Märzbowle 2024 – Krokustage und Frauenpower

Dieser März war wahrlich ein blühender: konnte ich mich Anfang des Monats kaum an den Krokussen satt sehen, ging es gegen Ende des Monats nahtlos zur großen Magnolienpracht über. Zudem stand nicht nur der internationale Frauentag am 8. März im Kalender, sondern bei mir war rückblickend betrachtet diesen Monat wirklich auch Frauenpower im kulturellen und literarischen Bereich angesagt.

So konnte ich zum Beispiel bei einer Lesung in Landshut die Autorin Lena Gorelik live erleben, die im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus aus ihrem Roman „Wer wir sind“ vorlas. In diesem autofiktionalen Roman erzählt sie ihre und die Geschichte ihrer Familie, die 1992 aus St. Petersburg – sie selbst war 11 Jahre alt – nach Deutschland kam. Mich hat die Veranstaltung sehr berührt – eine starke, sympathische Frau mit klarer Haltung und wichtigen Botschaften.

Auch mein Filmprogramm war auf das Thema Frauen und Frauenrechte ausgelegt: ARTE zeigte Suffragette – Taten statt Worte“ – ein wirklich sehenswerter Film, der unter die Haut geht und klar macht, was es bedeutete und immer noch bedeutet, für Demokratie und Gleichberechtigung zu kämpfen.

Auch bei der mittlerweile schon fast legendären Jane Austen-Verfilmung „Sense and Sensibility“ bzw. „Sinn und Sinnlichkeit“ von 1995, die 3sat Ende des Monats gezeigt hatte, stehen die Frauen im Zentrum des Geschehens. Emma Thompson, Kate Winslet flankiert von Alan Rickman und Hugh Grant so wie vielen anderen bekannten SchauspielerInnen sind in diesem Klassiker auch heute noch sehr unterhaltsam anzusehen.

Auch an die 6-teilige TV-Serie „Kafka“ mit großer Starbesetzung (noch bis 20.03.2025 in der ARD Mediathek) habe ich mich herangewagt. Ich habe einiges gelernt, durch manche drastische Szenen musste ich mich etwas durchkämpfen, dagegen habe ich vor allem die Folge mit Liv Lisa Fries als Milena Jesenska gern gesehen.

Im Landestheater Niederbayern durfte ich neben einer feinen, sehr gelungenen Aufführung von Puccinis „La Bohème“ auch Arthur Millers Schauspielklassiker „Tod eines Handlungsreisenden“ erleben. Immer noch aktuell, stimmig inszeniert und vor allem grandios gespielt: Jochen Decker als Willy Loman und Antonia Reidel als seine Gattin Linda dürfen flankiert von einem großartigen Ensemble wieder einmal brillieren. Große Klasse!

Der März war in meinem Fall zudem ein schon fast unfassbar guter Lesemonat. Sehr viel hervorragende Literatur von Frauen (11 von 15) und über starke Frauen (eigentlich alle 15). Und im Monat des Indiebook Day auch erfreulicherweise einige Bücher (5 aus 15) von unabhängigen Verlagen. Da waren viele Leseglanzlichter dabei – zu viele, um alle ausführlich zu besprechen, daher versuche ich mich kurz zu fassen:

Janice Hallett erzählt ihren KriminalromanDer Twyford Code in transkribierten Audiodateien – ungewöhnliche Form, berührendes Thema und eine Hommage an die Macht des Lesens und der Literatur, die ich gerne gelesen habe.

Interessant auch die Wiederentdeckung von Maria Peteanis Roman Der Page vom Dalmasse Hotel – ein luftiges, kurzweiliges und doch auch sozialkritisches Buch für Fans der Literatur der Zwanziger und Dreißiger Jahre.
Vom Berliner Hotelbetrieb ging es in ein New York Hotel – ähnliches Genre, ähnliche Zeit, doch noch um einiges politischer und sozialkritischer ist Maria Leitners Roman „Hotel Amerika“ von 1930. Die Bücher in Kombination und mit kurzem zeitlichen Abstand zu lesen, fand ich sehr reizvoll.

Berührt und begeistert hat mich auch Unda Hörners neues BuchSolange es eine Heimat gibt – Erika Mann, in dem sie neben der Lebensgeschichte Erika Manns gerade die besondere Beziehung zu ihrem Bruder Klaus in den Mittelpunkt stellt. Sehr empfehlenswert!

Schon der Titel passte ja perfekt: Vier Tage im März von Constance Hotz entführte mich in den kleinen Schweizer Ort Müstair mit seinem mittelalterlichen Kloster, das zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, und bescherte mir eine atmosphärische, ruhige Lektüre mit viel Schnee zum stimmungsvollen Winterausklang.

