Septemberbowle 2023 – Sonnenkraft und Herbstvorboten

Schon wieder ist ein Monat vorbei und ich mag diese stillen, ruhigen Momente, in denen ich meine Monatsbowle schreibe und nochmal zurückblicke auf das was war. Kurz innehalten und dankbar sein für viel Gutes und Schönes, das ich genießen durfte. Dieser September war gerade in der ersten Hälfte noch ein echter Spätsommer mit hohen Temperaturen, viel Sonne und Draußensitzwetter. Erst gegen Ende des Monats konnte man mit etwas Morgennebel über den Feldern, ein paar bunten Blättern an den Bäumen und knirschenden, knackenden Bucheckern unter den Schuhen schon ein paar Herbstvorboten entdecken.

Im September war Zeit für Museumsbesuche, um große Kunst zu bestaunen und visuelle Eindrücke zu sammeln – in der Alten Pinakothek in München, die unter dem Motto Alte Meister in Bewegung (25.10.2022 – 31.12.2024) viel zu bieten hat (Raffael, Dürer, Botticelli, Tintoretto, Rubens, Tiepolo…) und aktuell auch eine Auswahl von Werken aus der Neuen Pinakothek zeigt – so lange diese renoviert wird: „Von Goya bis Manet – Meisterwerke der neuen Pinakothek in der alten Pinakothek“ (08.02.2022 – 31.12.2024). Ein Wiedersehen mit Max Liebermann, Werke von Manet, Rodin, van Gogh, Corinth, Hodler, Caspar David Friedrich…

Und auch die aktuelle Ausstellung im Landshuter Koenigmuseum „Im Austausch – Fritz Koenig und seine Kreise (13.05.2023 – 07.10.2023) wollte noch besucht werden, in der neben Werken von Fritz Koenig zahlreiche Werke befreundeter Künstler aus seinem Umfeld und aus seiner Sammlung gezeigt werden, so zum Beispiel Werke von Marlene und Karl Reidel, Marino Marini, Eduardo Chillida, Stefan Hunstein, Franz und Hugo Högner, Auguste Rodin.

Nachdem das berühmte Konzert letztes Jahr aufgrund des Todes von Queen Elizabeth II. abgesagt worden war, war die diesjährige Ausgabe der „Last Night of the Proms“ ein erneut besonderes, glanzvolles Ereignis: Solisten waren die norwegische Sopranistin Lise Davidsen und Cellist Sheku Kanneh-Mason unter der musikalischen Leitung von Marin Alsop – schön auch, dass 3Sat das Konzert dieses Mal in voller Länge übertragen hat (noch bis 08.10.23 in der 3Sat Mediathek verfügbar).

Und obwohl ich eigentlich keine große Serienseherin bin, ging es britisch weiter mit der BBC-Serie „Rückkehr ins Haus am Eaton Place“, die in der ARTE Mediathek zu sehen war. Gut gemacht, fand ich sie vor allem aus geschichtlichen Gründen interessant, beleuchtet sie doch die Zeit ab 1936 in London bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.

Und bei meinen Lektüren war mit Anthony Horowitz und seinem Krimi „Wenn Worte töten“ ebenfalls ein britischer Autor vertreten, der mich mit dem dritten Band der Hawthorne-Reihe auf die Kanalinsel Alderney entführte. Dort geraten im Rahmen eines Literaturfestivals der Autor Horowitz (er lässt sich in der Reihe selbst zur Hauptfigur werden) und sein Co-Autor und Ex-Polizist Hawthorne plötzlich in eine Mordermittlung.

„Ohne jede Vorwarnung war ich in das dritte Buch unserer geplanten Serie gestolpert. Aber für jeden, der das hier liest, war das vermutlich von Anfang an klar. Ich hätte ja über Hawthorne und Alderney nicht geschrieben, wenn wir bloß auf die Insel gekommen wären, um über Bücher zu reden und wieder nach Hause zu fliegen.“

(aus Anthony Horowitz „Wenn Worte töten“, S.115)

Ich kenne die ersten beiden Bände („Ein perfider Plan“ und „Mord in Highgate“) mit Horowitz und Hawthorne noch nicht, aber nach dieser kurzweiligen Krimilektüre mit raffiniertem dramaturgischem Kniff kann ich mir gut vorstellen, das noch bei Gelegenheit nachzuholen.

