Tessiner Wellness-Krimi

In diesen wechselhaften Apriltagen mit Graupel, Schnee und Sturm kommt einem etwas Urlaubsflair und literarischer Sonnenschein gerade recht. Für entspanntes Lesevergnügen, Tessiner Lokalkolorit, kulinarische Gaumenfreuden und eine Prise Romantik ist in Mascha Vassenas Krimis um die Übersetzerin Moira Rusconi stets gesorgt. Und auch der gerade erschienene dritte Band „Schatten über Monte Carasso“ lässt diesbezüglich keine Wünsche offen.

„Es gibt so wenige Menschen, die ihr Leben leben, als wäre es ein Roman.“

(S.239)

Der pensionierte Literaturprofessor und Hesse-Experte Ambrogio hat von seinen Ärzten eine Kur verordnet bekommen, denn die gute Küche in Gabriellas Osteria in Montagnola, der Rotwein von Luca Cavadinis Vater und die ungesunde Lebensweise haben Spuren hinterlassen. Um einen nächsten Schlaganfall zu vermeiden, soll er nun ein paar Wochen in einem Kurhotel in der Nähe des Monte Carasso bei Bellinzona verbringen. Um seinen Aufenthalt dort ein wenig erträglicher zu gestalten und Gesellschaft zu haben, hat er die Idee, seine Tochter Moira einzuladen, ihn dorthin zu begleiten. Sie ist zwar zwischenzeitlich mit ihrer Tochter nach Frankfurt zurückgekehrt, aber etwas Wellness und ein erneuter Aufenthalt im Tessin können ihr nur gut tun.

Schließlich hat sie auch nur aus Vernunftgründen und schweren Herzens ihre Jugendliebe Luca Cavadini – seines Zeichens Gerichtsmediziner und Winzersohn – in den Armen seiner Ehefrau und bei seinem kleinen Sohn im Tessin zurückgelassen. Kein Wunder, dass die Überraschung und Freude um so größer ist, ihn gleich bei der ersten Yogastunde im Hotel unter den Teilnehmern zu finden.

Als dann jedoch innerhalb kurzer Zeit nicht nur ein weiblicher Gast spurlos verschwindet, sondern auch so manch anderer verdächtiger Vorfall im Hotel bei Moira für Beunruhigung sorgt, schaltet sie ihre ehemaligen Kollegen der Polizei Chiara und Ravi ein, für die sie bereits bei anderen Kriminalfällen als Dolmetscherin gearbeitet hat.

Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach der verschwundenen jungen Frau, die aufgrund von Depressionen in Behandlung war und mutmaßlich von ihrem Ex-Mann gestalked wurde, der ihr keinen Umgang mit dem gemeinsamen Sohn zugestehen wollte.

Generell scheinen im Hotel illustre Gäste zu logieren. Ambrogio und sein neuer Bekannter Fred werden von der verführerischen Muriel becirct, die es versteht, das Leben zu genießen. Als dann auch noch der gute Cavadini-Merlot aufs Zimmer geschmuggelt wird, um der strengen Kurschonkost ein Schnippchen zu schlagen, wird eine wilde Weinparty gefeiert.

Und auch der Ehemann der Hotelmanagerin, der sich vor allem um das seelische und körperliche Wohl der weiblichen Gäste kümmert, scheint ein echter Charismatiker und kein Kind von Traurigkeit zu sein. Und als ob das noch nicht genug wäre, haben auch so manche Angestellte noch etwas zu verbergen.

Heimlichkeiten und Vertuschung allerorten und während es zwischen Moira und Luca weiterhin knistert, bleibt wenig Zeit für Sauna, Wellness und Entspannung, denn auch im Hotel und in der malerischen Umgebung samt Seilbahn und Bergidylle überschlagen sich die Ereignisse…

Mascha Vassena hat – ohne dass ich zu viel verraten möchte – auch in diesem Band eine Thematik in Bezug auf Missbrauch und häusliche Gewalt eingebaut, die häufig noch ein gesellschaftliches Tabu darstellt und eher selten in Romanen oder Filmen thematisiert wird. Es gefällt mir, dass sie neben Lokalkolorit und der romantischen Komponente auch solchen Aspekten Raum in ihrem Krimi gibt.

