Ein nicht zu leugnendes Faible für Krimi-Klassiker und die Empfehlungen geschätzter Bloggerkolleginnen (in meinen Kommentaren) führten dazu, dass ich endlich einmal den ersten Band von Dorothy L. Sayers Lord Peter Wimsey-Reihe „Ein Toter zu wenig“ (Originaltitel: „Whose Body?“, früher im deutschen auch als „Der Tote in der Badewanne“ bekannt) gelesen habe. Mit großem Genuss und fürstlichem Vergnügen übrigens und als ich dann noch entdeckt habe, dass das Buch 1923 erschienen ist und somit 100 Jahre alt ist bzw. wird, war gleich noch eine neue Idee geboren: eine kleine Miniserie mit dem Titel „Hundertjährigenbowle“, in welcher ich Bücher vorstelle, die vor 100 Jahren zum ersten Mal veröffentlicht wurden. Da das Jahr 1923 in meinem Zeitstrahl bislang noch unbesetzt war, kann hier durchaus ein wenig aufgefüllt werden – mal sehen, was dieses Jahr diesbezüglich zusammenkommen wird. Ein paar weitere Ideen bzw. Bücher habe ich schon im Kopf – lasst Euch überraschen…
Überrascht war übrigens auch ich, welchen Esprit und welche Spritzigkeit sich das Werk selbst nach 100 Jahren bewahrt hat – man merkt dem Krimi dieses Alter – trotz eines gewissen liebenswürdigen Retro-Charmes – nicht an. Vielmehr ziehe ich den Hut vor der Autorin, die es verstanden hat, eine unterhaltsame, spannend-verzwickte Kriminalgeschichte zu erzählen und eine sympathische Hauptfigur zu schaffen, der man auch heute noch gerne folgt.
Denn dieser Lord Peter Wimsey, der als Adeliger gerne Privatdetektiv spielt – ist mir gleich aus mehreren Gründen sympathisch: er ist verrückt nach Büchern, gibt ein Vermögen für besondere antiquarische Ausgaben aus, liebt die Musik und ist auch dem kulinarischen Genuss nicht abgeneigt.
„Das größte Hindernis für Lord Peters Karriere als Privatdetektiv war seine Privatschulerziehung.“
(S.230)
Zudem ist er gesegnet mit einem resoluten Butler der Extraklasse, der wahrlich seinesgleichen sucht, seinem Lord jeden Wunsch von den Lippen abliest und ihn nach Kräften vor jedwedem Unheil bewahrt:
„Nicht in dieser Hose, Mylord“, sagte Mr. Bunter und verstellte ihm mit ehrerbietiger Bestimmtheit den Weg zur Tür.
(S.160)
„Bitte, Bunter“, flehte Seine Lordschaft, „nur dieses eine Mal. Sie wissen nicht, wie wichtig das ist.“
„Um keinen Preis, Mylord. Und wenn es mich meine Stellung kostet.“
Doch Wimsey ist nicht nur ein adeliger Lebemann mit einer Vorliebe für private Ermittlungen und kriminalistische Rätsel, sondern hat im ersten Weltkrieg auch ein Trauma davongetragen, das ihn nicht loslässt – somit hat Sayers bereits im ersten Band die Basis für einen vielschichtigen und tiefgründigen Charakter gelegt.
Zum Fall möchte ich gar nicht allzu viel verraten: der mysteriöse, unbekannte Tote, der nackt und ausschließlich mit einem Kneifer bekleidet, in einer fremden Badewanne gefunden wird, gibt viele Fragen auf und schon bald scheint es sich nicht nur um einen, sondern gleich um zwei Kriminalfälle zu handeln, die Lord Wimsey und sein Freund und Polizist Parker von Scotland Yard gemeinsam zu lösen haben.
„Bei einem Menschen, der weder Verwandte noch Vorfahren zu haben schien, ja nicht einmal Kleider anhatte, glich das Nachdenken über ein Mordmotiv dem Versuch, sich die vierte Dimension vorzustellen – eine hervorragende Übung für die Phantasie, aber mühsam und fruchtlos.“
(S.116)
Dorothy L. Sayers gehörte nicht nur zu den Gründungsmitgliedern des 1928 in London gegründeten Detection Clubs, sondern hielt sich in ihren Kriminalromanen auch stets an die Regel, dass der Leserschaft alle Hinweise und Ermittlungsergebnisse zur Aufklärung des Verbrechens ebenfalls zur Verfügung stehen müssen, damit diese auch in der Lage ist, den Fall selbst zu lösen.
Laut der britischen Zeitung „The Guardian“ gehört „Ein Toter zu wenig“ zu den tausend Romanen, die jede und jeder gelesen haben sollte (Quelle: Wikipedia).
Eine „Pflicht“, der ich gerne nachgekommen bin, denn ich habe mit Lord Peters erstem Fall wirklich sehr vergnügliche Lesestunden verbracht, mich über die herrlich flotten, spitzzüngigen Dialoge königlich amüsiert und nehme so wunderbare Sätze mit in den Alltag wie:
„Ich hasse Unannehmlichkeiten vor dem Frühstück.“
(S.25)
Daher freue ich mich auf ein baldiges Wiedersehen mit Sayers unsterblichen Figuren und so werde ich es mit den weiteren Bänden einfach mit Lord Peters Wahlspruch halten „‚As my whimsy takes me‘ (Wie mich die Laune lenkt)“ (S.7).
Von Zeit zu Zeit – je nach Lust und Laune – werde ich die Reihe sicherlich weiterlesen, mir zwischendurch ein schönes, britisch-klassisches Krimivergnügen gönnen und abtauchen in die Welt von Lord Peter und Butler Bunter.
