Maibowle 2023 – Sommerhäuser und Wassermomente

Wo ist nur dieser Mai so schnell hingekommen? Ehe man sich versieht – schon wieder ein Monat wie im Flug vergangen. Und was für einer – für mich ein wirklicher Wonnemonat mit wunderbaren Eindrücken, erfrischenden Inspirationen, stimmungsvollen Momenten am Wasser, feinen Büchern, frischem Wind und sonnigem Gemüt.

Apropos Sonne – eine grandiose Ausstellung gibt es aktuell (noch bis zum 11. Juni 23 im Potsdamer Museum Barberini zu sehen: „Sonne – Die Quelle des Lichts in der Kunst“ (25.02.23 – 11.06.23). Die Darstellung der Sonne in Kunstwerken von der Antike bis in die Gegenwart – Licht, Wärme, viele Facetten – wirklich sehr sehenswert und eindrucksvoll u.a. mit Werken von Monet, Munch, Caspar David Friedrich, William Turner, Rubens und vielen mehr.

Vollkommen anders, aber ebenfalls faszinierend ist die aktuelle Sonderausstellung „Meeting Liebermann – Fotoporträts aus der Sammlung Ullstein“ (25.03.23 – 03.07.23) im Obergeschoss der Liebermann Villa am Wannsee. Gezeigt werden großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien von Max Liebermann und seiner Familie, die starke Ausdruckskraft besitzen.

Die Gegend um Potsdam und Berlin ist reich an Sommerresidenzen jeglicher Couleur und voller Geschichte: die Liebermann Villa am Wannsee, Schloss Caputh und das Einstein-Haus, das Alexanderhaus in Groß Glienicke, die Pfaueninsel…
Sehnsuchtsorte am Wasser, die diesen Monat unter anderem auch meine Fotoimpressionen prägen.

Und auch in meiner Lektüre habe ich diesen Monat der Familie Liebermann und „Max Liebermanns Garten“ einen Schwerpunkt gewidmet. Regina Scheers Familienbiografie „Wir sind die Liebermanns“ schafft einen wunderbaren und sehr gut lesbaren Überblick über den weit verästelten Stammbaum der jüdischen Familie aus Märkisch Friedland. Wie auch in ihrem Roman „Gott wohnt im Wedding“ erschließt sie vieles auch über die Geschichte der Gebäude und Orte, an welchen die Menschen gelebt haben.
In Romanform widmet sich hingegen Sophia Mott in „Dem Paradies so fern – Martha Liebermann“ vor allem dem letzten Lebensabschnitt Martha Liebermanns: Dem Bangen und Hoffen zwischen 1941 und 1943 doch noch eine Möglichkeit zur Ausreise ins Exil erreichen zu können, die sich letztlich leider zerschlug und mit ihrem Suizid endete, durch den sie sich der Deportation nach Theresienstadt entzog.

Eine andere deutsche Stadt – und zwar Hamburg – und eine andere Zeit (das Jahr 1906) und doch auch ein geschichtlich sehr interessantes Kapitel beleuchtet Claudia Weiss in ihrem historischen Roman Jenseits von Hamburg. Es geht um die Auswandererhallen, die Albert Ballin errichten ließ, und die Menschen, die dort ihre letzte Zwischenstation vor der Seereise und Auswanderung nach Amerika passierten.

Weiter ging es ins Saale Unstrut-Gebiet mit Katrin Sedlitz’ Roman Schweigenberg, der sich auf intelligente, tiefgründige Weise mit der DDR-Vergangenheit und der Aufarbeitung der Geschichte bzw. auch mit dem Umgang mit erlittenem Unrecht beschäftigt. Ein vielschichtiges Buch mit zahlreichen Facetten und jeder Menge Denkanstößen.

Und nochmal bin ich – dieses Mal basierend auf wahren Begebenheiten und Persönlichkeiten – in die deutsche Geschichte abgetaucht: Sandra Lüpkes erzählt in ihrem Roman Das Licht im Rücken die Geschichte der Familie und Firma Leitz und der legendären Leica-Kamera. Hochinteressant, spannend und absolut fesselnd – ein Buch, das ich kaum mehr aus der Hand legen konnte.

Meine Lesekreislektüre führte mich hingegen nach Österreich und ich hatte endlich die Gelegenheit und einen Anlass, ein Werk von Monika Helfer zu lesen, die schon lange auf meiner Liste stand. „Vati“ ist ein berührendes, feines Buch über einen passionierten Buchmenschen, das mir sehr nahegekommen ist und mir vor allem aufgrund der Sprache und geschilderten Atmosphäre sehr gut gefallen hat.

Vollkommen verzaubert haben mich die nächsten beiden Bücher, die ich bald unbedingt auch noch ausführlicher vorstellen möchte:
Ein wirklich bezauberndes Werk ist Vita Sackville-Wests „Das Erbe, das ich voller Begeisterung in einem Rutsch gelesen habe. Mr. Chase erbt plötzlich ein großes Tudor-Haus im ländlichen Großbritannien und während er sich um die Veräußerung des selben und die Testamentsvollstreckung kümmert, verliebt er sich plötzlich… mehr folgt in Kürze, aber schon jetzt: große Leseempfehlung!

Eine ebenso bezaubernde, aber wahre und unglaubliche Geschichte erzählt die Italienerin Alba Donati in ihrem in Tagebuchform geschriebenen Buch Ein Garten voller Bücher. Ist es verrückt, in einem 170-Seelendorf in den Bergen der Toskana eine Buchhandlung zu eröffnen? Ja, ist es, aber es ist auch wunderschön und vor allem ist es zauberhaft zu lesen, wie sie darüber schreibt. Für mich zweifelsohne ein Lese-Glanzlicht in diesem Jahr!

