Meine Lektüre liegt schon ein wenig zurück, aber ich möchte Euch meine Eindrücke zu diesem wahrlich sagenhaften Buch nicht vorenthalten. Es geht um Stephen Fry’s „Mythos – Was uns die Götter heute sagen“. Wer mal so richtig schallend lachen und zugleich sein Wissen über Götter, Titanen, Nymphen, den Olymp und alles was sonst noch so dazugehört auffrischen möchte, dem kann ich diesen ersten Band der „Mythos“-Trilogie uneingeschränkt ans Herz legen.
Nachdem ich vor kurzem Stephen Fry im Zusammenhang mit dem Musical „Me and my girl“ von Noel Gay begegnet war, wollte ich mir endlich auch selbst meine eigene Meinung über das vielfach gelobte Werk „Mythos“ machen. Und was soll ich sagen? All die Lobeshymnen hat er und das Buch wahrlich verdient. Es ist großartig.
Es wird schnell klar, dass Stephen Fry ein großer Kenner der Mythologie ist, denn man muss die Sagen und Geschichten wirklich sehr gut kennen, um sie so souverän und witzig erzählen zu können.
„Nur ein- oder zweimal ist sterblichen Liebenden in der griechischen Mythologie ein glückliches Ende vergönnt. Es ist vielleicht diese Hoffnung, die uns anspornt, zu glauben, dass unsere Jagd nach dem Glück nicht vergebens ist.“
(S.391)
Die Lektüre ist ungemein lehrreich: So erfährt man unter anderem, warum Krähen schwarz sind, wie der Pfau seine Augen und die Biene ihren Stachel bekam, was Granatapfelkerne mit den Jahreszeiten zu tun haben oder wie die Sahara entstand.
„Zeus wurde, wie die meisten vielbeschäftigten und wichtigen Wesen, ungeduldig angesichts von Pingeligkeit und Selbstmitleid. Diese alberne Kreatur, dieser fliegende Punkt beansprucht einen tödliche Stachel? Ernsthaft? Nun gut, er würde es ihr zeigen.“
(S.95)
Und wer das alles schon weiß und die Geschichten schon kennt?
Der hat sie sicherlich noch nie auf so witzige Art und Weise erzählt bekommen und so noch nie gehört. Denn den Göttern und Titanen ist nichts Menschliches fremd und Fry’s direkte und spritzige Art, dies in zeitgemäße, moderne Worte zu kleiden, sucht seinesgleichen.
„Smyrnas Baby wuchs zu einem Jungen von unvergleichlicher Schönheit heran. Meine Güte, ich habe dies zu oft geschrieben, um noch glaubwürdig zu sein. Aber es ist wahr, dass jeder, der ihn anschaute, für immer hin und weg war, und es ist auch wahr, dass sein Name bis heute als Inbegriff männlicher Schönheit gilt.“
(S.359)
Nach der Lektüre ist man erst einmal gewappnet mit ein wenig lustigem Angeberwissen für den Smalltalk auf der nächsten Party, auch wenn man bei der Detailfülle sicherlich nicht alles behalten kann. Ein bisschen was bleibt sicherlich hängen und man kann ja jederzeit mal wieder Nachschlagen.
Das Schöne ist aber auch, dass man nebenbei viel darüber erfährt, wie sehr sich diese Mythen in Kunst und Kultur, Theater, Oper, bildender Kunst und Malerei etc. bis heute niedergeschlagen haben. Die Stoffe sind in unserem Leben allgegenwärtig. Wenn man auf so lustvolle Weise quasi im Vorbeigehen sein Wissen auffrischen und erweitern kann, ist das einfach wunderbar.
Versehen mit einem ausführlichen Inhaltsverzeichnis, vielen erläuternden Fußnoten, die Brücken schlagen zu Kunst und Kultur und einem Mittelteil, der zahlreiche farbige Abbildungen von Kunstwerken und Gemälden mit mythologischen Szenen enthält, ist es zudem – neben allem Jux – wirklich auch ein Werk, in dem man mal kurz etwas nachschlagen kann.
„Tristan und Isolde, Romeo und Julia, Heathcliff und Catherine, Sue Ellen und J.R. – die berühmten tragischen Liebespaare, die wir kennen, zollen alle der großen griechischen Tradition Tribut, die ihnen vorausging.“
(S.377)
Ein prächtiges, opulentes und überbordendes Buch voller Komik und Witz im besten Sinn. Wer britischen Humor mag, kommt hier voll auf seine Kosten.
Fry ist tatsächlich das Kunststück gelungen, all diese Geschichten so kurzweilig und amüsant zu erzählen, dass man gerade so durch die Seiten fliegt. Das hat nichts Angestaubtes und alle, die vielleicht mit so manch schlechten Erinnerungen an lange Lateinstunden zurückdenken, sollten sich wirklich nicht abschrecken lassen.
Es ist wirklich ein Buch für all jene, die bisher Angst vor Sagen, Mythen und vermeintlich „trockenen“ Stoffen hatten: „Mythos“ ist keine Spur langweilig, sondern ein echter Glücksfall und grandiose Unterhaltung vom Feinsten. So charmant und menschlich wurden einem Götter und Titanen selten nahegebracht. Ich freue mich jetzt schon auf die folgenden Bände – herrlich!