„Es wird allmählich Zeit, dass ich zurückkomme. Ich vermisse die Katzen, mein bequemes Sofa, mein Arbeitszimmer und meine Bienenstöcke. Mir kommt es vor, als wäre ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr zu Hause gewesen.“

(S.196)

Die Krimis von Mascha Vassena verbinden aufs Trefflichste die Mischung aus etwas Fernweh, der Sehnsucht nach südlichen Gefilden bzw. dem Tessiner Lebensstil und dem Gefühl nach Hause zu kommen. Denn beim dritten Band kennt man die Figuren, hat sie ins Herz geschlossen und freut sich auf das Wiedersehen mit ihnen ebenso so wie auf die Wohlfühlatmosphäre und die Kriminalfälle, die gerade nicht auf perfiden Psychoterror oder blutrünstige Gewaltorgien setzen.

Für mich war „Schatten über Monte Carasso“ ein entspanntes und vergnügliches Leseerlebnis – wie ein kurzer Wellnessurlaub zwischen zwei Buchdeckeln, der herzerwärmend ist wie ein Saunagang und erfrischend wie die Brise die einem auf dem Berggipfel um die Nase weht. Der Krimi macht Lust auf Urlaub, Sommer und Lesen im Freien. Ein ideales Buch für den Liegestuhl oder die erste sonnenstrahlbeschienene Lektüre in diesem Frühjahr auf dem heimischen Balkon oder der Terrasse. Also ab in den Süden, der Sonne hinterher…!

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Eichborn Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.

Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.

Buchinformation:
Mascha Vassena, Schatten über Monte Carasso
Eichborn Verlag
ISBN: 978-3-8479-0167-9

***

Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Mascha Vassenas „Schatten über Monte Carasso“:

Für den Gaumen (I):
Als kleinen Snack für Zwischendurch empfiehlt der Fitnesstrainer des Hotels:

„Auch ein paar Honigmandeln? Die geben Energie nach dem Sport.“

(S.33)

Für den Gaumen (II):
Und auch die Wellnessküche des Hotels kann Moira, ihre Kollegen und auch mich überzeugen:

„Eine Kellnerin brachte ihnen Teller mit gedünstetem Lachs und barba di frate, der mit Knoblauch und etwas Butter gewürzt war.“

(S.101)

Zum Weiterhören:
Musikalisch gibt es italienische Klänge, die einen garantiert sofort mitwippen lassen:

„(…) und jetzt erkannte Moira den treibenden Rhythmus von Zuccheros Il Grande Baboomba.“

(S.111)

Zum Weiterlesen bzw. vorher lesen:
Moira Rusconi ist keine Unbekannte hier auf der Kulturbowle, denn auch die beiden ersten Bände der Reihe habe ich bereits hier auf dem Blog vorgestellt. Wer also die Fälle in der richtigen Reihenfolge lesen möchte – gerade für den Handlungsstrang bzw. zum Verfolgen der Entwicklung in Moiras und Ambrogios Privatleben macht das durchaus Sinn – hier die Titel: Den Auftakt bildet Mord in Montagnola (hier spielt das Tessiner Domizil Hermann Hesses eine Rolle), gefolgt von Die Tote im Luganer See.

Mascha Vassena, Mord in Montagnola
Eichborn Verlag
ISBN: 978-3-8479-0102-0

Mascha Vassena, Die Tote im Luganer See
Eichborn Verlag
ISBN: 978-3-8479-0134-1

3 Kommentare zu „Tessiner Wellness-Krimi

    1. Dankeschön, lieber Bernd. Ja, gerade kulinarisch haben diese Krimis immer einiges zu bieten, so dass sie es mir diesbezüglich leicht machen.
      Ich wünsche Dir ebenfalls einen schönen ersten Mai bzw. Feiertag! Viele Grüße! Barbara

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