Neujahrsbowle 2025 – Innehalten und Aufbrechen

Die Sektgläser sind abgespült und wieder im Schrank verstaut, 2025 ist bereits ein paar Tage alt und ich hoffe, dass alle wohlbehalten und gesund im neuen Jahr angekommen sind.
Und zunächst möchte ich es natürlich nicht versäumen, allen Leserinnen und Lesern meiner Kulturbowle ein gesundes, gutes, glückliches und friedvolles neues Jahr 2025 zu wünschen.

Ich mag es, am Anfang des Jahres durch die Blogs zu bummeln und die Jahresrückblicke zu lesen, zu sehen welche Bestenlisten erstellt wurden bzw. Lieblingsbücher des Jahres gekürt werden. Destillieren diese Listen doch bei allen stets nochmal die Werke heraus, die besondere Leseerlebnisse dargestellt haben. Gerade dabei wird es für mich – aufgrund der geringen Überschneidungen – immer noch einmal besonders offensichtlich, wie vielseitig der Buchmarkt glücklicherweise ist, und wie sehr doch auch Lebensumstände, persönliche Lesevorlieben und manchmal vielleicht auch einfach der richtige Moment für eine Lektüre ausschlaggebend sind, welche Bücher einen besonders berühren und vielleicht länger im Gedächtnis bleiben als andere.

Auch dieses Jahr ist es mir sehr schwer gefallen, mich auf die Top Ten festzulegen, denn ich habe wirklich viele sehr gute Bücher gelesen und hätte ohne Weiteres auch eine Top 20 zusammenstellen können. Wenn ich mir die Liste so ansehe, dann lassen sich sowohl meine thematischen Vorlieben (Kunst, Kultur, Literatur) als auch eine kleine Häufung italienischer Titel (und das nicht nur weil es Gastland der Buchmesse war) feststellen. Und sogar ein Sachbuch hat es unter die ersten zehn geschafft. Interessanterweise ergibt sich – ohne das geplant oder beachtet zu haben – ein 50/50 Split zwischen Autorinnen und Autoren, obwohl ich insgesamt in 2024 deutlich mehr Werke von Frauen als von Männern gelesen habe.

Aber jetzt genug analysiert, seht selbst, denn hier sind sie – ohne Ranking, sondern in der Reihenfolge, in welcher ich sie gelesen habe – meine 10 Lese-Glanzlichter des Jahres 2024:

* Lydia Sandgren „Gesammelte Werke“:
Ein Buch über Büchermenschen in Göteborg, in das man sich wie in ein Daunenkissen fallen lassen kann – 874 Seiten purer Lesegenuss!
Ausführliche Besprechungen, die den Zauber des Romans ebenfalls einfangen, gibt es unter anderem bei Zeichen&Zeiten, Nacht und Tag und beim Kaffeehaussitzer.

* Josephine Tey „Wie ein Hauch im Wind“:
Teys Krimis gehören für mich zu einer meiner persönlichen Lieblingsentdeckungen der letzten Jahre, denn mit jedem weiteren Fall den ich lese, zieht mich die britische Autorin mehr in ihren Bann. Dieses Mal ging es in ein englisches Künstlerdorf – wieder Krimikunst mit Stil und auf höchstem Niveau!

* Uwe Wittstock „Marseille 1940“:
Wenn es ein Sachbuch in meine Top 10 des Jahres schafft, dann muss es etwas ganz Besonderes sein. Und das ist es auch, denn Uwe Wittstock ist es wieder einmal gelungen, mich zu berühren und mir eine Zeitspanne und ein Kapitel der Geschichte sowie mutige Menschen nahe zu bringen. Es geht um die Gruppe um Varian Fry, die zahlreichen LiteratInnen, KünstlerInnen und Intellektuellen zur Flucht vor dem NS-Regime verhalf. Große Leseempfehlung!

* Roberto Saviano „Falcone“:
Kaum ein Buch hat mich dieses Jahr so gepackt und bewegt wie Roberto Savianos Roman „Falcone“ – ein Buch, das die Bezeichnung Roman wirklich verdient, da es nicht nur die Lebensgeschichte Giovanni Falcones erzählt, sondern auch sprachlich und literarisch auf voller Linie überzeugt. Ein starkes, schmerzliches, intensives und großartiges Buch, das ich regelrecht verschlungen habe und das ich beizeiten sicherlich noch einmal lesen werde. Ein Roman voller Wucht, der unter die Haut geht und spannend ist, obwohl man das traurige Ende ja leider bereits kennt.