Buchinformation:
Stephen Fry, Mythos – Was uns die Götter heute sagen
Aus dem Englischen von Matthias Frings
atb
ISBN: 978-3-7466-3732-7
***
Wozu inspirierte bzw. woran erinnerte mich Stephen Fry’s „Mythos – Was uns die Götter heute sagen“:
Für den Gaumen:
Auch zu kulinarischen Genüssen gibt es Mythen in Stephen Fry’s Buch:
So erhält Melissa für ihren Beitrag zum „Kochwettbewerb“ anlässlich der Hochzeit von Aphrodite und Hephaistos den ersten Preis:
„Sie brachte den Göttern eine sehr kleine Amphore dar, die fast bis zum Rand mit einem zähflüssigen, bernsteinfarbenen Sirup gefüllt war. (…) Aber in dem kleinen Gefäß befand sich kein Kiefernharz, sondern etwas ganz anderes. Etwas Neues, cremig, ohne klebrig zu sein, dickflüssig, aber nicht zäh, süß, aber nicht überzuckert und mit eine Geruch der alle Sinne betörte. Melissa’s Name dafür war „Honig“.“
(S.93)
Zum Weiterhören oder für einen Opernbesuch:
Auch in der Opernwelt zahlt es sich aus, ein wenig mythologische Grundbildung zu haben, so erzählt Stephen Fry unter anderem auch die Geschichte von „Philemon und Baucis“ – ein Stoff, den Charles Gounod zu eine Oper vertonte, die 1860 uraufgeführt wurde.
Zum Weiterlesen (I):
Im September 2022 erscheint der zweite Band der Mythos-Trilogie „Helden – Die klassischen Sagen der Antike neu erzählt“ als Taschenbuch und der dritte Band „Troja – Von Göttern und Menschen, Liebe und Hass“ im Oktober 2022 als gebundene Ausgabe. Ich werde auf alle Fälle dran bleiben, zumal es sich wirklich um erstklassige und lehrreiche Unterhaltung handelt:
Stephen Fry, Helden – Die klassischen Sagen der Antike neu erzählt
Aus dem Englischen von Matthias Frings
atb
ISBN: 978-3-7466-3975-8
Zum Weiterlesen (II):
Mythologische Stoffe und Sagen halten gerade auch wieder verstärkt in der aktuellen Literatur Einzug. So hat mich auch Madeline Miller’s „Ich bin Circe“ wirklich begeistert – letzten Sommer habe ich den Roman hier auf der Kulturbowle vorgestellt:
Madeline Miller, Ich bin Circe
Aus dem Amerikanischen Englisch von Frauke Brodd
Eisele
ISBN: 978-3-96161-095-2
ich fand es auch toll! Und es ist das erste griechische-Mythen-buch, das ich tatsächlich bis zum Ende geschafft hab.
Liebe Grüße
Nanni
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Danke, Nanni. Ja, es ist wirklich toll und vor allem sehr kurzweilig. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil „Helden“, der im September 2022 als Taschenbuch erscheint. Herzliche Grüße, Barbara
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oh, das hab ich auch schon gelesen…? als Taschenbuch… kann das sein?
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Vielleicht hast Du es auf englisch im Original als Taschenbuch gelesen? Meines Wissens gibt es den zweiten Teil „Helden“ aktuell auf deutsch als gebundene Ausgabe und dann das Taschenbuch ab September. Zudem kommt der dritte Teil Troja auf deutsch als gebundene Ausgabe im Herbst 2022.
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😁 du hast recht, ich hab ihn auf englisch 🤦♀️
Danke und liebe Grüße!
Oh, Troja kenn ich noch nicht, denn wünsch ich mir zu Weihnachten!
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Eine gute Idee, schließlich sind es nicht mal mehr 6 Monate bis Weihnachten und man kann nie früh genug mit dem Wunschzettel anfangen. 😉
Dir morgen einen schönen Sonntag und viele Grüße!
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😂
dir auch einen schönen Sonntag!
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Dankeschön, Barbara,
für Deine sagenhafte Empfehlung.
Smyrna als Adonis‘ Mutter ist wohl auch bekannt unter Myrrha.
Honigsüße Grüße
Bernd
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Gern geschehen, Bernd. Das Buch ist wirklich eine wunderbare Auffrischung der Mythologie-Kenntnisse und auch wenn man sich nicht alles merken kann, ein bisschen etwas bleibt immer hängen… herzliche Grüße! Barbara
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Ein Buchtipp, wie für mich gemacht. Meine Tochter, inspiriert von der Schule, hat sich auch bei Belletristik auf die griechische Mythologie gestürzt, und wenn sie mir davon erzählt, verstehe ich ehrlich gesagt nur Bahnhof. Danke, Barbara, und hab einen sagenhaft entspannten Sonntag! LG Anke
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Oh wie schön, dann ist „Mythos“ wirklich wie für Dich gemacht… und vor allem ist es zudem auch noch wahnsinnig witzig und sehr unterhaltsam. Das schmökert sich weg wie nichts. Sagenhaft sommerliche Sonntagsgrüße aus dem heißen Niederbayern zurück nach Bella Italia! Barbara
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Ich konnte leider schon zu Schulzeiten und im Deutsch LK wenig mit Mythen und Göttern usw. anfangen. Aber ich muss sagen, dass ich die von dir ausgewählten Textstellen jetzt echt witzig fand und sie mich neugierig gemacht haben!
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Dann solltest Du Stephen Fry vielleicht wirklich eine Chance geben – er versteht es wirklich, das Ganze sehr amüsant, witzig und kurzweilig zu erzählen. Wenn Du britischen Humor magst, könnte das die perfekte Möglichkeit sein, sich den Mythen und Göttern nochmal zu nähern…
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