Der Juli war über weite Strecken sehr sonnig und heiß, so dass es oft hieß, sich am besten ein schattiges Plätzchen zu suchen. Landshut stand drei Wochen lang ganz im Zeichen der „Landshuter Hochzeit 1475“.
Zum Monatsauftakt durfte ich jedoch in Schwäbisch Hall viel Kultur erleben: von einer schwung- und stimmungsvollen Aufführung des Musicals „Sister Act“ auf der Großen Treppe im Rahmen der Festspiele bis hin zu großartigen Ausstellungen in der Kunsthalle Würth („Rosenrot, Grasgrün, Quittengelb. Pflanzengeheimnisse in der Sammlung Würth“ – noch bis zum 5. November 2023 zu sehen) und im Museum Würth 2 in Künzelsau „David Hockney. A Year in Normandie im Dialog mit Werken der Sammlung Würth“, die noch bis zum 3. September 2023 dort zu erleben ist. Beides lohnt sich sehr – gerade von David Hockney war und bin ich so fasziniert, dass ich mich unbdedingt noch näher mit ihm beschäftigen wollte – hier findet sich daher eine Fortsetzung im literarischen Block, der noch kommt.
Zudem habe ich die interessante Bayerisch-tschechische Landesausstellung „Barock! Bayern und Böhmen“ im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg besucht, die dort vom 10. Mai bis zum 3. Oktober 2023 zu sehen ist, bevor sie dann ab 8. Dezember ins Nationalmuseum nach Prag weiterwandert.
Und es standen große Opern auf meinem Programm:
Im Rahmen der Burgenfestspiele meines Heimattheaters die beiden Kurzopern „Le Villi & Cavalleria Rusticana“ (Puccini und Mascagni) kombiniert an einem Abend. Wunderbare Musik, die ausgezeichnet zum angenehm lauen Sommerabend im atmosphärischen Prantlgarten passte.
Italienisch ging es mit Giuseppe Verdis Opernklassiker „Nabucco“ beim Festival auf Gut Immling im Chiemgau weiter. Große Oper mit unvergesslichen Chorstücken (auch außer dem allseits bekannten Gefangenenchor „Va pensiero“ gibt es noch so manchen Gänsehautmoment) an einem zauberhaften Ort mit toller Atmosphäre und grandioser Aussicht.
Und auch das Fernsehprogramm hatte für Opernfans noch mit einer Premiere aufzuwarten: Auf 3Sat wurde die neue „Parsifal“-Inszenierung von den Bayreuther Festspielen ausgestrahlt. Vor allem aufgrund der erstklassigen Besetzung u.a. mit Einspringer Andreas Schager als Parsifal, Elina Garanča als Kundry und Georg Zeppenfeld als Gurnemanz lohnte es sich, die 4 Stunden 21 Minuten dranzubleiben (auch hier besteht bis zum 28.08.23 noch die Möglichkeit, sich diese Produktion in der 3Sat Mediathek anzuschauen.)
Bei all dem kulturellen Angebot und turbulenten, mittelalterlichem Treiben in meiner Heimatstadt, war ich schon fast ein wenig verwundert, dass doch auch wieder acht Bücher zusammengekommen sind, die ich diesen Monat gelesen habe. Das Lesen harmonierte dann wohl gut mit der „Schattensuche“ im Juli.
Bei Sigrid Damms „Wohin mit mir“, gab es gleich mehrere Aspekte, die mich besonders reizten: erstens schätze ich die Autorin und ihren Stil sehr, zweitens mag ich Bücher, in welchen Stipendiaten der Villa Massimo – oder hier in diesem Fall der Casa die Goethe – ihre Zeit in Rom beschreiben. Wie erleben sie einen solchen Aufenthalt, was macht die ewige Stadt mit ihnen? Sigrid Damm verbrachte die letzten Monate des Jahres 1999 in Rom und ihre Erinnerungen an diese besondere Zeit, die sie 2012 veröffentlichte, sind auch heute noch überaus lesenswert.
In vollkommen andere Gefilde und Kreise ging es dann jedoch bei Susan Chois Roman „Vertrauensübung“: eine Elite-Schauspielschule in den USA, an der junge Menschen oft jenseits von Grenzen und Regeln, Lebenserfahrungen sammeln und sich für die Bühne ausbilden lassen. Ein oft schmerzhafter Prozess in Verbindung mit Neid, Missgunst und Machtspielen bzw. eine harte Schule fürs Leben, die sie dort durchlaufen und die leider nicht alle unbeschadet überstehen.