* Tom Saller „Ich bin Anna“:
Der Autor, der zugleich selbst Medizin studiert hat und als Psychotherapeut arbeitet, hat einen wunderbaren, hochinteressanten Roman voll subtiler Spannung über Anna Freud und ihren Vater Sigmund geschrieben. Ein kluges, tiefgründiges Buch, in dem unfassbar viel drinsteckt und das ich wahnsinnig gern und mit großem Erkenntnisgewinn gelesen habe. Vielleicht mein Geheimtipp dieses Jahres…

„Es heißt, die Seele kennt keine Zeit. Das Heute findet sich neben dem Gestern, die Zukunft ist bloß ein vorweggenommenes Plagiat. Empfindungen überlappen sich, Erinnerungen verschwimmen, Ereignis und Emotion stimmen nicht überein. Bei mir schon.“

(aus Tom Saller „Ich bin Anna“, S.201)

* Stefanie Gerhold „Das Lächeln der Königin“:
Wer schon einmal im Neuen Museum vor der Büste der Nofretete gestanden hat, weiß welche Faszination von diesem Kunstwerk ausgeht. Stefanie Gerhold erzählt in ihrem ersten Roman die Geschichte ihrer sensationellen Entdeckung, von der Grabung bis hin zu ihrer Ankunft und ihrem Triumph in Berlin. Schon nach wenigen Seiten war bei diesem Buch klar, dass ich es lieben werde – geschichtlicher Hintergrund, Zeitgeist und Atmosphäre des Berlins zu Beginn des 20. Jahrhunderts… Literatur und Geschichte in einer gelungenen Symbiose. Genau mein Ding!

„Jetzt ist es Nacht, die Königin steht, von einem unserer Männer bewacht, in unserem Fundbüro. Sie überragt alles, was jemals aus diesem Sand zum Vorschein gekommen ist. Ihre Farben leuchten, als wären sie eben erst aufgetragen. Was soll ich noch sagen. Diese Königin zu beschreiben ist nutzlos. Man muss sie sehen.“

(aus Stefanie Gerhold „Das Lächeln der Königin“, S.30)

* Beatrice Salvioni „Malnata“:
Eines der expressivsten und trotzigsten Cover, die ich je gesehen habe und ein Debütroman, der mich regelrecht von den Füßen geholt hat. „Malnata“ lässt einen nicht mehr los und zeichnet zugleich ein Sittenbild des Italiens der Dreißiger Jahre. Frech, frisch, wütend, mit großem Tiefgang und ein unfassbar starkes Debüt, das die Absolventin der Turiner Schreibschule Holden hier vorgelegt hat. Eindrucksvoll!

* Klaus Modick „Keyserlings Geheimnis“:
Klassischer Fall von „das perfekte Buch für den perfekten Moment“ und somit der wohl überraschendste Titel auf der Liste ist Klaus Modicks „Keyserlings Geheimnis“, der ja bereits 2018 erschienen und somit wahrlich keine Neuerscheinung mehr ist. Aber es war für mich DAS Sommerbuch des Jahres und hat mich sprachlich, inhaltlich und atmosphärisch verzaubert – gleichsam unsterbliche Buchliebe auf den ersten Blick!

* Alina Bronsky „Pi mal Daumen“:
Brandneu hingegen und vollkommen zurecht zum „Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen 2024“ gewählt ist der herzerfrischende Roman „Pi mal Daumen“ von Alina Bronsky. Der hochbegabte Oscar und die studierende Großmutter Moni waren zweifelsohne das literarische Dreamteam dieses Lesejahrs. Ein Buch voller Herzenswärme und Humor, das ich wärmstens empfehlen kann.

* Paolo Cognetti „Unten im Tal“:
Ja, und dann ging es nochmal nach Italien und zu einem Autor, der bei mir immer Kandidat für ein Lieblingsbuch des Jahres ist. Mit „Unten im Tal“ gab es Neues von Paolo Cognetti und meine ohnehin hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht, sondern wieder übertroffen. Die Geschichte über zwei Brüder, die zwar die selben Wurzeln teilen, aber sich doch in vollkommen andere Richtungen entwickeln, ist auch aufgrund der poetischen Sprache wunderbar zu lesen.

Die ausführlichen Besprechungen zu den Büchern – soweit vorhanden – habe ich natürlich wie immer verlinkt.

2024 war für mich wirklich ein sehr intensives Lesejahr, ein Rekordjahr, was die Anzahl gelesener Bücher betrifft, allerdings konnte ich natürlich nicht alles ausführlich besprechen oder rezensieren. Leider habe ich so heuer nicht einmal geschafft, für alle zehn Jahreshighlights explizite Besprechungen zu schreiben, auch wenn es jedes dieser Bücher so sehr verdient hätte. Für 2025 nehme ich mir vor, zeitnäher zu rezensieren bzw. früher zu entscheiden, ob ich einen langen Beitrag schreiben kann und möchte, damit ich die sich türmenden, vorwurfsvollen Stapel mit Büchern, die ich ja eigentlich besprechen wollte, aber noch nicht dazu gekommen bin, nicht ständig im Blick habe.

