Leif Karpe’s neuer Kriminalroman „Die Göttin, die von Blüten träumte“ – der zweite Fall für Peter Falcon – ist ein sinnliches, überbordendes und verspieltes Lesevergnügen, das mit unzähligen Querverweisen zu Kunst, Malerei, Literatur, Musik und Kulinarik exakt meinen Geschmack getroffen hat. Die Lektüre war für mich helle Freude und wahrer Genuss.
Peter Falcon betreibt in New York einen kleinen Comic- und Plattenladen. Dort in seinem eigenen Kosmos besucht ihn Giovanna, die Vertreterin eines großen, weltweit agierenden Auktionshauses, denn er ist ihr Mann für besondere Fälle. Er hat eine spezielle, übersinnliche Gabe: Bilder, Kunstwerke und die Künstler sprechen zu ihm.
„Oft hatte er diese merkwürdige, so schwer zu definierende Gabe verflucht und doch hatte sie ihm immer wieder atemberaubende Einblicke in die Kunst gewährt.“
(S.93)
Eine Wissenschaftlerin, die an einem neuen Verfahren zur Datierung von Kunstwerken arbeitet, ist verschwunden, während sie an einer berühmten Wachsbüste – der Flora von Leonardo da Vinci – forschte.
Falcon soll helfen, sie aufzuspüren und die Hintergründe zu verstehen. Als dann auch noch die Büste selbst aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen wird, überschlagen sich die Ereignisse und Falcon begibt sich auf eine turbulente Suche und Reise, die ihn nach Paris, Berlin, die Isle of Wight und letztlich nach Florenz – die Wiege der Renaissance – führt.
„Sie haben sich auf die Straße der Renaissance begeben, das ist ein Weg, auf dem man sich leicht verirren kann.“
(S.107)
Ein Krimi über Kunstraub, die Göttin Flora, Umweltskandale, Glyphosat, die Renaissance und das Lächeln der Mona Lisa – nicht umsonst erinnert die reizvolle Auftraggeberin Giovanna schon namentlich an „La Gioconda“ von Leonardo da Vinci. Das hört sich nach einer gewagten Mischung an? Ist es und doch hat mich diese Vielfalt und Mixtur von Themen gepackt und so flog ich geradezu durch die Seiten.
„Denken Sie daran, es ist von wesentlich größerer Bedeutung, Fragen zu haben, als sich im Besitz aller Antworten zu wähnen.“
(S.124)
Die Kapitel tragen Filmtitel als Überschriften, Sandro Botticelli’s Flora aus seinem Gemälde „La Primavera“ scheint lebendig geworden zu sein, man wird Zeuge von Gesprächen mit längst verstorbenen Künstlern, die Falcon ihre Sicht der Dinge erklären. Und wenn man den Krimi gelesen hat, bekommt das Zitat Michelangelos’s, das Leif Karpe seinem Roman vorangestellt hat, plötzlich noch mehr Sinn und eine weitere Dimension – hat der Autor dieses als Motto nämlich geradezu wörtlich genommen und in spannende Literatur umgesetzt:
„Ich bin nicht tot, ich tausche nur die Räume, ich leb’ in Euch und geh’ durch Eure Träume.“
(Michelangelo)
Es handelt sich um den zweiten Band mit Peter Falcon, den man jedoch – wie in meinem Fall – sehr gut auch unabhängig vom ersten lesen und verstehen kann. Bei mir hat er jedoch unweigerlich die Lust geweckt, auch den ersten Teil noch zu lesen, der sich um Vincent van Gogh und den Impressionismus dreht: „Der Mann, der in die Bilder fiel“ – den Umschlag ziert die „Sternennacht“ des niederländischen Malers.