Ich kannte Erika Freeman ehrlich gesagt vor der Lektüre von Dirk Stermanns „Mir geht’s gut, wenn nicht heute dann morgen“ noch nicht. Aber durch dieses kluge, witzige und lebensfrohe Buch – trotz aller Tragik – ist sie mir wirklich sehr ans Herz gewachsen. Der bekannte Kabarettist erzählt die beeindruckende Lebensgeschichte der mittlerweile über neunzigjährigen Jüdin, die mit zwölf Jahren aus Wien vor den Nationalsozialisten nach New York geflohen war, im Waisenhaus aufwuchs und später als erfolgreiche Psychoanalytikerin auch zahlreiche Hollywood-Stars betreute. Stermann hatte nicht nur die Gelegenheit, Freeman nach ihrer späten Rückkehr nach Österreich für eine Fernsehsendung zu interviewen, sondern vor allem auch bei informellen wöchentlichen gemeinsamen Frühstücken im Wiener Hotel Imperial näher kennenzulernen. Herzerwärmend!

Und es ging weiter mit starken Frauen bzw. Kate Kirkpatricks Biografie „Simone de Beauvoir – Ein modernes Leben“. Informativ, aufschlussreich und darauf bedacht, die Lebensleistung Simone de Beauvoirs zu würdigen, die weit mehr war als die Frau in Sartres Schatten und doch – wie die Autorin darlegt – leider häufig darauf reduziert wurde.

Eines meiner Highlights in diesem Monat war auf jeden Fall auch Tom Sallers Roman „Ich bin Anna“, in dem er Anna Freud in den Mittelpunkt stellt. Subtile Spannung, psychologisch interessant, fesselnd und lehrreich zugleich. Ich fand es großartig und hoffe sehr, dass ich noch die Zeit finden werde, dem Buch einen ausführlichen Beitrag zu widmen.

Günter Neuwirth ist mit seiner K.u.k.-Krimireihe um den Triester Inspektor Bruno Zabini schon zu einem Stammgast auf meiner Bowle geworden: der neueste Band Südbahn nach Triest spielt in Wien, Triest sowie auf der Bahnstrecke dazwischen und gibt Einblicke in Zeitgeist und technischen Fortschritt um das Jahr 1908.

Ganz besonders gerne mochte ich Stefanie Gerholds Roman „Das Lächeln der Königin“, in dem sie die Geschichte erzählt, wie Nofretete nach Berlin ins Museum kam – spannend, informativ und zeitgeschichtlich sehr interessant, zudem wunderbar zu lesen: ein Buch genau nach meinem Geschmack!

Ein leises, feines Buch über zwei Menschen, die aufeinanderprallen und sich an Wendepunkten ihres Lebenswegs befinden, hat Michaela Maria Müller mit Zonen der Zeit geschrieben. Es ist ein Roman der Kontraste, der Gegensätze und über zwei ganz unterschiedliche Arten, dem Leben zu begegnen. Klug und tiefgründig lässt es viel Platz für eigene Gedanken.

Die Lesung in Landshut, von der ich schon kurz erzählt hatte, war natürlich auch ein willkommener Anlass Lena Goreliks Roman „Wer wir sind“ zu lesen. Er hat mich tief berührt und aufgrund der Sprache auch fasziniert – ein wirklich großartiges Buch mit wichtigen Botschaften, das unter die Haut geht. Ganz große Leseempfehlung!

Eine große Familiensaga bzw. die Geschichte der jüdischen Dänin Anna, die es aus Kopenhagen später nach Frankreich verschlägt, hat der Jazzmusiker Benjamin Koppel verfasst: „Annas Lied“. Ein Buch über die Macht der Musik, über jüdisches Leben in Dänemark und über ein Frauenleben, welches von seiner eigenen Familiengeschichte inspiriert wurde und in Dänemark 2022 ein großer Besteller war.

Und dann gab es auch noch zwei starke Frauen, zwei legendäre Buchhändlerinnen aus Paris, die jeweils ihre Geschichte erzählt haben. Denn endlich habe ich es geschafft, Sylvia Beachs Buch über „Shakespeare and Company“ zu lesen und dann gleich mit der Lektüre von Adrienne Monniers „Aufzeichnungen aus der Rue de L’Odéon“ zu verbinden. Für BücherliebhaberInnen ein Genuss, in diesen Anekdoten zu schwelgen und mehrfach wünschte man sich, man hätte damals Mäuschen spielen können.

Was bringt der April?