Zudem habe ich im September meinen ersten expliziten Corona-Roman gelesen: Tim Parks „Hotel Milano ist ein kunstvolles Kammerspiel, das den ersten Lockdown im März 2020 in einem Mailänder Luxushotel zur atmosphärisch-beklemmenden, literarischen Erfahrung werden lässt.

Und ich konnte meine Literarische Europareise (Europabowle) fortsetzen mit einem großartigen, stimmungsvollen Buch aus Lettland: Laura Vinogradovas „Wie ich lernte, den Fluss zu lieben ist eine intensive, elementare und geerdete Lektüre, die mich – auch sprachlich – sehr für sich eingenommen hat.

Eine absolute Pflichtlektüre (im positiven Sinn) war der neue Axel Hacke „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte – einer meiner Lieblingsautoren, der sich dieses Mal auf den Weg macht, schreibend die Heiterkeit zu ergründen. Ein wunderbares Buch zum Genießen und Nachdenken und auch aufgrund der Aufmachung schon rein optisch ein Sonnenstrahl.

Ein regelrechter Pageturner, den ich kaum mehr aus der Hand legen konnte, war der neue Roman von Rebecca Makkai „Ich hätte da ein paar Fragen an Sie. Intelligent, tiefgründig und sehr spannend zu lesen, wie die Autorin hier in Form eines Campus-Romans einen alten Kriminalfall nochmal neu aufrollt und zugleich den Finger in zahlreiche Wunden und Missstände der Gesellschaft und heutigen Zeit legt.

Eine Zeitreise ins Wien der Zwanziger Jahre gab es mit Ursula Heinrichs Krimi Mord im Astoria. Ein ausgebuffter Betrüger steht plötzlich unter Mordverdacht und versucht verzweifelt mit der Hilfe einer jungen Schreibkraft aus dem Polizeikommissariat seine Unschuld zu beweisen, denn Mord ist dann doch eine Nummer zu groß für ihn.

Und von der Sehnsuchtsstadt Wien ging es weiter in die nächste und zwar nach Rom.
Die Journalistin Birgit Schönau, die unter anderem auch für die ZEIT schreibt, hat mit „Die Geheimnisse des Tibers: Rom und sein ewiger Fluss“ eine ganz besondere Stadtgeschichte und vor allem ein Porträt eines Flusses geschrieben. Der Tiber oder „il fiume“, wie ihn die RömerInnen nennen, steht im Zentrum des Buches und man fließt gemeinsam mit ihm einmal durch die römische Geschichte. Eine interessante Reise, die ich bald noch näher vorstellen werde.

Und ich bin in Italien geblieben: von Rom ging es nach Venedig mit einem großartigen, historischen Krimi von David Hewson „Garten der Engel, der auf sehr lebendige und fesselnde Weise eine Geschichte aus den Kriegswirren im Venedig des Jahres 1943 erzählt. Zugleich ein eindringlicher Appell an Zivilcourage und ein literarisches Denkmal für Professor Giuseppe Jona, den Vorsteher der jüdischen Gemeinde, der sich weigerte, eine Liste der Namen seiner jüdischen MitbürgerInnen an die Nationalsozialisten zu übergeben und am 17. September 1943 Selbstmord beging.

Im Vorfeld des 3. Oktobers versuche ich immer wieder gerne, mich auch lesend mit der deutschen Geschichte und der Wiedervereinigung zu beschäftigen. Dieses Mal habe ich mir mit Mensch, Manu! So war das nicht geplant den Roman meiner geschätzten Bloggerkollegin Anke Krügel ausgesucht, welcher die Geschichte der 17-Jährigen Manu aus Strausberg erzählt, die im Jahr 1989 zwischen Penne und Disco nicht nur ihre erste, große Liebe sucht, sondern wahrlich mehr als nur die eine große Wende in ihrem Leben erlebt.

Ein kleines, sehr feines und berührendes Buch hat der vorwiegend als Verfasser der Brenner-Krimis bekannte österreichische Autor Wolf Haas geschrieben: „Eigentum“ erzählt die Geschichte der Mutter, die ihr Leben lang „gespart, gespart, gespart“ hat, um sich irgendwann den Traum vom Eigenheim erfüllen zu können und doch immer wieder scheiterte, weil ihr die Geschichte, die Inflation und das Leben einen Strich durch die Rechnung machten.

Und es war Zeit für ein Herbstbuch und das habe ich tatsächlich wörtlich genommen, indem ich mich in den ersten Teil der Jahreszeiten-Tetralogie von Ali Smith „Herbst“ vertieft habe, der mich sprachlich und inhaltlich begeistert hat. Da werden wohl bald auch die weiteren Teile auf meine Leseliste wandern.