Eine weitere Besprechung zum Buch gibt es auf crimealley und wer mehr über Dorothy L. Sayers selbst erfahren möchte, findet bei Anna auf buchpost interessante Beiträge (hier, hier und hier) über die Biografie der berühmten Krimiautorin.

Buchinformation:
Dorothy L. Sayers, Ein Toter zu wenig
Aus dem Englischen von Otto Bayer
Wunderlich
ISBN: 978-3-8052-0058-5
***
Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Dorothy L. Sayers „Ein Toter zu wenig“:
Für den Gaumen:
Als Stärkung während der Ermittlungen gibt es für Lord Peter unter anderem „kalten Braten und Käse“ (S.63).
Zum Weiterhören:
Lord Peter Wimsey ist nicht nur buch- sondern auch musikbegeistert, was ihn mir natürlich noch zusätzlich sympathisch macht. So spielt er selbst eine „Sonate von Scarlatti“ (S.54) auf dem Klavier, die aber aus seiner Sicht auf einem Spinett besser aufgehoben wäre.
Und er singt im Bad das „Et iterum venturus est“ aus Bachs h-Moll Messe – wahrlich ein Mann mit Stil.
Zum Weiterlesen:
Der Auftakt der Krimireihe hat Laune gemacht und definitiv die Lust auf weitere Bände geweckt – und natürlich bleibe ich jetzt auch dabei, in der richtigen und chronologischen Reihenfolge weiterzulesen: Fall zwei für Lord Peter Wimsey „Diskrete Zeugen“ liegt schon hier auf dem Stapel und wartet auf seinen Einsatz:
Dorothy L. Sayers, Diskrete Zeugen
Aus dem Englischen von Otto Bayer
Wunderlich
ISBN: 978-3-8052-0063-9
Wimsey ist als Engländer unschlagbar. Mit den Sayers Büchern habe ich schon in meiner Jugend angefangen. Wäre jetzt mal wieder dran. Mal schauen, ob ich mich erinnere beim Stöbern, welcher mein Liebling war.
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Da habe ich eindeutig Nachholbedarf. Ich hatte vor vielen Jahren nur mal einen einzelnen Band gelesen („Ärger im Bellona Club“). Aber ich glaube, wenn man chronologisch der Reihe nach liest, hat man vermutlich einfach mehr davon. Zumindest bin ich jetzt auf den Geschmack gekommen. Viel Freude beim Stöbern und Schmökern und einen wunderbaren Sonntag!
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„Hundertjährigenbowle“ hört sich toll an! Ich werde ein treuer Leser sein 🙂 Einen schönen Sonntag!!
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Sehr schön. Das freut mich, Alexander. Ich bin auch neugierig, was mir die Literatur von vor hundert Jahren heute noch zu sagen hat. 🙂 Dir auch einen schönen Sonntag und herzliche Grüße!
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Und ich freue mich, die Tippgeberin gewesen sein zu dürfen – und natürlich, dass es dir gefallen und dich zu einer neuen Serie animiert hat! 👍😉
Abendgrüße ☁️🌧️🍷🍪
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Ich habe zu danken, liebe Christiane. Der Tipp war goldrichtig und hat mir zur rechten Zeit den kleinen Schubs gegeben, der notwendig war, die Reihe jetzt endlich anzupacken. Ganz herzliche Abendgrüße zurück in den Norden ⭐️🍷🍪
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Satanarchäolügenialkohöllisch stark. Und die Reihenidee ist fantastisch!
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Danke, Ole. Freut mich, wenn meine Kulturbowle für Dich quasi zu Michael Endes Wunschpunsch wird. Viele Grüße!
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Ach, wie schön, ich freue mich, dass da noch jemand die Sayers-Bände für sich entdeckt. Viel Spaß bei den weiteren Ermittlungen 🙂 Anna
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Danke, Anna. Ja, daran habt Ihr, d.h. Christiane und Du erheblichen Anteil. Danke nochmal für Eure begeisterten Empfehlungen, die jetzt den nötigen Nachdruck erzeugt haben, dass ich „die Ermittlungen“ endlich aufgenommen habe. 🙂 Herzliche Rosenmontagsgrüße und eine schöne restliche Woche! Barbara
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Hätte jetzt glatt Lust, auch mal wieder den ersten Band hervorzuholen. Aber noch liegt anderes hier und mit dem Bloggen bin ich auch total im Verzug. Aber irgendwann hol ich mir die Sayers-Bände wieder herbei. 🙂
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Das kann ich sehr gut verstehen. Bei mir wird der nächste Fall auch noch ein bisschen warten müssen, weil gerade andere Bücher Vorrang haben. Aber der zweite Band liegt schon neben mir und Band 3 und 4 werden wohl auch bald den Weg auf meinen Stapel finden. 🙂 Dann steht dem weiteren Krimivergnügen nichts mehr im Wege. Herzliche Grüße und eine gute restliche Woche! Barbara
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Diese Freundschaft zw Butler und Lebemann, entstanden im ersten Weltkrieg, hat mich damals auch so beeindruckt! Und auch all die anderen kritischen Aspekte, die sich immer wieder in ihren Büchern finden. Aber auch mit so viel Humor und Liebe. Ich kann alle Bücher empfehlen. Die Neuübersetzungen werde ich auf meine Wunschlisten setzen
Danke Dir
Liebe Grüße
Nina
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Danke, Nina. Ja, bei mir liegen mittlerweile Band 2-4 auch schon bereit und ich werde die Serie sicher weiter verfolgen. Ich bin schon gespannt, wie sich die Figuren weiter entwickeln. Ich finde sowohl die Übersetzung, als auch die neuen, gebundenen Ausgaben des Wunderlich Verlags auch optisch sehr gelungen. Viel Freude dann bei der erneuten Lektüre und herzliche Grüße! Barbara
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