Krimitechnisch ging es diesen Monat für mich gleich drei Mal nach Frankreich: Paris – Loire-Tal – Périgord.
Der neueste Fall von Alex Lépic „Lacroix und der traurige Champion von Roland-Garros“ entführte mich hinter die Kulissen des weltbekannten Pariser Tennisturniers – eine herrlich entspannende Krimilektüre für Zwischendurch mit liebgewonnenen Figuren.

Neu war für mich Ian Moore mit seinem ersten Fall der „Follet Valley“-Reihe „Death and Croissants“, den ich im englischen Original gelesen habe – bevor dieser am 30.06.23 jetzt auch als „Mord & Croissants“ bei Rowohlt in deutscher Übersetzung erscheint. Hier stolpert ein britischer Bed&Breakfast-Betreiber im Loire-Tal gemeinsam mit einem sehr engagierten, weiblichen Gast eher zufällig in eine gefährliche Mordermittlung. Moore ist britischer Comedian und das spürt man in seinem Roman, denn in diesem Krimi stehen ganz klar Witz und Komik im Vordergrund.

Und alle Jahre wieder (meist im Mai) zieht es mich ins Périgord mit der Reihe um Bruno Chef de Police von Martin Walker. „Tête-à-Tête“ steht ganz im Zeichen des Klimawandels: Waldbrände vor Brunos Haustür und er kocht zum ersten Mal vegan. Ermittelt wird in einem Cold Case, der weit in die Zeit des kalten Krieges zurückführt.

Was bringt der Juni?

Für mich darf der Juni gerne die luftige, inspirierende Mai-Atmosphäre weiteratmen und ich freue mich auf einen Monat mit sommerlicher Leichtigkeit, langen, hellen Tagen sowie kulturellen und kulinarischen Genüssen, auf Abende zum Draußensitzen und auf einen schönen Start der Freilichtsaison im Theater bei hoffentlich gutem Wetter:

Denn in Landshut beginnen die Burgenfestspiele im Prantlgarten mit Shakespeares „Wie es Euch gefällt“ – für Theaterfreunde und Shakespearefans wie mich bestimmt ein magischer Theaterabend (da heißt es nur Daumen halten, dass der Wettergott es gut meint!).

Schon gelaufen, aber noch bis zum 30.06.23 in der ARTE Mediathek verfügbar ist die interessante Dokumentation „Die rote Fini – Die verschwundenen Millionen der DDR“, in welcher Adele Neuhauser die österreichische „Gucci-Kommunistin“ Rudolfine Steindling verkörpert und die Licht in ein noch wenig bekanntes Kapitel deutsch-österreichischer Geschichte bringt. Sehenswert.

Der Lesekreis beschert mir mit Eugen Ruges Roman „Pompeji“ eine Reise in den Süden und ich bin schon sehr gespannt darauf.
Außerdem habe ich große Lust auf stimmungsvolle Sommerlektüre und diesbezüglich schon einiges in Planung bzw. auf dem Stapel – lasst Euch überraschen.

In diesem Sinne wünsche ich allen mit Kurt Tucholskys Worten einen Juni voll „fröhlicher Lebensbuntheit“, schöne Mittsommertage, Zufriedenheit und natürlich Gesundheit! Genießt den Juni, seht die schönen Dinge des Lebens und lasst es Euch gut gehen!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Mai:
Spargel frisch vom Feld und in verschiedensten Variationen sowie Rhabarberkuchen (dieses Mal als Tarte mit Joghurt) – jedes Jahr freue ich mich darauf und genieße die saisonale und regionale Küche.

Musikalisches im Mai:
Eher zufällig habe ich im Radio das wunderbare diesjährige Europakonzert der Berliner Philharmoniker aus der Sagrada Família gehört: aus nachvollziehbaren Gründen mit Wolfgang Amadeus Mozarts „Krönungsmesse“ (KV 317) und mit den von mir sehr geliebten Motetten „Ave verum corpus“ (KV 618) und „Exsultate, jubilate“ (KV 165). Für mich also Mozart im Mai.

Das Ideal

Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer – nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve –
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) –
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad – alles lenkste
natürlich selber – das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche – erstes Essen –
alte Weine aus schönem Pokal –
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln dir Moneten –
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.
Tröste dich.

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten.

(Kurt Tucholsky, 1927)

2 Kommentare zu „Maibowle 2023 – Sommerhäuser und Wassermomente

  1. Mich scheint’s, du bist in Berlin gewesen! 🙂 … Monika Helfer habe ich auch mal vorgehabt zu lesen, nun bin ich wieder motivierter. Eugen Ruge habe ich schon gelesen, meine Besprechung folgt in zwei Wochen oder – mir hat das Buch aber sehr sehr gefallen, kann ich jetzt schon mal rausposaunen. Der Mai ist tatsächlich schnell vergangen! Auf einen intensiven Juni, und viele viele Grüße aus Berlin, mittendrin (aber jetzt mit einem Taubennest vor dem Fenster, und einem brütenden sanften Taubenpärchen plus Ei!)

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    1. 🙂 Berlin habe ich nur am Rande bzw. am Wannsee gestreift. Mein Schwerpunkt lag mehr in Potsdam und der näheren Umgebung.
      Ich habe von Monika Helfer auch noch „Die Bagage“ hier bei mir liegen und nach meiner durchaus positiven Erfahrung mit „Vati“ bin ich jetzt auch motivierter. Auf den Ruge bin ich sehr gespannt und ich habe mich über die Lesekreisauswahl gefreut. Ich wünsche ebenfalls einen intensiven und inspirierenden Juni! Herzliche Grüße nach Berlin und zum Taubennest!

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