Ja, rückblickend lässt sich sagen, da war sehr viel Schönes dabei in diesem September und…

Was bringt der Oktober?

Endlich wieder THEATER! Für mich beginnt die neue Spielzeit meines Heimattheaters – des Landestheaters Niederbayern – schon fast traditionell mit einer Komödie „Und ewig rauschen die Gelder“. Ich freue mich schon riesig auf diesen leichten Einstieg in die Theatersaison und hoffe auf gute Unterhaltung mit viel Gelegenheit, herzhaft zu lachen.

Auf die Oktober-Lesekreislektüre bin ich ebenfalls schon sehr neugierig: Alex Capus’ „Susanna“. Ich mochte vor allem „Léon und Louise“ und auch „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ von ihm sehr und bin daher gespannt auf seinen neuen Roman und den Austausch mit den Mitlesenden im Anschluss.

Auf ARD wird ab dem 1. Oktober die vierte Staffel von „Babylon Berlin“ ausgestrahlt, die ich sicher auch nicht verpassen möchte und die wohl bis 14. Februar 2024 in der ARD Mediathek zur Verfügung steht.

Ich freue mich auf leuchtende, stimmungsvolle Herbsttage, bunte Blätter, fallende Kastanien, warmes Licht und Tassen mit heißem, dampfenden Tee nach schönen Spaziergängen durch raschelndes Laub.

Ich wünsche allen einen guten, gesunden und goldenen Oktober mit Genuss, schönen Kulturerlebnissen in Theater, Oper, Konzert oder Kino und natürlich guten Büchern! Seht und genießt die schönen Seiten des Herbsts und passt auf Euch auf!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight September:
Der September stand im Zeichen der Kartoffel, durfte ich doch an einer Kartoffelverkostung teilnehmen und unter anderem auch Brote mit „Erdäpfelkas“ genießen. In Bayern und Österreich ist das ein sehr beliebter Aufstrich aus Kartoffeln, Zwiebeln, Sauerrahm und Gewürzen, der gerne zur Brotzeit und auf Festen gegessen wird.

Musikalisches im September:
In der Serie „Rückkehr ins Haus am Eaton Place“ spielt das Lied „Marienwürmchen“ von Johannes Brahms eine besondere Rolle. Das Kinderlied mit der eingängigen Melodie hat sich bei mir diesen Monat als „Ohrwürmchen“ ziemlich festgesetzt und summt mir seitdem durch den Kopf.

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

(Rainer Maria Rilke)

6 Kommentare zu „Septemberbowle 2023 – Sonnenkraft und Herbstvorboten

  1. Danke für deine Monatsrückblicke. Ich schwelge dann ein wenig mit und lasse mich begeistern von deiner Vielfalt an Interessen! Wolf Haas‘ „Eigentum“ lese ich auch bald, vielleicht auch „Susana“, mal sehen, und auf meine Nachrückliste hat es Laura Vinogradovas „Wie ich lernte, den Fluss zu lieben“ geschafft. Bin gespannt und fröhlicher Dinge und sende dir nur die besten Grüße!

    Gefällt 1 Person

    1. Danke, Alexander. „Eigentum“ habe ich als besonders empfunden, da Wolf Haas sehr persönliche Einblicke in das Leben seiner Mutter und sein Verhältnis zu ihr gewährt – ein Buch, das sehr ehrlich rüberkommt. Und auf „Susanna“ bin ich selbst neugierig… mal sehen. Aber ich freue mich auf jeden Fall auf den Oktober, den Herbst und viele gute Bücher – verfolge immer gespannt Deine DBP-Shortlist-Vorstellungen und habe zum Beispiel „Muna“ und „Die Möglichkeit von Glück“ auch hier bei mir liegen – allerdings noch ungelesen.
      Dir ein wunderbares Wochenende und einen guten Oktober! Ich hoffe, Du bist bei meiner Oktoberbowle auch wieder mit dabei! 🙂 Herzliche Grüße!

      Gefällt 1 Person

    1. Vielen lieben Dank! Ich mag die Herbstgedichte von Rilke ebenfalls sehr (auch den „Herbsttag“ mit seinem „Herr: Es ist Zeit“.) Hier bei uns ist es mittlerweile nochmal deutlich herbstlicher geworden und die Färbung der Bäume ist wunderbar anzusehen.
      Herzliche Herbstgrüße!

      Like

Hinterlasse einen Kommentar