Sommerzeit ist Freilichttheaterzeit – vorausgesetzt das Wetter spielt mit.
Man nehme also ein wenig Wetterglück und etwas Sonnenschein, ein gut gelauntes Theaterensemble, einen stimmungsvollen Ort und eine geschichtsträchtige, bewährte Komödie und schon kann der Spaß losgehen.
Wie herrlich frisch, bunt und lustig dann auch ein Stück aus dem Jahr 1745 heute noch sein kann, ist derzeit im Landestheater Niederbayern zu erleben: für die Freilichtsaison bzw. die Burgenfestspiele steht dieses Jahr ein Komödienklassiker von Carlo Goldoni „Der Diener zweier Herren“ (Originaltitel: „Il servitore di due padroni“) auf dem Spielplan.
Carlo Goldoni wurde 1707 in Venedig geboren und auch sein wohl erfolgreichstes Stück spielt dort – auch wenn die Uraufführung 1746 in Mailand stattfand.
Schon das kunterbunte, farbenfrohe Bühnenbild, das an ein antikes Amphitheater bzw. zugleich an eine italienische Piazza erinnert und in bunten Würfeln bzw. Treppenstufen und zahlreichen Aus- bzw. Eingängen besteht, wird vom großen Schriftzug „I love Venice“ übertitelt.
Als sich dann gleich zu Beginn alle AkteurInnen auf der Bühne in immer neue und wilde Posen für ein (herrlich satirisches) Fotoshooting formieren, fühlt man sich unweigerlich an den Trubel und die InstagrammerInnen in Venedig erinnert und merkt, dass man sich auf einen vergnüglichen Abend mit viel Ironie einstellen darf.
Die Handlung möchte ich hier gar nicht lange und breit erklären, denn entweder kennt man das Stück ohnehin schon oder man lässt sich einfach auch gerne noch etwas überraschen. Zudem verrät der Titel ja auch schon das Wesentliche und daher mache ich es mir mal einfach und es gibt hier ausnahmsweise nur die 2-Satz-Inhaltsangabe aus dem Programmheft des Landestheaters Niederbayern:
„Aus Geldnot nimmt der Diener Truffaldino eine zweite Stelle an und löst damit eine Lawine von Verwechslungen, Lügen und Missverständnissen aus. Ob er da wohl wieder rauskommt…?“
(aus dem Programmheft des Landestheater Niederbayern, 2024)
Goldoni hat sich für sein Stück des klassischen Personals der Commedia dell’arte bedient und auch Regisseur Markus Bartl und Ausstatter Philipp Kiefer machen diese Rollen – die zunächst dem Stegreiftheater entstammten – nun in einer modernen Version durch Stereotype bzw. Klischees bis hin zu Kostümelementen sichtbar.
Und auch hier blitzt die Ironie auf, denn der Kaufmann Pantalone („pantaloni“ ist das italienische Wort für Hose) präsentiert sich in Karo-Rock und Stöckelschuhen. Herrlich wie Joachim Vollrath hier in Pumps über die Bühne stakst und stöckelt.
Reinhard Peer ist als Brighella ein Koch wie aus dem Bilderbuch und darf sich mehr als einmal die große, fluffige Kochmütze in alle Richtungen knautschen, um seinen Emotionen zusätzlich Ausdruck zu verleihen und den Kellner (Tomás Asensio) vor sich her zu scheuchen.
Als gebildeter Mann von Gewicht mit einem gehörigen Latein-Fimmel schnaubt und schwadroniert Alexander Nadler als Dottore Lombardi über die Bühne und versucht, seinen herrlich verpeilt-trotteligen Sohn Silvio (alias Paul Behrens) an die Frau bzw. die schöne, aber sehr nah am Wasser gebaute Clarice zu bringen. Tabea Günther, die kindlich-unreif überzeichnet stets mit einem Teddybär bewaffnet ist, darf hier schluchzen, was das Zeug hält.
Bleibt natürlich noch das große Liebespaar, das durch viele Irrungen und Wirrungen erst noch zum großen Glück finden muss: Benedikt Schulz als lässig-sympathischer Florindo Aretusi und Larissa Sophie Farr, die als Beatrice Rasponi wieder einmal (ich erinnere mich gerne an ihre Rosalind in „Wie es euch gefällt“ im letzten Jahr) in einer burschikosen Hosenrolle glänzen darf.
Katharina Schmirl hüpft und springt als weibliches Pendant und Angebetete des Dieners bzw. Smeraldina gut gelaunt zwischen Herren, Damen und Dienstpersonal hin und her und verdreht einem gehörig den Kopf.