Und weil es sich beim Jahreswechsel einfach anbietet, noch ein klein wenig Statistik:
Die drei Beiträge mit den meisten Klicks sind interessanterweise auch 2024 wieder alte Beiträge (aus Vorjahren) gewesen, die sich aus mir nicht immer erfindlichen Gründen zu Dauerbrennern entwickelt haben:
Da sind zu nennen Frauen in Brechts Leben zu Unda Hörners Buch Brecht und die Frauen“, sowie Schwedisches Schreibmaschinengeklapper, in welchem ich das Buch Die Sekretärinnender schwedischen Feministin Elin Wägner aus dem Jahr 1908 besprochen habe. Dieses Jahr gefolgt vom Beitrag Toskanische Tigerin zu Maggie O’Farrells Roman „Porträt einer Ehe“. Ich bin mal gespannt, ob diese Trends anhalten werden.
Der meistgeklickte Beitrag aus 2024 war meine Rezension von Anja Scherzs Goldstein – Ein phantastisches Leben.
Die meisten Likes im letzten Jahr hingegen hat gleich mein erster Beitrag nach der Neujahrsbowle gesammelt: schön, dass über 50 LeserInnen mein Beitrag Seelenbalsam vom Feinsten zu Gabriele von Arnims Der Trost der Schönheit so gefallen bzw. offenbar aus der Seele gesprochen hat.

Und „the same procedure as every year…“:
Natürlich möchte ich mich auch dieses Jahr von ganzem Herzen für alle positiven Rückmeldungen, Likes und Kommentare des vorigen Jahres bedanken. Ich freue mich sehr darüber und ziehe daraus die Motivation auch in 2025 hier auf dem Blog weiterhin meine positiven Erfahrungen mit Büchern oder kulturellen Ereignissen mit Euch zu teilen.

Gaumen-Highlights 2024:
Neu auf den Speiseplan kam dieses Jahr der vegetarische „Shepherd’s Pie“, zu dem mich Olas Blogartikel inspiriert hat.
Und getränketechnisch weckt der Kir Breton seit diesem Jahr sofort Urlaubsgefühle.

Musikalisches in 2024:
Für mich persönlich war 2024 ein Bach-Jahr und vor allem das „Magnificat“ ist mir sehr ans Herz gewachsen.

***

Innehalten und Aufbrechen – die Neujahrsbowle ist bei mir stets der richtige Moment für beides, ein ruhiger Abschluss des vergangenen Jahres, das ich ja bereits habe Revue passieren lassen und jetzt auch ein Ausblick und Aufbrechen in dieses neue Jahr 2025, das noch frisch wie ein weißes Blatt Papier oder eine leere Seite auf dem Computerdisplay vor uns liegt und mit neuem Leben und Inhalten gefüllt werden will.

Da ich dieses Jahr mit meinen 24 für 2024 zwar nicht mit dem Lesen an sich, aber mit dem Verfassen der ausführlichen Rezensionen ein wenig an meine Grenzen gestoßen bin und sich die jährliche Steigerung ohnehin nicht bis in alle Ewigkeit umsetzen lassen wird, habe ich mir für 2025 (nach drei schönen Jahren – hier geht es zu den Projektseiten 2022, 2023 und 2024) jetzt etwas Neues überlegt.

Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“

(Albert Einstein)

Premieren haben auch im Theater einen ganz besonderen Reiz und neugierig zu bleiben und immer wieder auch Neues auszuprobieren bzw. Dinge das erste Mal zu tun, erfrischt den Geist.
Daher soll es 2025 monatlich eine „Premierenbowle“, d.h. irgendetwas mit einem gewissen Neuigkeitsgrad hier auf dem Blog geben. Das könnte ein Debütroman sein oder auch ein Roman einer Autorin oder eines Autors, von der ich persönlich bislang noch nie etwas gelesen habe, ein Buch, das an einem Schauplatz spielt, der bislang noch nicht in meiner Rubrik „Die Welt erlesen“ aufgetaucht ist oder vielleicht auch ein Theaterstück, das ich noch nie in meinem Leben gesehen habe…. und mal sehen, was mir während des Jahres noch alles einfällt an Premieren, die ich hier mit Euch feiern und teilen möchte.
Bald wird es auch wieder eine eigene Seite für die „Premierenbowle 2025“ geben, die ich nach und nach mit den Links zu den jeweiligen Beiträgen und Rezensionen füllen werde.

Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts.“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Bleiben wir also neugierig, offen und zuversichtlich und genießen, was uns 2025 an schönen Augenblicken und Gelegenheiten geben wird: gute Bücher, Theater- oder Opernbesuche, Ausstellungen, Spaziergänge in der Natur und und und … – in diesem Sinne auf ein Neues!

Und schon der Neujahrstagshimmel über Landshut hat uns folgenden Lichtblick beschert, als die Sonne den Weg durch den Nebel gefunden hat:

Und traditionell (jetzt schon zum dritten Mal) gebe ich Euch für das neue Jahr auch noch meinen persönlichen Zwölftelblick des letzten Jahres mit auf den Weg. Jedes Mal bin ich wieder verzaubert von diesem bewussten, langsamen Weg durch die Jahreszeiten und es ist schön zu verfolgen, wie sich die Natur und die Stimmung verändert. Danke auch wieder an Nanni und ihren Blog Helden der Vorzeit, durch den ich auf die Aktion aufmerksam geworden bin und an Eva Fuchs, die auf ihrer Seite alljährlich noch viele weitere schöne Beispiele sammelt.

12 Kommentare zu „Neujahrsbowle 2025 – Innehalten und Aufbrechen

  1. Premieren – ein fantastisches Thema fürs neue Jahr. Ich wünsche dir viel Freude bei deinen literarischen und kulturellen Neuentdeckungen und freue mich auf die entsprechende Berichterstattung. Tanti Saluti e Buon Anno, liebe Barbara!

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    1. Vielen lieben Dank, liebe Anke! Ich freue mich auf all das Neue, das da kommen mag und auch darauf, Dir und allen LeserInnen davon zu berichten. Frischer Wind, um vielleicht ein paar graue Wolken zeitweise wegzupusten….. Herzliche Grüße nach Italien und buon Anno – natürlich auch für Dich und Deine Familie! Auf ein baldiges Wiederlesen auf unseren Blogs! Barbara

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  2. Liebe Barbara,
    ein ganz wunderbares 12tel Blick Motiv hast Du da verfolgt und die fertige Reihe sieht richtig cool aus!
    An Büchern zeigst du wieder viel mehr interessantes als ich jemals lesen kann – aber einige kommen doch auf meine Liste (manchmal ist es auch besser, zu warten und gebraucht zu kaufen 😁)
    Dir ein frohes und friedliches neues Jahr!
    Liebe Grüße
    Nanni

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    1. Liebe Nanni! Vielen lieben Dank! Ich bin dieses Jahr so gerne bei Deinem Zwölftelblick mit durch den wunderbaren Bayreuther Hofgarten geschlendert und finde es immer wieder faszinierend, wie die Jahreszeiten, das Wetter und die Lichtstimmungen die Bilder vielfältig und bunt werden lassen. Heute habe ich schon ein vielversprechendes, neues Motiv für 2025 ausgekundschaftet. 🙂 Mal sehen ein bisschen Zeit im Januar bleibt ja noch, um das neue Motiv zu finden.
      Dir wünsche ich ebenfalls von Herzen ein gesundes, gutes und friedvolles neues Jahr mit viel Inspiration, Kreativität und Freude am Bloggen! Auf ein baldiges Wiederlesen auf unseren Blogs und herzliche Grüße ins schöne Bayreuth! Barbara

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  3. Ein gesundes neues Jahr auch für dich! Was für tolle Entdeckungen hier im Jahresrückblick – nach deiner begeisterten Besprechung würde ich jedes der Bücher sofort zur Hand nehmen.

    Bei mir wird es in diesem Jahr voraussichtlich keinen Jahresrückblick geben. Mich konnte – bis auf eine wunderbare Retrospektive zu Gustave Doré – 2024 kein Buch so richtig vom Hocker hauen. Ich hoffe daher auf dieses Jahr und habe auch beschlossen, dass #25für2025 mir ein wenig zu ambitioniert ist.

    Herzliche Grüße!

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    1. Oh, das freut mich. Vielen lieben Dank!
      Ich kann zum Glück nicht klagen über das Lesejahr 2024. Aber ich wollte mich jetzt noch nicht auf 25 Bücher oder Themen festlegen und mir somit ein bisschen mehr Flexibilität und Spontanität bewahren. 🙂
      Dir wünsche ich auf jeden Fall ganz herzlich ebenso ein gesundes, neues Jahr und auch Zeit, Muße und ein glückliches Händchen bei der Bücherwahl in 2025!
      Viele Grüße!

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