Eine erneute Zweitlektüre bescherte mir der Lesekreis mit Bonnie Garmus‘ „Eine Frage der Chemie“. Letztes Jahr hatte ich das Buch bereits hier auf der Kulturbowle rezensiert und auch das zweite Lesen ging wieder schnell und flüssig voran. Dennoch finde ich es in der Regel doch noch spannender, wenn ich das gewählte, zu besprechende Werk vorher noch nicht kenne und die Lektüre vor dem Lesekreis auch für mich eine Premiere darstellt.
Eine wunderbare Krimiwiederentdeckung gab es auch diesen Monat: Josephine Teys Kriminalroman „Der letzte Zug nach Schottland“, der mir sehr gut gefallen hat und meine Begeisterung für die Autorin erneut bestätigt und weiter ausgebaut hat. Die Vielseitigkeit ihrer Themen, ihre Art zu schreiben, Szenerien und Menschen lebendig werden zu lassen, macht große Lust auf mehr. Und wer wissen möchte, was es mit Schottlands singendem Sand auf sich hat, der sollte sich diesen Krimi nicht entgehen lassen.
Ich hatte es ja bereits angedeutet: Die Hockney-Ausstellung im Museum Würth 2 mit dem 90 Meter langen iPad-Fries „A Year in Normandy“ (inspiriert u.a. durch den Teppich von Bayeux), der ein Jahr in der Normandie mit all seinen Jahreszeiten darstellt, hat mich absolut gepackt. Daher war das Buch, das David Hockney und Martin Gayford über die Entstehung dieser Normandie-Werke mit dem Titel „Frühling wird es sicher wieder“ verfasst haben, für mich die perfekte Ergänzung und Vertiefung im Anschluss. Zudem sind noch weitere Hockney-Bücher auf meinen Stapel gewandert… ich hoffe, ich komme dazu, demnächst noch ausführlicher zu berichten.
Wenn in einem Titel die Worte Theater und Strand vorkommen, dann komme ich nur schwer daran vorbei: Joanna Quinns Roman „Das Theater am Strand“ ist mit über 700 Seiten ein opulenter Sommerschmöker, der mitnimmt auf eine Reise ins englische Dorset der Zwanziger und Dreißiger Jahre und das besetzte Paris während des Zweiten Weltkriegs. Eine Familiengeschichte über Geschwisterliebe, über die Liebe zum Theater, die in einem zur Bühne umgebauten Walskelett am Strand ihren Anfang nimmt, und über die Schatten des Krieges, welcher die Akteure plötzlich zwingt, vollkommen andere Rollen einzunehmen.
Danach hat mich ein ganz besonderes Buch aus Norwegen vollkommen in den Bann gezogen: Hanna Bjørgaas „Das geheime Leben in der Stadt – Nachrichten aus der urbanen Wildnis“. Die Autorin und Biologin hat sich ein Jahr lang mit der Wildnis vor ihrer Haustür in ihrer Heimatstadt Oslo befasst und ihre augenöffnenden Entdeckungen in diesem Buch nun mit der Öffentlichkeit geteilt. Inspirierend und anregend, so dass man sofort Lust bekommt, selbst auf Entdeckungstour zu gehen und die städtische Tierwelt – seien es Raben oder Ameisen – auf einmal mit vollkommen anderen Augen sieht. In Kürze hierzu mehr!
Und last but not least war ich nochmal in der Kategorie lesenswerte Wiederentdeckung unterwegs, und zwar habe ich Margaret Kennedys Roman „Das Fest“ aus dem Jahr 1950 gelesen, der vor kurzem bei Schöffling&Co. in einer Neuauflage erschienen ist. In einem malerisch an den Klippen Cornwalls gelegenen Hotel treffen unterschiedlichste Menschen aufeinander. Nicht alle werden den Felsschlag überleben, der am Ende des Romans auf das Hotel herabstürzen wird. Nur die Gäste, die es verlassen haben, um ein gemeinsames Fest zu feiern, entgehen dem Unglück und die sieben Todsünden sind auch noch im Spiel… Zu unübersichtlich oder verwirrend? Am besten einfach selbst lesen…
Was bringt der August?
Den dritten Geburtstag meiner Kulturbowle (Kinder, wie die Zeit vergeht!) und ansonsten dieses Mal kurz und knackig: einfach genießen, sich treiben lassen, in den Tag hineinleben und schauen, was sich Schönes bietet.
