersehene. Man sollte das tun, weil es das Leben verändert, Interesse statt Langeweile erzeugt und Neuigkeit statt Ödnis ins Leben bringt. Weil es Freude macht.“

(aus Axel Hacke „Wie fühlst du dich?“, S.51)

Schwer zu beschreiben ist der schmale, neue Roman von Katerina Poladjan „Goldstrand“, der eine Familiengeschichte zwischen dem Bulgarien der Fünfziger Jahre und Rom sechzig Jahre später auffächert, als ein erfolgreicher Filmregisseur auf der Couch einer Dottoressa sein Leben zu analysieren und verstehen versucht.

Das glaube ich dir nicht, alle Menschen haben Illusionen, ohne Illusionen könnten wir gar nicht überleben. Wir brauchen doch Distanz, eine Pufferzone zwischen uns und der Realität. Wir brauchen Illusionen, Humor und Ironie.“

(aus Katerina Poladjan „Goldstrand“, S.119)

Ein mir bislang völlig unbekanntes Kapitel der erweiterten Verwandtschaft des britischen Königshauses hat mir Irene Disches Roman „Prinzessin Alice“ eröffnet. Alice war die Mutter von Prinz Philipp, d.h. die Schwiegermutter von Queen Elizabeth II. und was für eine Lebensgeschichte hatte diese Frau: eine von Sigmund Freud diagnostizierte Schizophrenie, zeitweise weggesperrt in einer Klinik am Bodensee, auch ihre Kinder mit turbulenten und teils tragischen Schicksalen… Eine bewegte und bewegende Geschichte über eine außergewöhnliche Frau und ihre Familie.

Ich, Alice, offiziell als wahnsinnig diagnostiziert, will endlich selbst erzählen. Von jetzt an geht es hier um mich, Alice Mountbatten, die Gott liebte, und auch um meine Schwägerin Marie Bonaparte, die Freud liebte. Es geht allerdings nicht nur um zwei, sondern um drei Schwestern – eine dritte Schwägerin spielt noch eine Rolle: die lebenslustige Edwina Mountbatten, die den Sex liebte, in rauen Mengen und mit Männern und Frauen aus jedem Erdteil.“

(aus Irene Dische „Prinzessin Alice“, S.10)

Was bringt der Oktober?

Auf jeden Fall viel Musik und auch die theaterfreie Zeit hat endlich wieder ein Ende, d.h. ich werde die Saison mit einer Woody Allen-Komödie eröffnen, denn das Landestheater Niederbayern spielt „The purple rose of Cairo“.

Für meinen Lesekreis darf ich Kerstin Holzers „Thomas Mann macht Ferien“ ein zweites Mal lesen und ich bin schon sehr gespannt auf Vea Kaisers neuen Roman „Fabula rasa“.

Außerdem wünsche ich mir lange Spaziergänge durch die bunt gefärbte Natur, ruhige Lesestunden und freue mich, dass das kulturelle Leben wieder an Fahrt aufnimmt. Die Teevorräte sind aufgestockt, die Kuscheldecke und gute Bücher liegen bereit – der Oktober kann kommen (bzw. ist ja mittlerweile auch schon da).
Genießt den Herbst, bleibt gesund, macht es Euch kuschlig und nehmt Euch Zeit für die schönen Seiten dieser Jahreszeit!

Und um abschließend noch einmal Axel Hacke zu zitieren:

Es geht darum, sich in die offenen Arme des Lebens zu werfen, damit es einen festhält.“

(aus Axel Hacke „Wie fühlst du dich?“, S.140)

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight September:
Dieses Jahr habe ich die Kürbissuppen-Saison tatsächlich schon im September eröffnet – ein klares Signal, dass der Sommer jetzt in den Herbst übergegangen ist.

Musikalisches im September:
Diesen Monat durfte ich eine besondere Live-Version von „Irgendwo auf der Welt“ – das vor allem durch die Comedian Harmonists bekannt ist – hören, die immer noch nachklingt.

Für Strandmomente
mit ausgestreckten Fühlern
die Seele öffnen

© Kulturbowle 2025

10 Kommentare zu „Septemberbowle 2025 – Sommerwege und Horizonterweiterung

  1. Das klingt nach einem abwechslungsreichen, gelungenen September, dem hoffentlich ein ähnlich angenehmer Oktober folgt. Die neuen Bücher von Axel Hacke und Vea Kaiser stehen auch auf meiner Wunschliste und in den Geschichtspodcast muss ich unbedingt einmal reinhören.

    Jetzt wünsche ich aber erst einmal ein schönes Restwochenende – liebe Grüße!

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    1. Danke, Christoph. Ja, der September hat es gut mit mir gemeint. Aber jetzt freue ich mich wirklich auch auf schöne, ruhigere Herbsttage. 🍁🍂📚🫖
      „Fabula rasa“ ist mit etwas über 550 Seiten ein richtiger Schmöker und lässt sich bisher sehr vielversprechend an. Als Wien-Fan bin ich da ja aber auch ohnehin besonders empfänglich. Dir auch ein wunderbares, restliches Herbstwochenende und herzliche Grüße! Barbara

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  2. Du kannst aber doch unmöglich in vier Wochen alles auf dem Foto gelesen haben ! Ich werde grün vor Neid bei dieser Geschwindigkeit. Ja, ich weiß, das habe ich mindestens schon einmal geschrieben 🙂

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    1. Kein Grund, grün vor Neid zu werden… 🙂 „Die Entscheidung“ habe ich über längere Zeit parallel gelesen, aber jetzt im September ausgelesen. Und es waren ja auch schmalere Exemplare dabei 😉 Herzliche Grüße!

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    1. Vielen lieben Dank, Constanze! Das freut mich. Ich denke, die Vorliebe für den Herbst teilen wir vermutlich mit vielen Lesebegeisterten, da sich diese Jahreszeit einfach wunderbar für dieses Hobby eignet. Wobei bei mir ja im Grunde genommen das ganze Jahr Lesezeit ist. 😉
      Ich wünsche Dir einen wunderbaren Herbst mit feinen Büchern und sende herzliche Grüße! Barbara

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  3. Den Podcast will ich schon länger hören, ach ja…😉
    Axel Hacke finde ich auch gerade jetzt sehr lesenswert und irgendwie „einfach nötig“.
    Und genau deswegen sollte man auch Siegfried Lenz Heimatgeschichten gerade lesen, so wunderschön! Schon seit Jahrzehnten mein Lieblingsbuch von ihm.
    Sehr schöne Fotos hast Du noch angehängt. Die See ist immer wieder gut.
    Möge Dein Oktober auch so sein
    Mit lieben Grüßen
    Nina

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    1. Vielen lieben Dank, Nina! Im Oktober werde ich die See (nur) in der Erinnerung tragen, auf den Fotos sehen bzw. wird sie mir vielleicht in Büchern begegnen…
      Aber ich freue mich jetzt auf den Herbst mit allem, was dazu gehört… 📚🍁🫖
      Dir wünsche ich eine wunderbare Zeit und sende ganz herzliche Grüße! Barbara

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    1. Dankeschön. Ja, ich bin sehr zufrieden mit diesem September.
      Vom Podcast habe ich bisher nur die eine Folge gehört (meist lese ich ja lieber als zu hören), aber meine Neugier ist definitiv geweckt. Ich habe gesehen, dass es eine Folge über den Schöpfer von Tim und Struppi gibt, das klingt auch sehr interessant… es wird also sicher auch im Oktober nicht langweilig werden. 🙂 Schöne Sonntagsgrüße!

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