Ziemlich genau (oder zumindest fast, bei einem Tag sind wir jetzt mal großzügig) vor 125 Jahren wurde Erich Kästner in Dresden geboren – und zwar am 23. Februar 1899. D.h. dieses Jahr ist nicht nur Kafka-Jahr, sondern auch Kästner-Jahr. Obwohl für mich ehrlicherweise irgendwie immer Kästner-Jahr ist. Denn er begleitet mich schon mein Leseleben lang. Und wie ließe sich so ein Jubiläum schöner und würdiger feiern, als mit einer wunderbaren Theaterinszenierung eines seiner für mich großartigsten und zauberhaftesten Werke überhaupt: „Drei Männer im Schnee“.
Letztes Jahr habe ich zum Roman selbst bereits einen Beitrag im Rahmen meiner Herzbowle hier auf dem Blog verfasst. Und als feststand, dass das Landshuter Theater Konrad dieses herzerwärmende Stück Literatur nun dieses Jahr in der Bearbeitung von Charles Lewinsky auf die Bühne bringt und zwar in der Essenbacher Bühne am Schardthof, war ja sonnenklar, dass ich da dabei sein und das Stück auch live erleben möchte.
Die Handlung muss vermutlich nicht lange erklärt werden: der Multimillionär Eduard Tobler gewinnt bei einem Preisausschreiben seiner eigenen Firma den zweiten Preis und fährt inkognito als vermeintlich armer Mann in den gewonnenen Luxusurlaub im Grandhotel Alpenblick Bruckbeuren. Er möchte die Menschen studieren bzw. selbst sehen und erleben, wie er als einfacher Mann in der Welt der Reichen und Schönen behandelt wird.
Viele Irrungen und Wirrungen später hat er nicht nur Verachtung gespürt, die Eisbahn gefegt, Besorgungen im Dorf erledigt und den Schneemann Kasimir gebaut, sondern mit Dr. Fritz Hagedorn – dem Gewinner des ersten Preises – einen treuen Freund gefunden und auch gleich noch einen talentierten Mitarbeiter und patenten Schwiegersohn für seine Tochter ergattert.
Der Theaterbesucher wird vom Direktor des Grandhotels gleich beim Eingang freundlich begrüßt und mit einer süßen Überraschung verwöhnt. Somit steht das Publikum schon einmal klar auf der Sonnenseite. Im Saal erwartet einen dann ein verträumtes Winteridyll mit weißer Eisbahn quer durch den Zuschauerraum.
Der Barpianist in Person von Maximilian Käding schafft gleich eine entspannte Urlaubsatmosphäre und auf der Bühne wurde mit viel Liebe zum Detail die Lobby des Grandhotels als aufwändiges Bühnenbild gestaltet. Hinter dem Rezeptionstresen schaltet und waltet das Urgestein Portier Polter – herrlich schlitzohrig-hintergründig verkörpert von Wolfgang Seitz.
Nicht nur er, sondern auch Hoteldirektor Kühne alias Robert Backhausen haben alle Hände voll zu tun, die beiden mannstollen, weiblichen Naturgewalten in Form von Petra Woidy-Kellner als Frau Casparius und Kerstin Strebl als Frau von Mallebre zu bändigen. Herrlich amüsant ihr verbaler Schlagabtausch während der Skistunde mit dem Graswander Toni (Otto Hirz) oder ihre überschwänglichen Verführungskünste, die sie dem jungen „Millionär“ mit vollem Stimm- und Körpereinsatz angedeihen lassen.
Perfekt besetzt sind jedoch auch die Hauptrollen: Antonio D’Auria als gut gelaunter, warmherzig-geduldiger Geheimrat Tobler alias Eduard Schulze, der die kindliche Freude an seiner komödiantischen Scharade in vollen Zügen auskostet, Sebastian Karl als bodenständiger und später schwer verliebter Dr. Fritz Hagedorn und Florian Leitl als Reedereibesitzer bzw. Diener Johann als Mann mit Format und Haltung. Die drei spielen sich die Bälle zu und harmonieren wunderbar, so dass Timing und Pointen sitzen und das Publikum viele Gelegenheiten bekommt, herzhaft zu lachen. Last but not least darf natürlich Michaela Karl als selbstbewusste, hübsche Tochter Hilde nicht nur ihren Vater um den Finger wickeln, sondern auch noch dem ambitionierten Werbefachmann Hagedorn den Kopf verdrehen.
Das Theater Konrad, das sich durch Mitglieder anderer Landshuter Bühnen für diese Produktion verstärkt hat, hat eine Fassung mit Musik aus der Bühnenbearbeitung von Charles Lewinsky gemacht. Lieder von Georg Kreisler, Marilyn Monroe oder Friedrich Holländers „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und einige andere mehr, die live mit Klavierbegleitung gesungen werden, sorgen für Stimmung und unterstreichen zudem den Zeitgeist des Stücks.
Und auch die „Drei Männer im Schnee“ dürfen gemeinsam ein Lied zum Besten geben, das einem anderen berühmten Trio entlehnt wurde: „Ein Freund, ein guter Freund“. Nein, in diesem Fall nicht „Die Drei von der Tankstelle“, sondern die „drei Väter von Schneemann Kasimir“, aber inhaltlich und zeitlich (das Stück ist aus dem Jahr 1930) passt es als Lob auf die Freundschaft wunderbar ins Konzept.
