Italiensehnsucht in Wort und Bild

Manchmal fügt es sich und es tritt der Glücksfall ein, dass sich Lektüre und Kunstgenuss auf wunderbare, ideale Weise ergänzen. Man hört ein Musikstück und verbindet dies mit einem bestimmten kulinarischen Genuss oder man sieht ein Bild und hat sofort ein Gedicht im Kopf – genau diese Momente der Inspiration sind es, welche für mich die Kulturbowle ausmachen sollen. Eine solche Symbiose durfte ich vor kurzem mit den Gemälden der Ausstellung „Italiensehnsucht!“ und dem kleinen, aber sehr feinen Gedichtband „Ein rätselschönes Schweigen“ des jungen Dichters Marius Tölzer erleben, der in seinen wunderbar durchkomponierten und an Goethe oder Hölderlin erinnernden Gedichten sofort leuchtende Bilder vor meinem Auge entstehen ließ. Da zeichnet er südliche, italienisch anmutende Stimmungen von plätschernden Brunnen, blühenden Gärten und Parks, belebten Märkten und abendlichen Festen im Freien.

Seine Gedichte verbinden urbane Impressionen (z.B. Glockenläuten, Katzen auf den Dächern) mit Eindrücken aus der Natur (Mandelblüten, Efeublätter etc.) und alle atmen für mich das gewisse Etwas der italienischen Lebensfreude, der südlichen Wärme und kombinieren eine gewisse Leichtigkeit mit dem tiefgründigen Ernst großer Emotionen.

So klingen seine „Viterbeser Lieder“ (die Stadt Viterbo liegt in Mittelitalien 77km nördlich von Rom) für mich nach einem stimmungsvollen Sommerabend in Italien und mit seiner bildhaften, klangvollen Sprache zaubert er mich weg aus dem verschneiten Deutschland in den sonnigen Süden. Italiensehnsucht pur!

Er greift sogar selbst auf die italienische Sprache zurück und so enthält der Band auch ein bzw. zwei italienische Gedichte – in dieser herrlichen Sprache, die in ihrer tänzerischen Melodiösität ohnehin kaum zu übertreffen ist.

Tölzer schreibt klassisch-romantisch inspirierte Gedichte mit viel Gefühl und großen Emotionen – es geht um Liebe und Trauer, Abschied und Trost. Er wechselt und spielt gekonnt und frei mit Form und Rhythmus – da gibt es ein Sonett, Lieder oder aber auch kurze Vierzeiler. Man spürt, dass er sich intensiv mit der Poesie von Hölderlin, Goethe und Novalis auch im Rahmen seines Studiums und seiner Promotion auseinandergesetzt hat und doch findet er inspiriert von den großen Meistern in seinen Gedichten seinen eigenen Ton, den man mit großem Genuss liest. Für mich hatten diese klugen, klangvollen Gedichte etwas ungemein Friedliches, Beruhigendes und Tröstliches – Worte voller Schönheit, die Balsam für die Seele sein können und die beim Lesen und Wiederlesen immer wieder etwas Neues in einem zum Klingen bringen. Das vermag so intensiv wohl nur Lyrik und Poesie!

Die gemalten Bilder zu diesen eindrucksvollen Gedichten konnte ich dann in der digitalen Version und im Katalog zur Ausstellung „Italiensehnsucht!“ (Kulturspeicher Würzburg) genießen und bewundern. Mediterranes Flair eingefangen durch deutsche Künstler, die sich den Traum erfüllten, eine Zeit in Italien zu leben und zu arbeiten. So entstanden Werke mit jenem typisch südlichen, warmen Licht und teils unbeschwerter Urlaubsatmosphäre – eingefangen und entstanden in den Jahren 1905 bis 1933, u.a. von Künstlern, die Stipendien in der Villa Romana in Florenz oder der Villa Massimo in Rom erhalten hatten oder sich auch privat in Italien eingerichtet hatten: August Macke, Max Pechstein, Dora Hitz, Max Beckmann, Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Anita Rée, um nur einige zu nennen. Der liebevoll gestaltete und grafisch sehr ansprechende Katalog enthält neben den Bildern und Kunstwerken der Ausstellung auch interessante Artikel zu den beiden Künstlerakademien und den Künstlern, die Anfang des 20. Jahrhunderts auf Goethes Spuren in Italien wandelten und dort ihre Inspirationen in Kunst umsetzten. Italien war und ist Sehnsuchtsort für deutsche Künstler und Reisende.

In Zeiten wie diesen, in welchen es nicht möglich ist, nach Italien zu reisen, waren die Gedichte Tölzer’s und die Kunstwerke der Ausstellung eine schöne Möglichkeit, sich zumindest literarisch und künstlerisch dorthin zu träumen und ein wenig in der Sehnsucht zu schwelgen, die schon Goethe mit uns teilte.

„Wir sind im tiefen Wesen unergründlich
Begegnen uns in der Unendlichkeit
Erfinden uns und sind doch unerfindlich
Und Träumen meint uns Möglichkeit.“


(Marius Tölzer, aus „Ein rätselschönes Schweigen“)

Am morgigen Sonntag, den 21. März ist der „Welttag der Poesie“, welchen die Unesco im Jahre 2000 ins Leben gerufen hat. Daher nehmt Euch Zeit für Poesie, Lyrik und Gedichte, träumt ein wenig und genießt die Schönheit der Sprache!

