Junibowle 2023 – Helle Tage und Shakespearesommer

Der Mittsommermonat Juni hat mit den langen, hellen Tagen und dieses Jahr auch mit warmem, sonnigem Wetter viele Möglichkeiten geboten, sich auch im Freien aufzuhalten und zu beschäftigen. Freilichttheater, Biergartenbesuche, Ausflüge in die Natur… da kann schon – jedoch ohne jedes Bedauern – auch einmal etwas weniger Zeit fürs Lesen und Schreiben bleiben. Denn diese Sommerstimmung will schließlich genutzt und genossen werden.

Und doch gibt es natürlich auch diesen Monat wieder einiges Kulturelles und Literarisches, über das es sich zu berichten bzw. das es festzuhalten lohnt:

Für mich war im Juni ein Shakespeare-Monat, denn ich durfte gleich zwei seiner bekanntesten und beliebtesten Komödien an wunderbaren Plätzen bzw. Orten erleben, und zwar Wie es euch gefälltim Landshuter Prantlgarten bei den Burgenfestspielen des Landestheaters Niederbayern und „Ein Sommernachtstraum“ im Neuen Globe Theater in Schwäbisch Hall im Rahmen der Freilichtspiele. Zwei tolle Theaterabende, die mir in besonderer und guter Erinnerung bleiben werden.

Dazu gab es auch zahlreiche Konzerte im Fernsehen zu genießen, denn der Festspielsommer hat auch da schon begonnen: z.B. mit dem Waldbühnenkonzert der Berliner Philharmoniker und Klaus Florian Vogt auf RBB und ARD, dem Sommernachtskonzert aus Schönbrunn (dieses Jahr mit Elina Garanča) oder aber auch der Übertragung des Musicals „Elisabeth“ ebenfalls vor der prächtigen Kulisse von Schloss Schönbrunn auf 3Sat.

Und auch literarisch hielt der Sommer auf der Kulturbowle Einzug:
Besondere Freude hatte ich diesen Monat mit einem Gastbeitrag, den ich in der Reihe Mein Klassikerauf dem von mir sehr geschätzten Blog von Birgit Böllinger beisteuern und in dem ich eines meiner absoluten Lieblings- bzw. Herzensbücher (und nun auch Teil meiner Herzbowle) vorstellen durfte: Erich Kästners „Der kleine Grenzverkehr ist ein perfektes, zauberhaftes Sommerbuch voller Leichtigkeit, das ich immer und immer wieder mit höchstem Genuss lesen kann.

Von Salzburg ging es nach Wien mit dem neuesten Roman von Robert Seethaler „Das Café ohne Namen. Meinen Nerv hat er mit seiner Geschichte aus den Sechziger Jahren um den Gastwirt Robert Simon definitiv getroffen und ich habe das Buch schnell und gern gelesen. Ich hoffe, ich finde noch Zeit und Gelegenheit für eine ausführlichere Besprechung, die das Werk auf jeden Fall verdient – mal sehen, was der Sommer noch bringt…

Interessant und amüsant – auch wenn einem das Lachen manchmal im Halse stecken bleibt – war definitiv auch die Lesekreislektüre des Monats mit Eugen Ruge und seinem literarischen Ausflug nach „Pompeji“. Ein außergewöhnliches Buch, das geradezu permanent verlockt bzw. dazu einlädt, Parallelen zur heutigen Zeit und zeitgenössischen PolitikerInnen zu ziehen. Unterhaltsam und schonungslos zugleich.

Als Mittsommerlektüre habe ich mir einen schwedischen Krimi-Klassiker der oft als Agatha Christie Schwedens bezeichneten Autorin Maria Lang gegönnt, und zwar ihren Debütroman „Nicht nur der Mörder lügt“, der an Mittsommer auf einer kleinen Schäreninsel spielt, die – wie könnte es bei dem Titel auch anders sein – nicht mehr von allen Besuchern lebend verlassen wird. Eine skandinavisch-nostalgische Krimilektüre mit schwedischem Urlaubsfeeling aus dem Jahr 1949.

Eine Reise in die Vergangenheit – ins Wien des Jahres 1933 – ließ mich das neue Buch von Gerhard Loibelsberger „Zerrüttung antreten. Joseph Maria Nechyba muss als Pensionär zeitungslesend mitverfolgen, wie der Einfluss der Nationalsozialisten immer mehr nach Österreich herüber schwappt. Basierend auf zahlreichen Originalquellen bzw. Zeitungsberichten entsteht ein eindrucksvolles geschichtliches Panorama, das ich bald noch ausführlicher vorstellen werde.

Zwei Hotel-Romane, die unterschiedlicher kaum sein könnten, aber von meiner Vorliebe für dieses Genre und vermutlich einer gewissen Urlaubssehnsucht zeugen, habe ich ebenfalls im Juni gelesen: JP O’Connells Roman „Hotel Portofino“, der an der schönen Riviera im Sommer 1926 in einem Hotel Briten und Italiener, Adel und Dienstboten, Künstler und Spieler, Arm und Reich, Jung und Alt aufeinander treffen lässt. Eine klassische luftig-leichte Sommerlektüre für alle, die etwas Sinn für Nostalgie haben.