„Die Göttin, die von Blüten träumte“ ist ein kunstvolles Kabinettstückchen, eine wahre Wundertüte voller Anspielungen, Querbezüge und Inspirationen zu Literatur, Film, Malerei und Kultur in allen Facetten – in dieser Dichte und Intensität habe ich das wohl noch nie gelesen. Das ist verspielt, überbordend, kreativ und strotzt voller Freude am Fabulieren und all das untermauert mit unzähligen kunstgeschichtlichen Details und Anekdoten. Herrlich – ein wilder Ritt durch Raum und Zeit – durch Länder, Museen und Kunstrichtungen. Eine großartige, literarische Spielerei mit flottem Tempo, schnellen Wechseln, so dass keine Sekunde Langeweile aufkommt und man zu tun hat, nicht den Überblick zu verlieren.
Ein gutlauniger – und doch mit kritischen Untertönen und einem brandaktuellen Thema versehener – Roman, der selbst einer Collage gleicht und alten Meistern und Künstlern vergangener Zeiten eine Stimme verleiht – ein Kunstgriff, der funktioniert, amüsiert und bestens unterhält. Ein Fest für die Sinne und alle, die Kunst, Kultur und fantasievolle, kluge Krimis lieben.
Eine weitere, schöne Besprechung findet man beim Buchbuben.
Ich bedanke mich sehr herzlich beim Nagel & Kimche Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.
Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.
Buchinformation:
Leif Karpe, Die Göttin, die von Blüten träumte
Nagel & Kimche
ISBN: 978-3-312-01238-1
***
Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Leif Karpe’s „Die Göttin, die von Blüten träumte“:
Für den Gaumen:
Kulinarisch ist einiges geboten: Neu war für mich die Cocktail-Kreation des „Floralia Gimlet“ – die beschrieben wird als Mix von Wodka und Honigwein. Interessant, aber wohl auch etwas gewöhnungsbedürftig – vermutlich nicht jedermanns Sache.
Zum Weiterschauen:
Schon allein der Umschlag des Buchs hat es mir angetan – zeigt er doch einen Ausschnitt aus Sandro Botticelli’s „La Primavera“, das in den Uffizien in Florenz hängt und auch auf der Website des Museums zu bewundern ist.
Das Gemälde und die Figuren spielen in Karpe’s Roman eine wichtige Rolle, daher lohnt es sich unbedingt, sich dieses wieder einmal genauer anzusehen.
Zu Weiterhören:
Auch musikalisch ist dieser Krimi voller Anregungen und Inspirationen – da werden Songs erwähnt, Texte zitiert – sei es der Bossa Nova-Klassiker „The Girl from Ipanema“ oder aber „The Sounds of Silence“ von Simon and Garfunkel. Da stellt sich die Frage, was der größere Ohrwurm ist.
Zum Weiterlesen:
In den letzten Monaten wurde aufgrund der Pandemie wieder viel über Giovanni Boccaccio’s Klassiker „Das Dekameron“ gesprochen und geschrieben. Dieses Werk über die jungen Menschen, die sich auf der Flucht vor der Pest in Florenz in ein Landhaus außerhalb zurückziehen und sich die Zeit damit vertreiben, sich Geschichten zu erzählen. Der stattliche Umfang von ca. 900 Seiten hat mich bisher die Lektüre noch nicht in Angriff nehmen lassen, aber Leif Karpe hat mir dieses Versäumnis wieder ins Gedächtnis gerufen:
Giovanni Boccaccio, Das Dekameron
Übersetzt von: Karl Witte
Fischer Taschenbuch
ISBN: 978-3-596-90006-0









Schöne Blüten und Ohrwürmer zu Deiner Lesereise …
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Danke! Ich wünsche einen blühenden und klingenden Sonntag!
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Und zack Warenkorb! Danke für den überbordenden Tipp 🙂
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Ja, das ist wirklich ein Krimi mit einer Hülle und Fülle an Anspielungen. Selbst wenn man nur die Hälfte davon mitbekommt, ist es schon viel. Ich fand’s klasse und es war genau mein Ding. Einen schönen Sonntagabend und morgen einen guten Wochenstart!
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