Februarbowle 2023 – Vorfrühling und Schneegestöber

Der kürzeste Monat des Jahres ist seinem Ruf wieder einmal gerecht geworden und fast im Eilzugtempo vorbei gerauscht. Die Wetterwundertüte hatte von sonnigen Vorfrühlingstagen mit munterem Vogelgezwitscher und sprießenden Schneeglöckchen über stürmischen Wind, bis zum winterlichen Schneegestöber und grauen Tagen alles im Gepäck.

Die Lektüren sind – nicht nur aufgrund der drei fehlenden Tage – im Februar ein bisschen spärlicher ausgefallen, aber mit sieben Büchern immer noch respektabel.

Dafür habe ich im Februar wieder etwas mehr Zeit im Theater verbracht:
Ich habe eine fulminante Aufführung von Bertolt Brechts „Leben des Galilei“ im Landestheater Niederbayern mit einer grandiosen Antonia Reidel in der Titelrolle erleben dürfen, die mich absolut begeistert hat und die ich auch hier auf der Kulturbowle ausführlich besprochen habe. Eine Theater-Sternstunde!

Um einiges düsterer war hingegen die Studioproduktion im Salzstadl „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe, die mit reduzierten Mitteln auf engem Raum eine wirklich beklemmende Atmosphäre schuf – untermalt mit live gespielter Klaviermusik unter anderem von Scriabin und Liszt interessant in Szene gesetzt.

Meine Film- bzw. Fernsehpläne, konnte ich nur zur Hälfte umsetzen, denn bei „Lieber Thomas“ streikte leider die ARTE-Mediathek, aber ich habe es immerhin geschafft, den sehr guten, aber auch sehr, sehr traurigen Film „Schwesterlein“ mit Nina Hoss und Lars Eidinger anzusehen – eine beeindruckende, intensive, schmerzhafte Erfahrung, die unter die Haut geht, für die man jedoch in stabiler Gemütsverfassung bzw. auf die man vorbereitet sein sollte.

Wirklich herausgefordert hat mich diesen Monat auch die Lesekreis-Lektüre mit Nick Caves „Der Tod des Bunny Munro“, das leider so gar nicht mein Fall war und das ich sonst sicherlich nie gelesen hätte. Ein Ausflug, der mich sehr weit aus meiner literarischen Komfortzone gelockt hat!

Viel berührender hingegen fand ich den kleinen, feinen Roman des französischen Autors Joachim Schnerf „Das Cabaret der Erinnerungen“, seine künstlerische Art, sich damit auseinanderzusetzen, wie die Erinnerung an die Shoah auch nach dem Tod der letzten Zeitzeugen aufrechterhalten werden kann, war berührend zu lesen. Ein leises, poetisches Buch mit einer wichtigen Botschaft!

Eine absolut brillante Lektüre, die mich vor allem aufgrund der Klugheit und der unfassbar treffenden Beschreibungen fasziniert hat, war Anita Brookners wehmütiger Roman „Seht mich an“ aus den Achtziger Jahren, der die abgrundtiefe Einsamkeit einer jungen Londoner Bibliothekarin beschreibt. Hochintelligent und stilistisch ein Genuss!

Außergewöhnlich und sehr poetisch war mein Ausflug in die offene, weite Landschaft Finnlands mit Mirja Lanz’ Debütroman „Sie flogen nachts“. Schneegestöber auf den Seiten, Worte, die sich zu Regengüssen, Gedichten und zauberhaften Naturbeschreibungen formen – eine Lust mit Sprache, Form und Lautmalereien zu spielen und eine Geschichte darüber, wie Geschichten entstehen und was es bedeutet, nach seinen familiären Wurzeln zu suchen. Ein mutiges und stimmungsvolles Buch, das es wagt, sich von festen Strukturen und dem literarischen Mainstream zu lösen!

Mit Janet Lewis’ „Draussen die Welt“ stand eine weitere Wiederentdeckung einer bereits verstorbenen Autorin auf meinem Programm, die sich als äußerst lesenswert erwiesen hat. Ihr Roman aus dem Jahr 1943 offenbart auf unaufdringliche, leise Art und Weise erst nach und nach seine Tiefgründigkeit und zeigt, wie leicht sich Abgründe auftun können und wie zerbrechlich das Glück ist. Eine kunstvolle Komposition, die bei aufmerksamer Lektüre einen großen Nachhall erzeugt!

Ein für mich bislang weitgehend unbekanntes Kapitel der deutschen Geschichte und einen hochinteressanten Ort durfte ich durch Uwe Neumahrs Sachbuch „Das Schloss der Schriftsteller“ kennenlernen. Er beschreibt das Press Camp im Schloss Faber-Castell, das während der Zeit der Nürnberger Prozesse 1946 dort eingerichtet war und eine illustre Schar von SchriftstellerInnen und JournalistInnen beherbergte, die über den Prozess berichteten: Erich Kästner, Erika Mann, John Dos Passos, Elsa Triolet, Willy Brandt… – erhellend und aufschlussreich!

Eine Familiengeschichte über drei Generationen hinweg erzählt die Kärntner Autorin Silvia Pistotnig in ihrem Roman „Die Wirtinnen“. Drei Frauen, drei besondere Begabungen, drei Schicksale, drei geplatzte Träume – ein Kärntner Gasthof wird zum Dreh- und Angelpunkt der Lebensgeschichten von Großmutter, Tochter und Enkelin, die jeweils ihre ganz eigenen Herausforderungen im Leben meistern müssen. Ein süffiges Leseerlebnis aus Österreich!

Was bringt der März?