Eine vollkommen andere Hotel-Stimmung erzeugt hingegen Anita Brookner in ihrem Booker-preisgekrönten Roman „Hotel du Lac“ von 1984. Die weibliche Hauptfigur wird gleichsam an den Genfer See verbannt, um dort nach einem unverzeihlichen, gesellschaftlichen Fauxpas zur Besinnung und aus der Schusslinie zu kommen. Die feinen Charakterstudien und Brookners Schreibstil haben mich erneut – wie auch schon bei „Seht mich an“ – vollkommen überzeugt und für sich eingenommen.

Poetisch, eindrücklich und nachdenklich wurde es schließlich mit Anna Ospelts Buch Frühe Pflanzung, das sich auf ganz besondere Art mit dem Thema Mutterschaft auseinandersetzt. Auch über dieses sehr intime, berührende und auf faszinierende Weise lyrisch-puristische Werk, werde ich bald ausführlicher hier berichten.

Und last but not least gab es auch noch eine Premiere auf meiner Kulturbowle: die erste Vorstellung eines Bilderbuchs bzw. illustrierten Buchs für Kinder mit Marlene Reidels „Jadwiga. Da aktuell ja gerade die „Landshuter Hochzeit 1475“ stattfindet, war es die perfekte Gelegenheit, dieses Kleinod, das auf zauberhafte, spielerisch-künstlerische Art und Weise einem jungen Publikum die geschichtlichen Hintergründe des traditionsreichen Landshuter Festes näher bringt, hier im Rahmen meiner Herzbowle vorzustellen. Ein wunderbares Buch, das in meiner Lesebiografie nicht fehlen darf.

Das erste halbe Jahr ist also schon wieder in Windeseile vorbeigesaust und vielleicht ist es eine gute Gelegenheit auch bei meinen 23 für 2023 eine kurze Zwischenbilanz zu ziehen: Stand heute habe ich 12 von 23 Punkten erfüllt. Punktlandung würde ich sagen, aber es gibt auch für die zweite Jahreshälfte noch genug zu tun und auf diesem Weg bestimmt noch viel Schönes zu entdecken.

Was bringt der Juli?

In meinem Landshuter Heimattheater endet die Spielzeit für mich mit einer weiteren Freilichtaufführung im Prantlgarten und zwar musikalisch mit „Le Villi & Cavalleria Rusticana“ – Puccini und Mascagni an einem Abend.

Doch nach der Spielzeit ist ja bekanntlich vor bzw. während der Festspielzeit und so freue ich mich und bin sehr gespannt auf Verdis „Nabucco“ beim Festival auf Gut Immling im Chiemgau.

Am 29. Juli 2023 gibt es um 20.15 Uhr auf 3Sat eine Ausstrahlung der neuen „Parsifal“-Inszenierung von den Bayreuther Festspielen zu sehen – in Starbesetzung u.a. mit Joseph Calleja als Parsifal, Elina Garanča als Kundry und Georg Zeppenfeld als Gurnemanz.

Vor der Sommerpause gibt es im Lesekreis für mich erneut ein Wiedersehen mit einer alten Bekannten namens Elizabeth Zott in Bonnie Garmus‘ „Eine Frage der Chemie. Das Buch hatte ich bereits ausführlich hier auf der Kulturbowle besprochen.

Zudem bin ich neugierig auf Susan Chois Roman „Vertrauensübung“, der am 24.07.23 erscheint und an einer amerikanischen Elite-Schauspielschule spielt.

Und natürlich gibt es in meiner Heimatstadt gerade das historische Fest der Landshuter Hochzeit 1475 zu erleben, das Landshut noch bis zum 23.07.23 in den Ausnahmezustand bzw. ins Mittelalter versetzt.

Ich wünsche allen einen angenehmen, hellen und freundlichen Juli mit guten Büchern und Kulturgenuss sowie vielen zauberhaften Sommermomenten! Allen, die vielleicht im Juli schon in den Urlaub oder die Sommerpause starten, wünsche ich eine gute Zeit bzw. schöne Ferien!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Juni:
Natürlich gehört es mit dazu, in Schwäbisch Hall auch die regionale Küche zu probieren und zwar gerne auch vegetarisch (ohne Saiten) in Form von Linsen mit Spätzle.

Musikalisches im Juni:
Das Waldbühnenkonzert 2023 der Berliner Philharmoniker mit Tenor Klaus Florian Vogt als Solist war für mich ein musikalischer Höhepunkt im Juni und ist noch bis zum 22.09.23 in der ARD Mediathek zu sehen – ein tolles Programm mit Richard Strauss, Richard Wagner, Carl Maria von Weber und natürlich der „Berliner Luft“, die als Zugabe nicht fehlen darf und dieses Mal sogar von Klaus Florian Vogt am Horn unterstützt wurde.

Sommersonnenwende – Mittsommer

Nun die Sonne soll vollenden
Ihre längste, schönste Bahn,
Wie sie zögert, sich zu wenden
Nach dem stillen Ozean!
Ihrer Göttin Jugendneige
Fühlt die ahnende Natur,
Und mir dünkt, bedeutsam schweige
Rings die abendliche Flur.

Nur die Wachtel, die sonst immer
Frühe schmälend weckt den Tag,
Schlägt dem überwachten Schimmer
Jetzt noch einen Weckeschlag;
Und die Lerche steigt im Singen
Hochauf aus dem duft’gen Tal,
Einen Blick noch zu erschwingen
In den schon versunknen Strahl.

Ludwig Uhland (1787-1862)

3 Kommentare zu „Junibowle 2023 – Helle Tage und Shakespearesommer

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