Oder um mit Herbert Grönemeyer zu sprechen:
„Du findest behutsam und bedacht sorgfältig den Schimmer in jedem Tag“
(Textzeile aus Herbert Grönemeyers Lied „Behutsam“ auf dem Album „Das ist los“)
Für mich wird der Opernsommer noch einmal weitergehen, worauf ich mich sehr freue, und ich hoffe auf einen entspannten, mußevollen, inspirierenden und erholsamen August mit viel Zeit für die schönen Dinge des Lebens!
Genießt diesen Monat – vielleicht auch mit Urlaub und einer Auszeit vom Alltag – und den verbleibenden Sommer!
Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Juli:
Bei sommerlichen Temperaturen hat man in der Regel kein Verlangen nach üppigen Sahnetorten – vielmehr bietet sich ein fruchtiger Kuchen mit frischen Beeren an – so kann man zum Beispiel eine Heidelbeer-Joghurt-Tarte auch an heißen Tagen genießen. Schmeckt aber natürlich auch mit Johannisbeeren oder Himbeeren… alles schon erprobt.
Musikalisches im Juli:
Eher zufällig bin ich noch auf die 3sat-Ausstrahlung von Herbert Grönemeyers Konzertmitschnitt der „Das ist los Tour 2023“ aufmerksam geworden (noch bis zum 22.10.2023 in der 3Sat Mediathek). Gerade die Balladen mochte ich sehr und „Behutsam“ gehört nun definitiv zu meinen nachhaltigen, lange nachklingenden Neuentdeckungen und Lieblingen dieses Sommers.












Juli
Klingt im Wind ein Wiegenlied,
(Theodor Storm)
Sonne warm herniedersieht;
Seine Ähren senkt das Korn;
Rote Beere schwillt am Dorn;
Schwer von Regen ist die Flur –
Junge Frau, was sinnst du nur?
Danke, Barbara,
für Deine reiche Juli-Ernte voller Lektüren, Musiktheater und Foto-Aufnahmen.
Einen schönen August wünscht Deiner Leseschar und Dir
Bernd
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Es war mir ein Vergnügen, Bernd. Dir ebenfalls einen wunderbaren August! Herzliche Sonntagsgrüße, Barbara
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Eine Frage der Chemie habe ich auch mit dem Lesekreis gelesen. Ich war ja sehr skeptisch, und dann hat es der Roman dann doch geschafft, mich in den Bann zu ziehen. Ich gebe Dir auch völlig recht, dass es spannender ist, wenn man das Buch in der Runde noch nicht kennt. Auf „Das geheime Leben in der Stadt“ freue ich mich schon sehr, baldige Lektüre. Viele Grüße
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Ja, wir haben das Buch von Bonnie Garmus durchaus kontrovers diskutiert, aber daran, dass es sich wirklich flüssig liest, besteht kein Zweifel.
Zu „Das geheime Leben in der Stadt“ folgt heute noch die ausführliche Besprechung. Aber so viel vorweg: Du hast eine tolle und interessante Lektüre vor Dir, auf die Du Dich freuen darfst, zumal Du ja auch noch zu Oslo und Norwegen einen besonderen Bezug hast. Herzliche Sonntagsgrüße!
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„Das geheime Leben in der Stadt“ hat mir sehr gut gefallen – vor allem hat es mich dazu ermuntert, auch in der Stadt Augen und Ohren immer offenzuhalten.
Auf Deine Rezension zu „Das Theater am Strand“ bin ich sehr gespannt. Das Buch steht auch auf meiner Wunschliste, aber die 700 Seiten schrecken mich doch etwas ab. 😉
Einen schönen Sonntag mit viel Lesezeit wünsche ich Dir!
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Zu „Das geheime Leben in der Stadt“ kann ich Dir nur beipflichten und aus vollem Herzen zustimmen. Meine ausführliche Besprechung zum Buch folgt heute noch.
Ob es zu „Das Theater am Strand“ noch eine ausführliche Besprechung hier auf dem Blog geben wird, kann ich noch nicht versprechen. Es ist auf jeden Fall mit 700 Seiten ein richtiger Schmöker und ich bin vermutlich aufgrund des Titels mit einer ein wenig falschen Erwartung an die Lektüre gegangen. Es war dann für mich letztlich doch mehr Familiensaga, historischer Roman mit Kriegs- und Spionagehandlung und etwas weniger Theaterroman (wie vielleicht von mir erhofft). Nichtsdestotrotz habe ich es flüssig und relativ schnell gelesen. In Großbritannien war der Roman sehr erfolgreich. Herzliche Sonntagsgrüße und einen schönen August! Barbara
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