Kulturell ist viel geboten im März und ich bin gespannt und voller Vorfreude auf das Musical „The black rider“ und die Oper „Rinaldo“ im Landestheater Niederbayern, eine Inszenierung von Joseph Haders „Indien“ im Kleinen Theater, sowie einen Agatha Christie-Krimi „Kurz vor Null“ im Theater Konrad. Eine wilde, aber interessante Mischung, wie ich finde.

Zudem bin ich neugierig auf die Opernübertragung von Mozarts „Nozze die Figaro“ aus der Wiener Staatsoper in einer Inszenierung von Barrie Kosky unter der Leitung von Philippe Jordan am 17.03.23 um 21.50 Uhr auf ARTE.

Und auch den Film „Nahschuss“ mit Lars Eidinger und Devid Striesow, der am 10.03.23 um 20.15 Uhr auf ARTE zu sehen ist und die Todesstrafe in der DDR thematisiert, habe ich mir mal notiert.

Außerdem habe ich Lust auf das Frühjahr, darauf, Neues auszuprobieren, der Natur beim Erwachen zuzusehen, lange Spaziergänge zu machen und mir die ersten Frühlingssonnenstrahlen ins Gesicht scheinen zu lassen.

Zudem gibt es eine Wiederholungslektüre von Mariam Kühsel-Hussainis „Tschudi“, das ich sehr mochte, für den Lesekreis, viele interessante Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt zu entdecken und wie immer auch vieles, das sich bereits seit längerem auf den Bücherstapeln türmt und darauf wartet, endlich gelesen zu werden.

In diesem Sinne wünsche ich allen einen wunderbaren, fröhlichen und abwechslungsreichen März! Startet gesund, munter und zuversichtlich in den Frühling!

Die ausführlichen Rezensionen sind jeweils auf den farbig hinterlegten Titeln verlinkt und ein Klick führt direkt zum jeweiligen Beitrag, wo dann auch die entsprechenden bibliographischen Angaben zu finden sind.

Gaumen-Highlight Februar:
Da jetzt im Moment die Zeit dafür ist: frischen Skrei – auch als Winterkabeljau bekannt – mit Gemüse und Kartoffelpüree. Da werden schöne Erinnerungen an das Meer und die Küste wach.

Musikalisches im Februar:
Erneut aufmerksam geworden durch einen WDR-Klassik Livestream des Konzerts „Blechmagie“ mit Trompeter Christoph Moschberger und dem WDR Funkhausorchester bin ich auf das wundervolle Stück „Tråg mi Wind“ von Christian Dreo mit dem Text der Kärntner Mundartdichterin Brigitte Hubmann.
Besonders berührend finde ich die gesungene Version in der Aufnahme der Sängerrunde Pöllau, die hier auf YouTube zu finden und zu hören ist.

Vorfrühling

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.

(Rainer Maria Rilke, 1875-1926)

6 Kommentare zu „Februarbowle 2023 – Vorfrühling und Schneegestöber

    1. Gern geschehen, Alexander. Zu „Draussen die Welt“ wird es demnächst noch eine ausführliche Besprechung geben. Und ja, den Rilke fand ich auch wie für diesen Februar gemacht. Herzliche Grüße und eine schöne restliche Woche!

      Gefällt 1 Person

  1. Spannende Lektüren, tolle Fotos, wundervoller Text. Ich wünschte, ich fände wieder mehr Zeit und Wachheit zum Lesen (was bei Stressbergen auf der Arbeit und aufmerksamkeitsbindendem Nachwuchs vorerst noch hehre Hoffnung bleibt) 🙂

    Gefällt 1 Person

    1. Dankeschön! Es freut mich, wenn die Bowle mundet. 🙂 Das Schöne an Büchern ist, dass sie geduldig sind und auch mal auf den richtigen Moment warten können. Herzliche Grüße und morgen einen guten Start in ein hoffentlich stressfreies Wochenende!

      Gefällt 1 Person

  2. Liebe Barbara,
    mit der kulturellen Bowle durch den Faschingsmonat und in die Fastenzeit …
    Freut mich, dass Du darunter zu Uwe Neumahrs „Das Schloss der Schriftsteller“ gegriffen hast. Von der Neuerscheinung hatte ich schon gelesen und es im Schaufenster der Lieblingsbuchhandlung gesehen. Mal sehen, ob ich das Buch anschaffe oder ausleihe.
    Zum Pressecamp des Internationalen Militärgerichts im Faber-Schloss Stein las ich:
    „Der Nürnberger Lernprozess. Von Kriegsverbrechern und Starreportern“. Zusammengestellt und eingeleitet von Steffen Radlmaier, Die Andere Bibliothek, Herausgegeben von Hans Magnus Enzensberger, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2001
    Daraus hatte Uwe Neumahr wohl viele Materialien; umso mehr bin ich neugierig, was er daraus gemacht und darüber hinaus gefunden hat.
    Danke für Deine Impulse aus Theater, Lektüre, Küche und Lyrik zusammen mit den schönen Foto-Aufnahmen.
    Schönen Sonntag und
    herzliche Grüße
    Bernd

    Gefällt 1 Person

    1. Lieber Bernd,
      für mich war die Lektüre von Uwe Neumahrs Buch zum Press Camp im Faber-Schloss sehr aufschlussreich und interessant, aber ich hatte diesbezüglich auch noch keine Vorkenntnisse. Ich werde demnächst noch ausführlicher zu meiner Lektüre berichten.
      Ich wünsche Dir ebenfalls einen wunderbaren Sonntag und eine gute Fastenzeit!
      Herzliche Grüße,
      Barbara

      Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s