Der Star des Abends ist – wie es auch das Stück vorsieht – natürlich der Diener Truffaldino Battochio alias Stefan Merten, der wie ein Wirbelwind über die Bühne fegt und wie ein Gummiball auch seine turnerischen und akrobatischen Qualitäten voll ausleben darf. Handstand, Kopfstand, Jongliereinlagen, Clownerie – er darf sich austoben und sein komödiantisches Talent voll ausleben. Das passt einfach, wie er mit pinkem Sonnenhut und überdimensionaler XXL-Hose voller Energie wirklich alles gibt, um seinen beiden Herren zu dienen.
Aufgänge, Abgänge, schnelles Tempo – das Ensemble legt an diesem Abend ordentlich Kilometer zurück. Zahlreiche running gags, eine Prise Louis de Funès („Nein! Doch! Oh!“), etwas Comic-Parodie und satirisch-überzeichnete Klischees machen diese Komödie des 18. Jahrhunderts zu einem amüsanten Theaterabend in der Gegenwart.
Bunte Bühne und knallige Kostüme in Bonbonfarben, dazu das sommerliche Gefühl auf einer belebten, quirligen, italienischen Piazza zu sein, frohes Lachen im Publikum – das sorgt für gute Laune. Alles in allem einfach ein farbenfroher, fröhlicher und sehr unterhaltsamer Theaterabend mit einem energiegeladenen, schwungvollen und spielfreudigen Ensemble, das diesen Sommerkomödienmoment ebenso zu genießen scheint, wie das Publikum.
Beim Wetterglück habe ich dieses Mal etwas nachgeholfen, denn beim ersten von mir geplanten Termin musste das Stück witterungsbedingt ins Theaterzelt verlegt werden. Tags drauf war jedoch bestes Wetter und daher stand einem zweiten Abend als Besucherin zweier Vorstellungen von „Der Diener zweier Herren“ nichts im Wege und so gab es doch auch noch den ersehnten Freilichttheatergenuss… Schließlich ist einmal keinmal und doppelt hält bekanntlich besser.
Gesehen am 15. Juni 2024 im Landestheater Niederbayern (Theaterzelt Landshut) und am 16. Juni 2024 im Landshuter Prantlgarten
„Der Diener zweier Herren“ ist in dieser Spielzeit noch an einigen Terminen in Landshut, Straubing und Passau zu sehen. Genaue Daten und weitere Details findet man auf der Homepage des Landestheater Niederbayern. Zudem findet ihr dort auch schöne Fotos und einen feinen, kurzen Videotrailer der Aufführung, wenn Ihr Euch ein Bild machen wollt.
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Wozu inspirierte mich bzw. woran erinnerte mich „Der Diener zweier Herren“:
Für den Gaumen:
Während der Diener gleich bei beiden Herren parallel ein Mehrgänge-Menü servieren muss, kommt es natürlich zu ordentlich Turbulenzen. Beim Vorkosten wird zudem gleich ein Gang aussortiert: ein Pudding, denn der ist einfach zu lecker, um ihn zu servieren und gehört lieber selbst gegessen.
Für einen Venedigbesuch:
Geht man mit offenen Augen durch Venedig trifft man immer mal wieder auf den großen Sohn der Stadt: Carlo Goldoni (1707 – 1793). Sei es als Statue oder aber als Namensgeber für das heutige Teatro Goldoni, das älteste noch existierende und bespielte Theater in der Lagunenstadt.


Zum Weiterlesen:
Ich habe es dieses Mal zeitlich leider nicht mehr geschafft, das Stück vor dem Theaterbesuch zu lesen – hatte dafür vielleicht aber auch mehr Überraschungseffekte während der Vorstellung. In Landshut wurde eine deutsche Textfassung (frisch und modern) von Geraldine Gabor gespielt. Bei Reclam gibt es eine Übersetzung von Friedrich Ludwig Schröder zu lesen:
Carlo Goldoni, Der Diener zweier Herren
Dt. Bearb. von Friedrich Ludwig Schröder
Nachw. von Jürgen von Stackelberg
Reclam
ISBN: 978-3-15-000463-0

Vielen Dank, Barbara, für die vergnügliche Schilderung dieses Theaterabends, doppelt drinnen und draußen. Schöne Grüße zum Sonntag, Bernd
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Danke, Bernd fürs Mitfreuen. Ja, es war wirklich ein (doppeltes) Vergnügen! Ich wünsche Dir ebenfalls eine schönen und hoffentlich vergnüglichen Sonntag und sende herzliche Grüße nach Nürnberg! Barbara
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