Bernhard Jaumann schickt seine Kunstdetektei Schleewitz erneut ins Rennen und zwar auf den Spuren eines Künstlers, welcher der Öffentlichkeit bereits seit Jahrzehnten viele Rätsel aufgibt. Im Krimi „Banksy und der blinde Fleck“ ermitteln Klara, Rupert und Max mittlerweile zum dritten Mal in Sachen Kunst und zwar führen sie im neuen Fall mysteriöse Ratten-Graffitis quer durch München.
„Schließlich hatte sie selbst festgestellt, dass Streetart auf den richtigen Ort angewiesen war, wenn sie nicht leblos wirken wollte.“
(S.154)
Ist es wirklich Banksy, der jetzt in München aktiv ist? Nahezu jede Nacht tauchen neue Rattenbilder im Stadtgebiet auf. Auf der Tür einer Imbissbude, auf einer Mauer entlang der Bahngleise oder in einem schicken Mietshaus. Der Stil der Kunstwerke, die verwendete Schablonentechnik und die Motive – ob die berühmten Ratten, das Mädchen mit dem Ballon – das spätestens seit der spektakulären Schredderaktion während der Versteigerung bei Sotheby’s zu Weltruhm gelangte – oder der „Flower Thrower“ – vieles spricht dafür, dass Banksy dahinter steckt. Schon bald wollen es die Kunstdetektive genau wissen und beginnen zu recherchieren.
Doch wie findet man ein Phantom, das sich schon seit Jahren konsequent der Öffentlichkeit entzieht und alle Experten an der Nase herumführt?
Während sich Rupert – unter Einsatz seines Lebens und seiner Leber – im Münchner Nachtleben mit durchwachsenem Erfolg versucht, unter die Sprayerszene zu mischen, um mit Fachleuten zu sprechen und wertvolle Kontakte zu knüpfen, verbeißt sich Chefrechercheur und Archivexperte Max vollkommen darin, dem Mysterium Banksy auf die Schliche zu kommen. Und Klara hat neben den komplizierten Ermittlungen auch mit ihrem an Parkinson erkrankten Vater, der sich zwischenzeitlich in ihrer Münchner Wohnung einquartiert hat, alle Hände voll zu tun.
Schon bald verfolgt jeder der drei seinen ganz eigenen Weg durch den Münchner Großstadtdschungel und die verworrenen Verwicklungen des Falls in der Streetart-Szene fordern nicht nur bald ein Todesopfer, sondern stellen auch den Zusammenhalt der Detektive auf eine harte Belastungsprobe…
Jaumann lässt seine Ermittler quer durch München dem mysteriösen Sprayer hinterher jagen: von der Donnersberger Brücke zum Haus der Kunst und der Eisbachwelle, vom Nobelviertel Bogenhausen in die unspektakulären Vororte.
Die wilde Hatz ist kurzweilig und macht um so mehr Spaß, wenn man München ein wenig kennt. Zudem lassen auch die häufigen Milieuwechsel bzw. Schauplätze von der Dönerbude, der Shishabar bis hin zum Auktionshaus oder der Luxusvilla mit pelzbemäntelter Bewohnerin keine Langeweile aufkommen.
Hier schöpft der Autor nicht nur in punkto Münchner Lokalkolorit, sondern auch bezüglich seiner zugespitzt-pointierten, teils bewusst überzeichneten Charakterisierung seiner Figuren und Tatorte aus dem Vollen.
„Wonach man nicht sucht, das wird man normalerweise nicht finden. Worauf man nicht schaut, das wird man schwer sehen. Aber kaum stellt man den eigenen Blick ein wenig anders ein, fällt es einem wie Schuppen von den Augen.“
(S.176)
Die Stärke des Buchs liegt für mich persönlich – wie auch schon bei den Vorgängerbänden – auf der gelungenen und unwiderstehlichen Verbindung von Krimi und Kunst bzw. Kunstgeschichte. In diesem Fall habe ich viel über Banksy bzw. die mit ihm verbundenen Rätsel und Theorien gelernt und erneut hat mir die Lektüre wieder große Lust darauf gemacht, weiter zu lesen, weiter zu recherchieren, Bilder des Künstlers anzuschauen und mich näher mit der Person und seinen Werken auseinanderzusetzen.
Denn Jaumann schafft es zweifelsohne markante Figuren, eine Prise Krimi und Spannung, Münchner Schmankerl und Eigenheiten, sowie das Thema Kunst so geschickt und schmackhaft zu verbinden, dass man sofort Laune verspürt, eine Ausstellung oder Museum zu besuchen oder sich – in diesem Falle – Streetart näher anzuschauen.
Für Münchenfans und Kunstfreunde, die sich gerne auf amüsante und spielerische Art und Weise auch dem Phänomen Banksy etwas nähern möchten, bietet dieser Krimi eine unterhaltsame Gelegenheit, die genutzt werden sollte. Und für alle, denen Klara, Rupert und Max schon in den ersten beiden Bänden ans Herz gewachsen sind, ist es natürlich ohnehin spannend zu verfolgen, wie es mit der Kunstdetektei Schleewitz weitergeht und so viel kann man vermutlich verraten: interessante KünstlerInnen und pikante Münchner Geschichten gibt es sicherlich noch genug, so dass es hoffentlich nicht an Stoff für weitere Fälle und eine Fortsetzung mangeln sollte.