Sowohl die reduzierte Bühnenfassung (nicht alle aus dem Buch oder Film bekannten Personen sind auch Teil des Stücks) als auch die Aufführung auf der kleinen, aber feinen Bühne im Schardthof schaffen eine ganz besondere, intime Atmosphäre. Das Publikum ist hautnah dran am Geschehen und – wenn zum Beispiel die Kugeln für Schneemann Kasimir direkt vorbeigerollt werden – im wahrsten Sinne des Wortes mittendrin statt nur dabei.
Es ist zu spüren, dass dieses Stück eine Herzensangelegenheit und langgehegter Wunsch für das Theater Konrad und seine MitstreiterInnen war, denn die Inszenierung strotzt geradezu vor witzigen Ideen, kreativen Details, tollen Kostümen, zauberhaften Requisiten und einem grandiosen Bühnenbild. Das ist alles mit sehr, sehr viel Liebe gemacht. Kein Wunder, dass da der Funke und die Freude unweigerlich auf die Zuschauerinnen und Zuschauer überspringt.
Der Theaterbesuch zauberte mir ein breites und zufriedenes Lächeln aufs Gesicht. Und auch wenn ich mich im Publikum umschaute, gab es da viel Freude und Glück zu sehen. Kästner wirkt eben immer und sein Werk hat auch 90 Jahre nach dem Erscheinen (der Roman erschien 1934 zu einem Zeitpunkt als Kästner schon „verbrannt“ worden war) und der Uraufführung im Schauspielhaus Bremen (unter dem Titel „Das lebenslängliche Kind“ und dem Pseudonym Robert Neuner) nichts von seiner Magie verloren.
Kästner macht glücklich – mich zumindest – und lässt mich gerne selbst zum „lebenslänglichen Kind“ werden, denn…
„Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“
(Erich Kästner)
Gesehen am 18. Februar 2024 in der Bühne am Schardthof (Essenbach)
„Drei Männer im Schnee“ ist im Februar und März 2024 noch an einigen Terminen in Essenbach zu sehen. Genaue Daten und weitere Details findet man jederzeit auf der Homepage des Theater Konrad und bei der Bühne am Schardthof.

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Wozu inspirierte mich bzw. woran erinnerte mich „Drei Männer im Schnee“:
Für den Gaumen:
Tochter Hilde ordert telefonisch vorab schon einmal vorsichtshalber des Vaters Leibgericht „Nudeln mit Rindfleisch“ für ihn. Doch das scheint Dr. Hagedorn, der letztlich in den Genuss kommt, weniger zu verwundern als der sündhaft teure französische Cognac auf seinem Nachttisch.
Zum Weiterschauen:
Für alle, die nicht in den Genuss des Livetheaters kommen können, gibt es ja auch noch den berühmten und beliebten Schwarz-Weiß-Film aus dem Jahre 1955 mit Paul Dahlke, Claus Biederstädt und Günther Lüders in den Titelrollen.
Zum Weiterlesen:
Wer sich jetzt die Winterzeit (auch wenn es draußen schon teils frühlingshaft wird) noch ein wenig die Seele und das Herz wärmen lassen möchte, der bzw. dem kann ich natürlich die Lektüre des Originals erneut nur wärmstens empfehlen. Und – wie mehrfach selbst erprobt – auch eine Zweit-, Dritt- oder die x-te Lektüre wirkt. Kästner wirkt immer.
Erich Kästner, Drei Männer im Schnee. Inferno im Hotel
Atrium Verlag
ISBN: 978-3-03882-016-1
Drei Männer im Schnee ist auch mein Liebling. Ganz großartig. LG Bri
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Dankeschön! Im Winter sind es die „Drei Männer im Schnee“, im Sommer „Der kleine Grenzverkehr“ – diese beiden Kästners sind wie Medizin. Sie tun der Seele gut – meiner zumindest. 🙂 Und Kästner in Verbindung mit Livetheater – einer weiteren großen Leidenschaft von mir, das ist einfach nur wunderbar. Herzliche Grüße! Barbara
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Liebe Barbara,
merci für diese leidenschaftliche Besprechung der Theaterfassung Deines Lieblingsromans. Den Film hab‘ ich gesehen.
Dir brauche ich es nicht erzählen, gleichwohl gerne den Leserinnen und Lesern außerhalb der Hörweite des Bayerischen Rundfunks, dass gerade das Hörbuch läuft von Erich Kästners „Fabian“, ungekürzte Fassung in neun Teilen. Zu hören in der ARD Mediathek:
https://www.ardaudiothek.de/sendung/erich-kaestner-fabian-lesung-mit-nico-holonics/13141111/
Herzliche Grüße nach Landshut aus Nürnberg
von Bernd
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Lieber Bernd,
Dankeschön für diesen Hörbuchtipp! Der „Fabian“ zeigt ja wiederum nochmal eine vollkommen andere Facette aus Kästners Werk. Schön, dass es angesichts des 125. Geburtstages (der ja gestern war) jetzt solche medialen Angebote gibt.
Meine letzte „Fabian“-Lektüre liegt schon eine ganze Weile zurück und bei der Verfilmung mit Tom Schilling aus 2021 habe ich es damals nicht rechtzeitig ins Kino geschafft.
Herzliche Grüße und ein wunderbares Wochenende! Barbara
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Oh ja, Kästner wirkt immer! Ich mag auch die Geschichte hinter der Geschichte.
Und auch den Film.
Schön, dass Du eine gute Aufführung hattest.
Dankeschön
Liebe Grüße
Nina
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Dankeschön, liebe Nina.
Ja, die Inszenierung war wirklich zauberhaft und mit sehr viel Liebe gemacht.
Ein schönes Geburtstagsgeschenk zu Kästners 125. und zugleich Balsam für die Seele des Publikums
Herzliche Grüße und einen schönen Sonntagabend! Barbara
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