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Mirabilis Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar des Gedichtbands zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.

Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.

Buchinformation:
Marius Tölzer, Ein rätselschönes Schweigen
Hrsg.: edition tas:ir, Andres Miklaw
Mirabilis Verlag
ISBN: 978-3-9818484-5-8

Italiensehnsucht. Auf den Spuren deutschsprachiger Künstlerinnen und Künstler 1905–1933
Katalog zur Ausstellung im Museum im Kulturspeicher, Würzburg, Museum August Macke Haus, Bonn und Max Pechstein Museum, Zwickau 2020/2021
herausgegeben von Martina Padberg, Klara Denker-Nagels, Henrike Holsing, Petra Lewey
Wienand Verlag
ISBN: 978-3-86832-590-4

© Wienand Verlag

***

Wozu inspirierten bzw. woran erinnerten mich „Ein rätselschönes Schweigen“ und „Italiensehnsucht!“:

Für den Gaumen:
Eines der Bilder der Ausstellung, welches der Kulturspeicher in Würzburg als Titelbild des Internetauftritts gewählt hatte, ist Theo van Brockhusen’s „Blick von der Villa Romana auf die Silhouette der Stadt Florenz“ (1913): da gibt es Rotwein, frisches Obst und Gemüse und vor allem frische Wassermelone – da bekommt man nicht nur Italiensehnsucht, sondern auch Sommersehnsucht…

Zum Weiterklicken:
Wer mehr über den Dichter und Philosophen Marius Tölzer (*1991) erfahren möchte, kann gerne auf seiner Homepage weiterstöbern und dort zusätzliche Information zu Vita und Werk erhalten.

Zum Weiterschauen oder für den Museumsbesuch:
Die „Italiensehnsucht!“-Ausstellung in Würzburg ging leider ohne Besucher zu Ende, hatte aber ein schönes digitales Angebot zusammengestellt, das ich sehr genossen habe. Die Ausstellung zieht jetzt weiter und macht vom 27. März bis zum 30. Mai 2021 im Max Pechstein-Museum in Zwickau Station, danach geht es weiter nach Bonn im Museum August Macke Haus (18.06.2021–19.09.2021). D.h. vielleicht bekommt jetzt doch noch der eine oder andere eine Chance, diese schöne Ausstellung zu besuchen und sich ein wenig nach Italien zu träumen.

Zum Weiterhören:
Perfekt zur Italiensehnsucht und zur Rom-Romantik passen für mich die sinfonischen Dichtungen von Ottorino Respighi „Fontane die Roma“, „Pini di Roma“ und „Feste romane“, die im Bereich der klassischen Musik für mich die italienische Stimmung und Klangwelt hervorragend einfangen.

Zum Weiterlesen:
Wer beim Schmökern im Ausstellungskatalog zu „Italiensehnsucht!“ Lust darauf bekommen hat, mehr über die Villa Massimo in Rom zu erfahren, in welcher Stipendiaten aus den Bereichen Literatur, Musik (Komposition), bildende Kunst, Architektur die Möglichkeit bekommen, sich von der ewigen Stadt inspirieren zu lassen, der kann in Hanns-Josef Ortheil’s Buch einen intensiven Eindruck von seiner Zeit in der Villa bekommen:

Hanns-Josef Ortheil, Rom, Villa Massimo
btb
ISBN: 978-3-442-71427-8

7 Kommentare zu „Italiensehnsucht in Wort und Bild

  1. Herrliche Anregungen, die Erinnerungen aufkommen lassen und Vorgeschmack auf neue Reisen geben! Ich habe gerade von Hanns-Josef Ortheil „Italienische Momente“ gelesen und möchte es noch passend hierzu empfehlen. Eine Art Potpourri, das einen guten Überblick über sein literarisches Schaffen in Verbindung mit Italien gibt, man liest Auszüge und wird inspiriert, auf „Rom, Villa Massimo“ oder andere Werke zuzugreifen.
    Tanti saluti aus dem Sehnsuchtsland der Deutschen! 😉😍

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Anke! Hanns-Josef Ortheil zählt zu meinen absoluten Lieblingsschriftstellern und ich greife immer wieder gerne zu seinen Büchern. Seine Liebe zu Italien, zur Musik, zur Literatur und zu guter Küche – da finde ich mich in sehr vielem wieder… ich bin schon sehr gespannt und freue mich sehr auf Deinen Beitrag zu „Italienische Momente“. Er selbst bloggt übrigens auch unter http://www.ortheil-blog.de/ – vielleicht magst Du ja auch da mal reinschauen. Herzliche Grüße zurück! Barbara

      Gefällt 1 Person

    1. Gerne, Poesie bedeutet auch, zwischen den Zeilen zu lesen und die Gedichte sprechen zu jedem, der sich darauf einlässt – das ist das Schöne an Lyrik, dass jeder sie für sich interpretieren und das „rätselschöne Schweigen“ mit eigenen Worten füllen kann. Hoffen wir, dass der Frühling sich auch wettertechnisch bald bemerkbar macht und ebenfalls beste Grüße, Barbara

      Gefällt 1 Person

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