„Tote hatten keine Meinung. Nur ein Recht auf Erinnerung. Und eine Würde. Aber die hatten die Lebenden auch, samt einiger Bedürfnisse mehr. Verlierer, Gewinner, Wahrheiten im Plural, blutige Flecken auf sauberen Westen. Ratten überall.“
(S.297)

Mit Bernhard Jaumanns „Banksy und der blinde Fleck“ habe ich einen weiteren Punkt meiner „23 für 2023“ erfüllt – Punkt Nummer 13) auf der Liste: Ich möchte ein Buch, in dem Malerei eine Rolle spielt, lesen. Auch wenn es sich bei Banksys Kunst streng genommen nicht um Malerei im engeren Sinn handelt, sondern um mit Hilfe von Schablonen gesprayte Bilder, möchte ich das trotzdem mal gelten lassen – es geht schließlich um Kunst.
Ich bedanke mich sehr herzlich beim Verlag Galiani Berlin, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Auf meine Meinung und Rezension des Buches hatte dies keinen Einfluss.
Beim Klick auf den Titel gibt es nähere Informationen zum Buch auf der Seite des Verlags.

Buchinformation:
Bernhard Jaumann, Banksy und der blinde Fleck
Galiani Berlin
ISBN: 978-3-86971-273-4
***
Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Bernhard Jaumanns „Banksy und der blinde Fleck“:
Für den Gaumen (I):
Mit einigen Risiken und Nebenwirkungen ist im Buch der Genuss eines „Moscow Mule“ (S.97) verbunden – der Mix aus Wodka, Limettensaft, Ginger Beer und Minze, der im Kupferbecher serviert wird, hat es wohl ordentlich in sich.
Für den Gaumen (II):
Klaras pflegebedürftiger und gewiefter Vater zieht die Belieferung durch den Edelitaliener um die Ecke dem klassischen „Essen auf Rädern“ vor – nobel geht schließlich die Welt zugrunde:
„(…) und im Hause Ivanovic gab es als Antipasto Tintenfischsalat mit Kichererbsen, Fenchel und Parmesanschnitzen. Dem folgten Spaghetti allo scoglio mit Weißweinsauce und als Hauptgericht ein kurz angebratenes Schwertfischsteak. Das Dessert, eine Crema bavarese, sei auch sehr lecker gewesen (…)“
(S.171)
Zum Weiterlesen (I) und Weiterschauen:
Im Jahr 2006 ist mit „Wall and piece“ ein Werk mit Fotografien von Banksys Werken erschienen – der „Flower Thrower“, der den Titel dieses Buchs ziert, ist übrigens auch auf dem Umschlag des neuen Jaumann-Krimis zu sehen.
Banksy, Wall and Piece
Century
ISBN: 9781844137879
Zum Weiterlesen (II) bzw. vorher lesen:
Es ist zwar nicht unbedingt notwendig, aber auf jeden Fall empfehlenswert, die ersten beiden Bände der Krimireihe vorher zu lesen. Denn die Mitarbeiter der Detektei sind dann bereits bekannt und entwickeln sich weiter. Ins Zentrum der ersten beiden Bände hat Jaumann Werke der Künstler Franz Marc und Caravaggio gestellt – beide habe ich auch hier auf der Kulturbowle vorgestellt, d.h. wer möchte kann gerne auch in meine Rezensionen der ersten Teile „Der Turm der blauen Pferde“ und „Caravaggios Schatten“ mal hineinlesen.
Aber Achtung: Akute Lust auf Museumsbesuche vorprogrammiert!
Bernhard Jaumann, Der Turm der blauen Pferde
Galiani Berlin
ISBN: 978-3-86971-141-6
Bernhard Jaumann, Caravaggios Schatten
Galiani Berlin
ISBN: 978-3-86971-197-3
Bin gerade auf Sylt und habe es gleich in der Buchhandlung bestellt. Die Buchhändlerin fand es aufgrund meiner Beschreibung – Name des Schreibers hatte ich vergessen – und war von meiner Erzählung auf Basis deiner Rezension so begeistert, dass sie gleich welche für den Buchladen mitbestellt hat: „Obwohl München hier nicht so geht“. So bringt dein Artikel das Buch in die Tonnenhalle nach List auf Sylt.
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Oh, Sylt… da bekomme ich gleich Sehnsucht nach Strand und Wellen…
Und iss bitte ein Fischbrötchen für mich mit! 🙂
Ich wünsche Dir einen wunderbaren Urlaub und ganz viel Freude bei der Lektüre, auch wenn sich die Kombination zwischen Sylt und München wirklich nicht sofort aufdrängt, da muss ich der Buchhändlerin schon ein klein wenig Recht geben.😉
Ganz herzliche Grüße an die Nordsee!
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