In Landshut wird wieder einmal an einem ungewöhnlichen Ort Theater gespielt und zwar im Neuen Plenarsaal der Stadt, in dem normalerweise die Stadtratssitzungen abgehalten werden, gibt es George Orwells Klassiker „Farm der Tiere“ als Schauspielprojekt unter der Regie von Thomas Ecker zu erleben.

Zudem bin ich wahnsinnig neugierig auf eine Operettenentdeckung:
Der Prinz von Schiras“ von Joseph Beer aus dem Jahr 1934 ist als deutsche Erstaufführung im Theater Regensburg zu sehen.

Und auch im Fernsehprogramm bin ich fündig geworden:
Die bisherigen drei Staffeln habe ich sehr gerne und mit Interesse geschaut, waren sie doch auch geschichtlich interessant: Jetzt blickt die vierte Staffel von „Charité“, die am 4. April 2024 auf ARTE ausgestrahlt wird und bis 2. Juli 2024 in der ARTE Mediathek zu sehen sein wird, in die Zukunft und zwar ins Jahr 2049.

Und am Montag, 22. April 2024 zeigt ARTE um 20.15 Uhr den Film „Taking Sides – Der Fall Furtwängler“ aus dem Jahr 2001 mit Harvey Keitel, Moritz Bleibtreu, Stellan Skarsgård und Birgit Minichmayr. Ein US-Major soll nach Ende des Zweiten Weltkriegs aufklären, auf welcher Seite der Dirigent Wilhelm Furtwängler während der Zeit des Nationalsozialismus’ stand. Den Film habe ich bisher noch nicht gesehen, so dass dies nach einer guten und interessanten Gelegenheit klingt, das jetzt zu ändern.

Der Lesekreis widmet sich im April einem amerikanischen Klassiker mit John Steinbecks „Früchte des Zorns“ – meine bisherige Steinbeck-Lektüre „Von Mäusen und Menschen“ liegt bereits sehr lange zurück. Ich bin gespannt auf die Lektüre und die Diskussion.

Ich denke für einen abwechslungsreichen April – und das nicht nur im Hinblick auf das sprichwörtliche Wetter – ist gesorgt und in diesem Sinne wünsche ich allen einen guten Monat mit viel Freude an der erblühenden Natur, lesenswerten Büchern und schönen kulturellen Erlebnissen! Habt es fein und genießt den Frühling!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight März:
Überzeugen konnte das Rezept des NDR für selbstgebackene Bagels – eine knusprig-körnige Abwechslung aus dem Backofen, die nach Herzenslust belegt und süß oder herzhaft genossen werden kann.

Musikalisches im März:
Patrick Doyles Soundtrack war unter anderem auch ein Anlass, sich den Film „Sense and Sensibility“ endlich anzusehen, für den er 1996 den Oscar bekam.
Der Brite Patrick Doyle zählt seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Filmkomponisten, hat unter anderem die Musik für „Harry Potter und der Feuerkelch“, „Gosford Park“, „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ oder die neuen Agatha Christie-Verfilmungen „Mord im Orient Express“ (2017) und „Tod auf dem Nil“ (2022) geschrieben.

März

Es ist ein Schnee gefallen,
Denn es ist noch nicht Zeit,
Dass von den Blümlein allen,
Dass von den Blümlein allen
Wir werden hoch erfreut.

Der Sonnenblick betrüget
Mit mildem, falschem Schein,
Die Schwalbe selber lüget,
Die Schwalbe selber lüget,
Warum? Sie kommt allein.

Sollt ich mich einzeln freuen,
Wenn auch der Frühling nah?
Doch kommen wir zu zweien,
Doch kommen wir zu zweien,
Gleich ist der Sommer da.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)

4 Kommentare zu „Märzbowle 2024 – Krokustage und Frauenpower

  1. Ach die tolle Kulturbowle! Und das Herz singt! 🙂 Herzliche Grüße und Danke für deinen so vielfältigen Report! Ich wundere mich immer über diese Vielzahl an Neuerscheinungen, so dass wir es schaffen, selten Dinge parallel zu lesen. Manchmal passiert es doch! Noch ein weiteres schönes sonniges Wochenende!

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    1. Na, wenn das kein Lob ist. 🙂 Vielen herzlichen Dank, Alexander!
      Oh ja, die Buchwelt ist so vielfältig, dass sich ja wirklich immer nur ein klitzeklitzekleiner Teil davon herauspicken lässt. Aber um so schöner auch bei Anderen mitzulesen und so noch weitere Bücher zumindest über die Leseeindrücke der MitbloggerInnen zu entdecken – für mich stets eine Bereicherung. Herzliche Grüße und morgen eine sonnigen, ja geradezu schon sommerlichen Lesesonntag! Barbara

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